Betriebliche Übung: Feiertagszuschlag am Ostersonntag

Weil sie ihn irrtümlich für einen gesetzlichen Feiertag halten, zahlen manche Arbeitgeber tarifliche Feiertagszuschläge für den Ostersonntag. Entsteht daraus ein Anspruch auf künftige Zuschläge? Ein Überblick zu Irrtümern und Wahrheiten der betrieblichen Übung.

Der Ostersonntag ist in Deutschland ein kirchlicher, aber kein gesetzlicher Feiertag. Eine Ausnahme gilt nur im Bundesland Brandenburg. Arbeitgeber in den anderen Bundesländern müssen daher am Ostersonntag grundsätzlich keinen tariflichen Feiertagszuschlag zahlen. Etwas anderes kann gelten, wenn im Tarifvertrag Feiertagszuschläge explizit für "hohe Feiertage" gewährt werden.

Davon unabhängig stellt sich die Frage, was gilt, wenn ein Arbeitgeber über Jahre hinweg am Ostersonntag irrtümlich tarifliche Feiertagszuschläge gewährt, in der Annahme es sei ein gesetzlicher Feiertag. Besteht dann ein Anspruch aus betrieblicher Übung? Und was ist darunter überhaupt zu verstehen?

Was kann alles Gegenstand betrieblicher Übung sein?

Grundsätzlich ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmenden schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer als vertraglicher Anspruch eingeräumt werden.

An sich ist eine betriebliche Übung für jeden Gegenstand vorstellbar, der auch arbeitsvertraglich in allgemeiner Form geregelt werden kann. Meistens handelt es sich dabei um zusätzliche Geldleistungen, zum Beispiel Weihnachtsgeld oder Jubiläumszuwendungen. Aber auch Regelungen zur Krankmeldung, bezüglich der Arbeitszeit oder zum Verhalten am Arbeitsplatz können Gegenstand einer betrieblichen Übung sein - so auch die Freistellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Rosenmontag, an Geburtstagen, an Weihnachten oder an sonstigen Tagen mit regionalem Brauchtum.

Wann entsteht eine betriebliche Übung?

Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung ist die Frage entscheidend, wie die Arbeitnehmenden die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durften. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder nicht. Nicht jedes Entgegenkommen des Arbeitgebers oder Tolerieren bestimmter Verhaltensweisen führt zur betrieblichen Übung.

Insbesondere, wenn es nicht um aktives Tun, sondern um ein Dulden oder Unterlassen geht, können sich Beschäftigte nicht darauf verlassen, dass dies im Unternehmen immer so bleibt. Duldet ein Arbeitgeber jahrelang bezahlte Raucherpausen und ändert dies, können Mitarbeitende sich nicht auf das Recht aus betrieblicher Übung berufen, entschied das LAG Nürnberg (Urteil vom 5. August 2015, 2 Sa 132/5). Der Arbeitgeber habe von dem Ausmaß der bezahlten Raucherpausen keine Kenntnis gehabt. Auch wenn der Arbeitgeber über längere Zeit einen Hund am Arbeitsplatz toleriert, begründet dies nicht zwingend eine betriebliche Übung, insbesondere wenn von dem Hund eine mögliche Gefahr ausgeht (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. September 2022, Az: 2 Sa 490/21).

Freiwilligkeitsvorbehalt: Freiwilligkeit der Sonderzahlung deutlich machen

Auch Marzipantorte und Weihnachtsgeld vom Arbeitgeber sind nicht selbstverständlich. Rentner, die beides von ihrem ehemaligen Arbeitgeber erhielten, konnten sich vor dem Arbeitsgericht Köln nicht auf betriebliche Übung berufen. Zum einen hätten in der Vergangenheit nicht alle Betriebsrentner die Zuwendungen erhalten, zum anderen habe der Arbeitgeber im jährlichen Weihnachtsschreiben deutlich gemacht, dass er die Leistung nur für ein Jahr gewähre, so das Urteil (ArbG Köln, Urteil vom 24. November 2016, 11 Ca 3589/16).

Um zu verhindern, dass aus einem stetigen Verhalten ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht, sollten Arbeitgeber bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen oder Vergünstigungen schriftlich einen entsprechenden Vorbehalt erklären. Das BAG hat für die Formulierung Ausdrücke wie "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" oder "kein Rechtsanspruch für die Zukunft" empfohlen (BAG, Urteil vom 19. Mai 2005, 3 AZR 660/03).

Wenn ein Unternehmen jahrelang aufgrund eines "Rechtsirrtums" tarifliche Feiertagszuschläge für Arbeiten am Ostersonntag gezahlt hat, mangelt es ebenfalls an der freiwilligen Gewährung der Leistung. Bemerkt der Arbeitgeber seinen Irrtum und stellt die Zahlung ein, können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich nicht auf eine betriebliche Übung berufen (BAG, Urteil vom 17. März 2010, Az. 5 AZR 317/09).

Im Einzelfall kann die Forderung nach der Zahlung eines Feiertagszuschlags für Ostersonntag jedoch berechtigt sein: Sieht ein Tarifvertrag einen Zuschlag an "hohen Feiertagen" vor, kann dies auch den Ostersonntag beinhalten, auch wenn er kein gesetzlicher Feiertag ist. So sah es jedenfalls das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2019 (Az:  6 Sa 996/18), die das BAG (Urteil vom 24. Februar 2021, Az. 10 AZR 130/19) bestätigt hat. Entscheidend ist hier aber immer der genaue Wortlaut des Tarifvertrags. 

Dreimalige Gewährung begründet nicht immer betriebliche Übung

Nach der Rechtsprechung des BAG ist es bei einer jährlichen Gewährung einer Leistung wie dem Weihnachtsgeld ausreichend, dass der Arbeitgeber diese drei Jahre hintereinander zahlt, damit eine betriebliche Übung entsteht. Ein Irrtum ist jedoch die weit verbreitete Meinung, dass die dreimalige Gewährung einer Leistung immer eine betriebliche Übung begründet. Es gibt grundsätzlich keine Regel, ab welcher Zahl von Wiederholungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfen, dass die Leistung auf Dauer gewährt werden soll.

Verhältnis der Anwendungsfälle zur Belegschaft zählt mit

Bei nicht jährlichen Leistungen wie einer Jubiläumszahlung kommt es auch auf die Zahl der Fälle an. So forderte ein Arbeitnehmer "seine" Jubiläumszuwendung aus betrieblicher Übung ein. Das BAG sah zwar die Leistung als hinreichend bestimmt an, verneinte den Anspruch aber, obwohl er bereits achtmal in vorherigen Jahren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewährt worden war. Der Grund: Die Zuwendung sei noch nicht so häufig erfolgt, dass der Arbeitnehmer berechtigterweise von einer Weiterführung ausgehen durfte (BAG, Urteil vom 28. Juli 2004, 10 AZR 19/04). 

Wie vieler Wiederholungen bedarf es also? Hier ist die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaft heranzuziehen und wie bedeutend die Leistung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Im vorliegenden Fall war sie eher gering, da genügte die achtmalige Gewährung bei einer Gesamtbelegschaft von 230 Mitarbeitenden eben nicht.  

Einschränkungen im öffentlichen Dienst

Im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern sind die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes bei der Gestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen an Weisungen vorgesetzter Dienststellen, an Richtlinien, Verordnungen, Gesetze, an Mindestbedingungen des Tarifvertrags, an das Haushaltsrecht und so weiter gebunden. Nur wenn ein zusätzlicher Vertrauenstatbestand bei den Beschäftigten geschaffen wurde, kann überhaupt eine betriebliche Übung im öffentlichen Dienst entstehen. Im Zweifel gelten die existierenden Regelungen.


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