Arbeitnehmerbegriff: Keine Selbstleihe eines Geschäftsführer

Um häufiger von einer Rundfunkanstalt eingesetzt zu werden, hat ein Kameramann auf deren Anraten eine Zeitarbeitsfirma gegründet und sich selbst verliehen. Eine unzulässige Umgehung von Schutzvorschriften, entschied nun das LAG Schleswig-Holstein. Die Folge: Der Kameramann ist Arbeitnehmer der Rundfunkanstalt.

Zurzeit brüten Arbeitsministerin Andrea Nahles und ihre Mitarbeiter aus dem Bundesarbeitsministerium über passende gesetzlichen Regeln zum Fremdpersonaleinsatz. Eventuell  wird noch im Januar dazu ein neuer Referentenentwurf fertig. Auch die Kriterien des Arbeitnehmerbegriffs spielen gerade bei der Abgrenzung der firmeneigenen Mitarbeiter zu Arbeitskräften der Fremdfirmen eine wichtige Rolle.

Arbeitnehmer, Leiharbeitnehmer oder freier Mitarbeiter

Bereits vor den Reformbemühungen der Regierung hat sich auch das BAG immer wieder mit den Kriterien zur Unterscheidung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Dienst- oder Werkvertrag auseinandergesetzt und zuletzt über den Arbeitnehmerstatus von Zirkusartisten entschieden. In einem aktuellen Fall nun hatte das LAG Schleswig-Holstein über die Arbeitnehmereigenschaft eines Kameramannes zu entscheiden.

Dieser war zunächst als freiberuflicher Kameramann für eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts tätig. Aufgrund interner Vorgaben sollten dort jedoch freie Mitarbeiter nur an maximal 60 Tagen im Jahr eingesetzt werden. Die gewünschte umfangreichere Beschäftigung sei – so erklärte der Produktionsleiter dem Kameramann – allerdings im Wege der Arbeitnehmerüberlassung möglich.

Der Fall: Geschäftsführer verleiht sich selbst

Daraufhin gründete der ehemals freie Mitarbeiter eine GmbH mit einer Überlassungserlaubnis. Als deren Geschäftsführer verlieh er in den Folgejahren sich und zwei bis drei weitere Mitarbeiter an die Rundfunkanstalt. Zumindest ab September 2007 war der mutmaßliche Leiharbeitnehmer so ausschließlich im Rahmen von Verträgen der Rundfunkanstalt mit der Arbeitnehmerüberlassungsfirma als Kameramann in der öffentlich-rechtlichen Organisation eingesetzt und ganz überwiegend mit Dreharbeiten für zwei tägliche regionale Nachrichtensendungen des Senders betraut.

Im Januar 2014 machte er sodann geltend, dass tatsächlich ein Vollzeitarbeitsverhältnis als Kameramann zwischen ihm und der Rundfunkanstalt bestünde und forderte – zunächst erfolglos – die entsprechende Beschäftigung.

LAG: Tätigkeit spricht für Arbeitnehmerstatus

Nun hat das LAG Schleswig-Holstein – anders als noch das Arbeitsgericht Kiel – der Klage auf Feststellung des Arbeitnehmerstatus stattgegeben. Die Begründung der Richter: Aufgrund des Umfangs der Einsätze, der Art der geschuldeten Arbeit, die wenig Raum für eigene – programmgestaltende – Tätigkeit lässt und des Einsatzes im Rahmen einer Daueraufgabe, ist der Kameramann bei der beklagten Rundfunkanstalt als Arbeitnehmer beschäftigt.

Der vermeintliche Leiharbeitnehmer sei in erheblichen Maße in die Arbeitsorganisation eingebunden gewesen, zumal die Rundfunkanstalt auch nahezu immer die Ausrüstung dafür gestellt oder organisiert und bezahlt habe.

Geschäftsführer: kein Arbeitnehmer, keine Überlassung

Dass er offiziell über eine Drittfirma „verliehen“ wurde, steht dem nicht entgegen. Der Geschäftsführer einer Arbeitnehmerüberlassungsfirma kann nicht wirksam verliehen werden, da das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für diesen nicht gilt. Zwar sei die Einschaltung eines Verleihunternehmens durch die Rundfunkanstalt nicht generell unzulässig oder rechtsmissbräuchlich, begründeten die Richter ihr Urteil. Sie sei es nur im Fall des Kameramanns, weil bei ihm die Voraussetzungen für eine Arbeitnehmerüberlassung nicht vorlagen. Die Vertragsgestaltung – nur bezogen auf den Kameramann – sei vielmehr durch die Einschaltung eines Verleihunternehmens auf eine Umgehung der zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften ausgelegt gewesen.

Die LAG-Richter sahen es auch nicht als treuwidrig an, dass sich der Kameramann im Verfahren auf die Unwirksamkeit seiner eigenen „Ausleihe“ berufen hatte. Schließlich handelte er „nicht zielgerichtet zur Erlangung des Arbeitnehmerstatus als er die Firma gründete, sondern um über diesen „Umweg“ zu mehr Einsätzen beim Beklagten kommen zu können“, so die Begründung der Richter. „Auch war sein Vorgehen in keiner Weise heimlich und auf Täuschung des Beklagten ausgerichtet. Die Tatsache, dass der Kläger Geschäftsführer der GmbH war, war bei den verantwortlichen Mitarbeitern des Beklagten bekannt.“

Noch bleibt der Rundfunkanstalt jedoch eine Möglichkeit: Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits hat das Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Hinweis: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 1. Dezember 2015, Az. 1 Sa 439 b/14; Vorsinstanz: ArbG Kiel, Urteil vom 11. November 2014,. Az. 5 Ca 760 c/14


PM LAG Schleswig-Holstein
Schlagworte zum Thema:  Arbeitsverhältnis, Arbeitnehmerüberlassung