Der Prototyp Gründer in Deutschland ist im Schnitt 25 bis 35 Jahre alt, männlich, hat bislang noch nicht selbst gegründet und hat einen Studienabschluss in den Bereichen BWL, Informatik oder Ingenieurwissenschaften.[1] Start-Ups an sich sind per Definition jünger als 10 Jahre, haben ein innovatives, technologisches Geschäftsmodell und haben bzw. streben ein signifikantes Mitarbeiter- und Umsatzwachstum an.[2] Der Großteil der in Deutschland gegründeten Start-Ups befindet sich in einer Phase zwischen Gründung und Wachstum (s. Abb. 1). Ziel der meisten Start-Ups ist es, ein massenmarktfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln und durch Ausprobieren und Testen zusammen mit dem Kunden zeitnah den Sprung in die Wachstumsphase zu erreichen. Während sie direkt nach der Gründung noch mit Ressourcenknappheit zu kämpfen haben, gewinnen die Zusammenarbeit mit Investoren und die gemeinsame Strategieentwicklung in der Wachstumsphase deutlich an Bedeutung.[3]

Abb. 1: Start-Up-Entwicklungsphasen (2013-2018)[4]

Sowohl die starke Ressourcenknappheit zu Beginn als auch die hohen Anforderungen der Investoren an Reportings im Wachstumsverlauf des Start-Ups fordern bei Controllern ein Umdenken. Das Bild des traditionellen Controllers lässt sich nur schwer auf diese schnelllebige Start-Up-Landschaft übertragen. Die Rahmenbedingungen des Start-Ups unterscheiden sich massiv von denen eines bereits etablierten Unternehmens, da verschiedene Entwicklungsphasen immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringen. Start-Ups brauchen genügend Freiräume, eine gelebte Fehlerkultur und daraus schlussfolgernd auch Flexibilität, falls eine Idee nicht auf Anhieb wie gewünscht vom Markt angenommen wird. Dazu kommt, dass sich gerade in den sehr frühen Phasen eines Start-Ups Gründer nicht mit den relevanten Fragestellungen des Controllings auseinandersetzen. Meist liegt ihr Fokus auf anderen Schwerpunkten, wie z. B. auf der Marktsegmentierung, der Produktentwicklung oder der Marktkommerzialisierung. Gerade die o. g. Rahmenbedingungen verdeutlichen umso mehr, dass ein frühzeitig strukturiertes Controlling hilfreich sein kann, das sich im Laufe der Zeit immer weiter formalisieren und nach und nach Züge des klassischen Controllings annehmen wird. Z. B. sollte eine Fehlerkultur erlaubt sein, was jedoch nicht bedeutet, dass jedes Projekt ohne Ressourcenkontrolle unbegrenzt laufen sollte. An dieser Stelle könnte das Controlling geeignete und individuelle Anforderungen entwerfen und festlegen, mit wie viel Budget interne Projekte ausgestattet und wann sie terminiert werden.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Gründer sich gerade in den ersten Jahren möglichst wenig mit Controlling, KPIs und Performance Measurement beschäftigen möchten: der Nutzen ist nur indirekt erkennbar. Ein Beispiel dafür liefert das schnell wachsende Start-Up KONUX, das durch die Verbindung von Sensoren mit künstlicher Intelligenz eine weitsichtige Instandhaltung von Bahngleisen ermöglicht. In diesem Start-Up wird kein Kennzahlensystem (mit generischen Kennzahlen) verwendet, da die Gründer für sie noch kein übergreifendes System gefunden haben, welches ihre internen Kriterien erfüllt: es soll möglichst gut funktionieren, motivieren, nicht blockieren und für alle Mitarbeiter einfach zugänglich und erfassbar sein. Die Lösung für dieses Herausforderung sind Objectives and Key Results (OKRs), an denen jeder Mitarbeiter seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg sehen kann.[5]

Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass nicht alle Controllingprozesse und -grundlagen zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf Start-Ups übertragen werden können, sondern im Vorfeld sorgfältig ausgewählt werden sollten. Bei der Implementierung von Controllingprozessen lohnt es sich außerdem, von außen zusätzliche Hilfe ins Haus zu holen, sei es durch den Investor oder Expertenunterstützung. Die Einführung des Controllings in Start-Ups ist kein schablonenhafter Prozess, sondern erfordert erhebliche Vorüberlegungen. Formalisierung auf der einen Seite sowie Freiheit und Flexibilität auf der anderen Seite sollten sich bei diesem Unterfangen die Waage halten. Dabei wollen wir nicht nur einen Blick auf die stand-alone Start-Ups werfen, sondern auch das Controlling von Start-Up-Initiativen von etablierten Unternehmen näher beleuchten.

  • Zunächst betrachten wir, welche Bedeutung dem aktuellen Schwerpunktthema zugeschrieben werden kann und was genau unter Start-Ups und Start-Up-Initiativen verstanden wird. Hier gehen wir darauf ein welche verschiedene Kategorien bzw. Arten dabei zu unterscheiden sind (Kap. 2).
  • Daraufhin erörtern wir, wie sich das Controlling – insbesondere Aufgaben und Rollen – von Start-Ups über den eigenen Lebenszyklus verändert (Kapitel 3.1-3.5. Anhand von mehreren Praxisbeispielen von kleinen bis großen Start-Ups, oder gar Grown-Ups, wird diese Entwicklung verdeutlicht (Kapitel 3.6-3.8).
  • Einen Perspektivwechsel begehen wir im nächsten Kapitel. Hier steht nicht mehr das einzelne Start-Up und dessen Controlling im Fokus, ...

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