Kostenrechnung in öffentlichen Institutionen ohne Wirkung?

Die Kostenrechnung in der öffentlichen Verwaltung erfüllt häufig die Erwartungen nicht – trotz erheblicher Investitionen. In seiner Controller Magazin-Kolumne analysiert Prof. Jürgen Weber drei Hauptursachen für die Defizite – und hat auch eine Empfehlung parat.

Kostenrechnung in der öffentlichen Verwaltung ist keine Erfolgsgeschichte

Der Bundesrechnungshof ist weit über die Behördenlandschaft hinaus bekannt: Jahr für Jahr prangert er öffentlichkeitswirksam Verschwendung in der öffentlichen Verwaltung an. Er belässt es aber nicht dabei, sondern will auch helfen, dass die Wirtschaftlichkeit in den Behörden besser werden kann. Ein Instrument, auf das er dabei baut, ist die Kostenrechnung.

Für den Bundesrechnungshof scheint die Kostenrechnung der Inbegriff wirtschaftlichen Denkens zu sein, ein Hilfsmittel, für das es mittlerweile in der öffentlichen Verwaltung gesetzliche Regelungen gibt. So sieht die Bundeshaushaltsordnung vor, dass „in geeigneten Bereichen“ eine Kostenrechnung einzuführen ist. Was „geeignet“ meint, wird aber nicht näher präzisiert. Über die Jahre ist sehr viel Geld in die Implementierung von Kostenrechnungen auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung geflossen. Die Anstrengungen waren aber nur selten von Erfolg gekrönt. Häufig sind Instrumentenruinen entstanden, die nicht nur ihre Investition nicht wert sind, sondern – schlimmer – den Ruf von in der Privatwirtschaft üblichen Wertgrößen in der Verwaltung stark beschädigt haben. Oftmals ist die Erde verbrannt. Warum ist das passiert?

Probleme haben drei Ursachen

Drei Gründe sind hierfür – neben anderen – verantwortlich.

  1. Die Kostenrechnung ist eine Periodenrechnung. Sie passt zur externen Rechnungslegung und löst sich wie diese von der Zahlungsebene. Das führende finanzielle System in der öffentlichen Verwaltung ist aber in Deutschland die Kameralistik. Sie basiert auf Einzahlungen und Auszahlungen („Haushaltsmitteln“). Abschreibungen z.B. sind ihr gänzlich fremd. Die Doppik hatte in den Behörden lange Zeit einen schweren Stand. Auf der Bundesebene gibt es bis heute keine doppische Buchführung. Wer dort eine Kostenrechnung einführen will, muss deshalb sowohl eine entsprechende Systembasis aufbauen als auch ein Denken in periodischen Erfolgen vermitteln. Dies ist eine hohe Hürde.
  2. Die öffentliche Verwaltung produziert Dienstleistungen. Sie bereiten einer Kostenrechnung viel größere Probleme als Sachleistungen: Sie sind zum einen nicht maschinengebunden und damit schlechter messbar und besitzen zum anderen eine deutlich höhere Qualitätsvarianz. Beides führt dazu, dass der Weg, Dienstleistungen mittels ihrer monetären Bewertung zu steuern, deutlich weniger naheliegend und geeignet ist als eine direkte Steuerung über ein Qualitätsmanagement. Zudem gibt es häufig ein Konkurrenzverhalten zwischen den Abteilungen Kostenrechnung und Qualitätsmanagement, die zumeist in unterschiedlichen Ressorts beheimatet sind.
  3. Die Einführung einer Kostenrechnung erfolgte häufig in der Annahme, dass gute Informationen automatisch dazu führen, dass damit entsprechend gesteuert wird. Dies ist aber zumeist nicht passiert. Schon im Unternehmenssektor gibt es einen solchen Automatismus nicht. Ein striktes Steuerungsdenken fehlt aber in der Verwaltung generell: Wer auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln gepolt ist, fragt nicht primär danach, wie man Veränderungen durchsetzen kann. Ohne einen solchen Veränderungsdruck sind die Zahlen aus der Kostenrechnung aber schnell folgenlos. Zu wissen, wie teuer eine Leistung ist, hilft nichts, wenn diese – Gesetzen und Verordnungen folgend – doch erbracht werden muss. Wirklich sinnvoll ist eine Kostenrechnung erst dann, wenn mit ihr etwas bewegt werden kann. Ein gutes Beispiel liefert derzeit der Gesundheitssektor, wo ein hoher Leistungswettbewerb besteht und Kliniken sich nur dann halten können, wenn sie sich auf die Leistungen konzentrieren, bei denen sie konkurrenzfähig sind.

Eine Kostenrechnung macht generell nur dann Sinn, wenn man genau im Blick hat, was und wie mit ihr besser gesteuert werden kann. Ein Instrument „einfach so“ einzuführen, heißt, auf ein Wunder zu hoffen. Wunder gibt es zwar immer wieder, aber doch eher im Schlager als in der Realität.

Controller Magazin 6/2019
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