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Erfolg digitaler Transformation erfordert Radikalisierung

Hat die Digitalisierung der Unternehmenssteuerung eher revolutionären oder evolutionären Charakter? Diese Frage analysierte Stefan Tobias auf dem Forum Digitale Unternehmenssteuerung. Um die möglichen Potenziale auszuschöpfen, sieht er radikalere und ganzheitlichere Veränderungen als notwendig an. 

Digitalisierung mehr nach Darwin oder Lenin?

Die Digitalisierung der Unternehmenssteuerung kann entweder in großen und „revolutionären“ oder in eher kleinen, inkrementellen und „evolutionären“ Schritten geschehen. Möglich ist es ebenso, dass beide Vorgehensweisen parallel verlaufen. Die Frage, welche der beiden Seiten überwiegt, suchte Stefan Tobias, Partner im Bereich Controlling & Finance bei Horváth & Partners zu beantworten.

Die Dimensionen der Unternehmenssteuerung sind von der Digitalisierung unterschiedlich betroffen. Häufig fällt der Blick zunächst auf Daten und Technologien als Katalysatoren bzw. Befähiger einer digitalisierten Unternehmenssteuerung.  Ebenso einzubeziehen sind aber auch Organisationsstrukturen und Prozesse, Skill-Profile und Mindsets von Mitarbeitern sowie Geschäftspartnern. Gleichzeitig interagieren diese mit weiteren Werthebeln wie sich verändernden Geschäftsmodellen oder Kundeninteraktionsmustern. Angesichts ihrer Ganzheitlichkeit sind die Veränderungen entlang des Modells der Unternehmenssteuerung, so Tobias, als revolutionär einzuordnen.

Das Zielbild der digitalen Unternehmenssteuerung vereint laut Tobias vier Aspekte und wird „in Zukunft FACT“: 

  •  Fast & flexible
  • Autonomous
  • Connected
  • Tailored  

Schnelligkeit und Flexibilität („F“) sind vor allem in der Informationsbereitstellung und -verarbeitung zentrale Faktoren (Stichwort „real-time data“). Automatiken („A“) werden beispielsweise durch KI-basierte Kommentierungen oder die automatisierte Ableitung von Handlungsmaßnahmen zutage treten. Dies geht über die Identifikation von bspw. einfachen prozentualen Y2Y-Steigerungen hinaus und wird vielmehr in signifikanter Geschwindigkeit und Tiefe auf relevante, den Daten zugrunde liegende Zusammenhänge hinweisen können. Voraussetzung dafür wird die Integrierung und Verknüpfung von Datenquellen („C“) sein.  Dadurch wird ein auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnittenes Story-Telling ermöglicht werden („T“). Hier ist, aufgrund des Facettenreichtums des Zielbildes sowie deren Kernentwicklungen, gesamthaft von revolutionären Veränderungen auszugehen.

Fokussierung auf Technologie…

Im Rückblick stellt Tobias fest, dass Digitalisierung allgemein als DER Veränderungsreiber in Unternehmen fungiert, durch den auch ganz grundsätzliche Themen überdacht werden und neue Initiativen auf den Weg gebracht werden. Viele Projekte haben sich auf „fix the basics“-Initiativen fokussiert, in denen der Grundstein für weitere Digitalisierungsanstrengungen gelegt werden soll. Technologische Schwerpunkte lagen dabei auf Automatisierungsthemen, auf IT- und Architekturthemen (Cloud, ERP-Modernisierung) sowie bei der Nutzbarmachung von technologischen Entwicklungen (real-time Data, Mobile). Analytics- und Automatisierungsschübe zeigten dabei ihr grundsätzliches Potential, auch wenn beispielsweise Erfahrungen mit Robotic Process Automation (RPA) zumeist als „Brückentechnologie“ in die Zukunft betrachtet würden. 

…zeitigte Defizite bei Governance, Skills und Datenqualität

Das Investment in neue Technologien zieht jedoch ebenso häufig den Umstand nach sich, dass zu wenig in Bereiche wie Governance, Mitarbeiterkompetenzen oder der Datenqualität investiert wird. Auch starten die Initiativen oft als einzelne Piloten, denen ein übergeordnetes Zielbild sowie die Einbettung in eine ganzheitliche Strategie fehlen. Dies führt dazu, dass zu wenig funktionsübergreifend gedacht und gehandelt wird. Nicht selten fehlt es zudem an dem Mut, die Ergebnisse von Digitalisierungspiloten „live“ zu nehmen und in bestehende Prozesse einfließen oder diese gar ersetzen zu lassen. 

Fokus der Transformationsstrategien heute und morgen

Unter den Transformationsstrategien bezüglich digitaler Unternehmenssteuerung lassen sich verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden, die entlang der Dimensionen des Weiterentwicklungsanspruchs sowie der betroffenen Inhalte beschrieben werden können. Möglich ist einerseits die Weiterentwicklung des Status Quo, oder aber die etwas radikalere Orientierung an einem übergeordneten Zielbild. Dabei kann man sowohl ganzheitlich vorgehen als auch fokussiert einzelne Ansätze verproben. Durch die Verbindung der unterschiedlichen Ansätze bilden sich vier generische Normstrategien heraus (Vgl. Abb.): 

  • Individuelle Use-Cases: fokussiert und zielbildorientiert (typischerweise funktional ausgerichtet)
  • Weiterentwicklung der Datenbasis/Technologie: fokussiert und am Status Quo orientiert
  • Assessment & Roadmap: ganzheitlich und am Status Quo orientiert
  • Digital Finance Strategy: ganzheitlich und zielbildorientiert 

Abteilungen marschieren heute überwiegend noch getrennt

In einer von Horváth & Partners durchgeführten Umfrage von europäischen CFOs fand man heraus, dass heute mehrheitlich individuelle Use-Cases im Einsatz sind und verprobt werden (46%) und damit eher in evolutionären Schritten gedacht wird. Mit Blick in die Zukunft setzt die Mehrheit der Unternehmen (76%) aber vor allem auf ganzheitliche und damit mehrheitlich revolutionäre Ansätze. 
In der Gesamtheit lässt sich feststellen, dass die funktionalen Einzelbereiche der Unternehmen weiterhin vorwiegend voneinander getrennt agieren und individuell ihre Use Cases verfolgen. Das Potential der Digitalisierung ist aber deutlich größer und liegt in der Verknüpfung der einzelnen Funktionsbereiche. Grundvoraussetzung ist hier laut Tobias auch wieder die bereichsübergreifende Datenintegration durch eine Digitale Plattform. 

„Tear down the silos“ im Denken und in Strukturen

Um dort anzukommen ist zunächst ein konkretes Zielbild erforderlich, um die Organisation zu koordinieren und auch das Momentum aus der Digitalisierung zu erhalten. Dazu zählt,  Pilotergebnisse „live“ zu nehmen und Prototypen in bestehende Fachbereichsprozesse zu überführen. Notwendig dafür ist das Aufbrechen von Daten- und Denksilos, um funktionsübergreifende Denk- und Handlungsweisen herbeizuführen. Eng damit verbunden ist der Aufbau einer zentralen Daten-Governance, die auf Datenqualität, -verfügbarkeit und auch -sicherheit hinwirkt. Beschäftigen wird die Unternehmen dahingehend weiterhin das Thema „Fix-the-basics“, also die Investition in Daten- und Strukturstandards. Zu guter Letzt müssen auch Aspekte des Change Managements integriert werden, die die bestehende Organisation und deren Mitarbeiter durch die notwendigen Schritte der Veränderung begleiten. 

Alles in allem hat Tobias ein ausgeglichenes Bild von evolutionären und revolutionären Veränderungsschritten gezeichnet. Dies ermutigt und zeigt auf, an welchen Stellen die Teilnehmer der Konferenz selbst ansetzen können, um die digitale Zukunft der Unternehmenssteuerung in ihren Unternehmen voranzutreiben.

Schlagworte zum Thema:  Unternehmenssteuerung, Digitalisierung