Entscheidungen treffen mit Kopf oder Bauch

Der Mensch trifft alle 3 Sekunden eine Entscheidung. Verhaltensökonomin Dr. Verena Utikal erläutert, wie das Gehirn diese beeindruckende Prozesseffizienz realisiert hat. Doch die Entscheidungsautomatisierung funktioniert nicht immer.

20.000 Entscheidungen pro Tag

Ein Mensch trifft jeden Tag bis zu 20.000 Entscheidungen, sagt man. Eine enorme Leistung! Angenommen Sie schlafen 8 Stunden pro Tag, dann haben Sie noch 16 Stunden Zeit, um all diese Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet: Alle 3 Sekunden entscheiden Sie sich. Vorausgesetzt, Sie würden jede Entscheidung bewusst und reflektiert treffen, dabei zwischen Alternativen und Konsequenzen abwägen: Ihr Gehirn wäre im Ausnahmezustand und Ihr Organismus völlig überlastet. Es ist also völlig klar, dass Sie das nicht kognitiv schaffen können.

Der „Bauch“ übernimmt die meiste Arbeit

Und das müssen Sie auch nicht. Den Großteil unserer Entscheidungen treffen wir nicht kognitiv-bewusst (oder „mit dem Kopf“), sondern automatisch-intuitiv („mit dem Bauch“). In unserem Gehirn benötigen bewusste Entscheidungen immer die Mitwirkung der Großhirnrinde. Je mehr aber Entscheidungen automatisiert werden, desto mehr arbeiten energieeffiziente Strukturen tief im Inneren des Gehirns. Diese Basalganglien arbeiten völlig unbewusst und übernehmen über 90 % unserer alltäglichen Entscheidungen.

Entscheidungen zu automatisieren hat zwei wichtige evolutionäre Vorteile

  1. Automatisieren spart Energie. Stellen Sie sich mal vor, welche Vorteile es früher hatte, als man jede Kalorie zum Überleben brauchte. Automatismen haben damals Leben gerettet (oder zumindest verlängert).
  2. Gerade in akuten Gefahrensituationen (Achtung! Ein Säbelzahntiger!) ist es überlebenswichtig, schnelle Entscheidungen zu treffen. Lange Entscheidungsprozesse können Leben kosten. Schnelle automatisierte Entscheidungen sehen wir auch bei Notfallplänen von Airlines oder bei Evakuierungen: Besser eine schnelle und brauchbare Entscheidung als eine perfekte, die zu spät kommt.

Automatisierte Entscheidungen erfolgen unbewusst

Automatisierte Entscheidungen besitzen noch eine andere wichtige Eigenschaft: Sie passieren ganz unbewusst, so dass wir oft gar nicht bemerken, dass wir uns gerade in einer Entscheidung befinden (oder gerade eine getroffen haben). Wir biegen zum Beispiel automatisch links ab (ohne zunächst eine Liste von Pro- und Contra-Argumenten angelegt zu haben, ob denn nun rechts oder links besser wäre). Andere Bauchentscheidungen sind uns ein wenig bewusster: Wir bemerken zum Beispiel, dass wir eine Entscheidung eigentlich schon getroffen habe (unser Gefühl sagt uns ganz deutlich: entscheide dich für diesen Mitarbeiter!), aber richtig erklären, warum wir uns so entschieden haben, können wir nicht. Oft fallen uns zwar Gründe ein, warum diese Entscheidung sinnvoll ist, aber das ist oft eher ein „Rationalisieren von Bauchentscheidungen“. Das bedeutet, wir finden Argumente für unser Gefühl, aber nicht, dass unser Gefühl notwendigerweise auf diesen Argumenten basiert.

Unser Gehirn versucht also ständig, Entscheidungsprozesse zu standardisieren und automatisieren – um den Energieverbrauch, den Aufwand, das Nachdenken so gering wie möglich zu halten. Unser Bewusstsein zieht sich durch dadurch immer mehr zurück.

Bewusste Entscheidungen benötigen die Großhirnrinde. Je mehr der Prozess jedoch automatisiert ist, umso mehr arbeiten unsere Basalganglien (unser unbewusstes Handlungsgedächtnis), und wenn diese übernehmen, umso einfacher und schneller wird es.

Manager wissen, dass Arbeitsteilung und Delegation wichtige Werkzeuge sind, um Projekte erfolgreich zu führen. Dasselbe gilt auch für Entscheidungen. Gute Entscheidungen basieren deshalb arbeitsteilig auf kognitiven und automatischen Prozessen.

In Kürze folgt: Können wir unserem Bauchgefühl bei Entscheidungen denn vertrauen?

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