Zusammenfassung

 
Überblick

Die Landwirtschaft ist ein Bereich der Arbeitswelt, in dem Tradition und Wandel in ganz besonderer Weise aufeinander treffen. Einerseits war noch vor wenigen Generationen ein erheblicher Teil der Bevölkerung in der (überwiegend bäuerlichen) Landwirtschaft beschäftigt und die dabei entwickelten Strukturen und Abläufe sind noch bis heute prägend. Andererseits unterliegt die Branche heute einem sehr starken Strukturwandel durch zunehmende Spezialisierung, Industrialisierung und den Trend zu immer weniger, aber immer größeren Betrieben – alles vor dem Hintergrund eines starken Wettbewerbsdrucks durch das globalisierte Marktgeschehen. Dabei sind sowohl die akuten Unfallrisiken wie auch latente Risiken durch physische und psychische Dauerbelastungen erheblich. Landwirte sind dabei immer mehr in der Rolle von Unternehmern gefragt, die manchmal eine große Zahl von Menschen beschäftigen und in der Folge auch die Arbeitgeberpflichten im Arbeitsschutz wahrnehmen müssen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die staatliche Gesetzgebung im Arbeitsschutzrecht (Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung u. v. m.) gilt im Bereich der Landwirtschaft genauso wie in den allermeisten anderen Bereichen der Arbeitswelt.

Die zweite Säule des Arbeitsschutzsystems, die gesetzliche Unfallversicherung, ist jedoch für die Landwirtschaft ganz anders aufgebaut als für alle anderen Branchen. Die Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau SVLFG gehört nicht zur DGUV als Spitzenverband der gewerblichen Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) und der Unfallkassen der öffentlichen Hand. In der Folge hat die SVLFG ein eigenes Regelwerk aufgestellt, das auf den "Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz" fußt (VSG). Diese liegen für eine Anzahl wesentlicher allgemeiner und spezieller Risiken in Arbeitsbereichen innerhalb der Zuständigkeit der SVLFG vor, z. B.:

  • VSG 1.1 "Allgemeine Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz"
  • VSG 1.2 "Sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung"
  • VSG 1.3 "Erste Hilfe"
  • VSG 1.4 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel"
  • VSG 1.5 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung"
  • VSG 4.1 "Tierhaltung"
  • VSG 4.2 "Gartenbau, Obstbau und Parkanlagen"
  • VSG 4.3 "Forsten"

Ergänzt werden sie durch nachgeordnete Informationen zu speziellen Landwirtschaftsthemen:

  • LSV-Informationen (besonders zu einzelnen Anlagen und Maschinen)
  • Technischen Informationen (zu besonderen Arbeitsverfahren, wie Biomasseverarbeitung und Weinherstellung)
  • Broschüren zu Einzelthemen, wie Arbeiten auf Friedhöfen, Jagd, Imkerei, Hofverkaufsstellen u v. m.

1 Arbeitsschutzorganisation in der Landwirtschaft

1.1 Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau

Die gesetzliche Unfallversicherung in Landwirtschaft, Forst und Gartenbau unterscheidet sich von Unfallversicherungsträgern anderer Branchen dadurch grundsätzlich, dass unter dem Dach der dafür zuständigen Körperschaft, der Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau SVLFG, nicht nur die gesetzliche Unfallversicherung für Beschäftigte der grünen Branchen abgebildet wird, sondern auch Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Altersicherung für landwirtschaftliche Unternehmer und mitarbeitende Familienangehörige. Dadurch ist für diesen Personenkreis im Arbeits- und Gesundheitsschutz ein viel ganzheitlicherer Ansatz möglich als bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und den Unfallkassen der öffentlichen Hand. Während in allen anderen Branchen klare Grenzen zwischen den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherungen und den Krankenkassen definiert sind, liegen für die Angehörigen landwirtschaftlicher Familienbetriebe Heilbehandlungen aller Art grundsätzlich in derselben Hand. Dabei ist nicht nur die Unfallversicherung, sondern auch die landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse sowie die Altersversorgung in bestimmten Grenzen für Landwirtsfamilien eine gesetzliche Pflichtversorgung – eine freie Wahl der Versicherung wie bei "normalen" Arbeitnehmern ist nicht möglich.

 
Praxis-Beispiel

Wer zahlt, wenn der Job krank macht?

Stressbedingte psychische Probleme, oder Rückenbeschwerden sind typische Gesundheitsstörungen, die häufig beruflich bedingt sind, für deren Heilbehandlung aber fast immer die Krankenkassen aufkommen müssen – nicht etwa die Berufsgenossenschaften. Deren Leistungen sind an ein "unfallauslösendes Ereignis" bzw. an die (eng gefassten) Definitionen von Berufskrankheiten geknüpft, sodass die Folgen solcher latenten Belastungen i. d. R. nicht entschädigungsfähig sind. Für die Sozialversicherung der Landwirtschaft spielt es keine Rolle, ob die Ursachen von Erkrankungen eher im privaten oder im beruflichen Umfeld der versicherten Familienbetriebe zu suchen sind, weil sie so oder so für die Kosten aufkommen muss. Die Verzahnung von Präventionsangeboten und Heilbehandlungen zwischen beruflichem und privatem Bereich ist bei der SVLFG deutlich enger als es sonst möglich ist. So gibt es weitreichende psychosoziale Unterstützungsangebote und viele Beratungs- und Präventionsmaßnahmen sind passgenau auf da...

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