Regelmäßige Arbeitsstätte trotz Probezeit oder befristeter Beschäftigung
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob bei einem auf 12 Monate befristeten Arbeitsverhältnis, von denen die ersten 6 Monate auf die Probezeit entfallen, eine Auswärtstätigkeit vorliegt.
Der Arbeitnehmer A war im Streitjahr 2011 am Betriebssitz des Arbeitgebers tätig. Das Arbeitsverhältnis war auf ein Jahr befristet. Die Probezeit betrug 6 Monate. Nach Ablauf der Befristung wurde das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt.
A machte für die Probezeit Verpflegungsmehraufwendungen und Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Bei einem Probearbeitsverhältnis liege stets eine Auswärtstätigkeit vor, da dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden könne, seinen Wohnsitz an den Tätigkeitsort zu verlegen.
In dem gegen den ablehnenden Bescheid angestrengten Klageverfahren erweiterte A sein Begehren mit der gleichen Begründung auf die restlichen 6 Monate des befristeten Arbeitsverhältnisses. Das FG wies die Klage ab. Es hob hervor, im Streitfall habe die Entfernung nur 9 km betragen, sodass ein Umzug aus Gründen der Wegzeiteinsparung von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre.
Entscheidung
Auch der BFH ist der Auffassung, dass hier keine Auswärtstätigkeit vorliegt. Denn A war dauerhaft am Betriebssitz seines Arbeitgebers und damit in einer regelmäßigen Arbeitsstätte tätig. Dass er dort nur für ein Jahr befristet und zudem für die ersten 6 Monate auf Probe beschäftigt war, steht der Dauerhaftigkeit der Zuordnung zum Betriebssitz des Arbeitgebers nicht entgegen. Denn der Arbeitnehmer sucht auch in diesen Fällen die Tätigkeitsstätte nicht nur gelegentlich, sondern - wenn auch befristet oder während der Probezeit - fortdauernd und immer wieder auf. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Arbeitnehmer unbedingt versetzungsbereit ist.
Hinweis
Der BFH lehnt die im Schrifttum vertretene Auffassung ab, nach der bei einem Probearbeitsverhältnis noch nicht von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen ist. Der BFH begründet dies mit der generalisierend und typisierend auf den Regelfall abstellenden Entfernungspauschale, bei der individuelle Zufälligkeiten und Besonderheiten unberücksichtigt bleiben. Der BFH lehnt auch eine Parallele zur Annahme einer Auswärtstätigkeit bei vorübergehenden Versetzung oder Abordnung für bis zu 3 Jahren an eine andere Tätigkeitsstätte ab, da in diesen Fällen die bisherige regelmäßige Arbeitsstätte beibehalten wird.
Die Auffassung des BFH erscheint zu eng. Während der Probezeit oder einer kurz befristeten Beschäftigung kann der Arbeitnehmer keine sichere Planung treffen. Er kann sich nicht auf die veränderten Umstände einstellen und z.B. seine Fahrtkosten durch den Kauf einer Jahreskarte entsprechend gering halten. Gesichtspunkte der Pauschalierung müssen hier zurücktreten. Zumindest sollte zwischen einem regulären Arbeitsverhältnis mit vereinbarter Probezeit und einem reinen Probearbeitsverhältnis unterschieden werden. Während im ersten Fall die Beteiligten grundsätzlich ein längerdauerndes Arbeitsverhältnis anstreben, ist für den Arbeitnehmer im zweiten Fall die Unsicherheit größer.
Die Entscheidung ist zur Rechtslage bis 2013 ergangen. Sie trifft in gleicher Weise für das ab 2014 neu geregelte Reisekostenrecht zu. Danach ist regelmäßig von einer "ersten Tätigkeitsstätte" - mit der Folge der Geltung der Entfernungspauschale - auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder länger als 48 Monate dort tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 EStG). Ein mit einer Probezeit belegtes Arbeitsverhältnis begründet danach ebenso wie ein befristetes Dienstverhältnis eine erste Tätigkeitsstätte.
Urteil v. 6.11.2014, VI R 21/14, veröffentlicht am 21.1.2015
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