Medizinisch indizierter Einbau eines Treppenlifts abziehbar

Die medizinische Notwendigkeit eines Hilfsmittels ist Voraussetzung, damit die Kosten hierfür als außergewöhnlich Belastungen eingestuft werden können. Es stellt sich die Frage, welche Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit zu stellen sind.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Nachweis bei Aufwendungen im Krankheitsfall

Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK). Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines MDK u. a. für medizinische Hilfsmittel zu erbringen, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i. S. v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV). Fraglich ist, ob ein Treppenlift ein medizinisches Hilfsmittel ist, für das dieser qualifizierte Nachweis erforderlich ist.

Beispiel: Nachweis der Zwangsläufigkeit

Ende 2015 ließen sich die Eheleute A und B einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Die Kosten von rd. 19.000 Euro machten sie unter Hinweis auf ein Attest ihres Hausarztes vom Mai 2016 in ihrer Einkommensteuererklärung 2015 als außergewöhnliche Belastung i. S. d. § 33 Abs. 1 EStG geltend. Der Hausarzt, ein Internist, hat für 2015 und das Jahr davor im Wesentlichen bestätigt, dem Ehemann sei Treppensteigen nicht mehr möglich. Die Voraussetzungen einer Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung seien gegeben.

Das Finanzamt ist der Auffassung, ein Treppenlift sei ein medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinne, da ein Lift, insbesondere von Personen im hohen Alter, auch von Gesunden zur Steigerung der Lebensqualität angeschafft werde. Bei solchen Hilfsmitteln sei der Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten zu führen, das grundsätzlich vor der Anschaffung eingeholt werden müsse. Die vorgelegte hausärztliche Bescheinigung genüge jedenfalls nicht.

Praxis-Tipp: Steuerzahlerfreundliches FG-Urteil

Das FG Münster hat jüngst – entgegen seiner früher vertretenen Auffassung – entschieden, dass Aufwendungen für den medizinisch indizierten Einbau eines Treppenlifts in das Haus des in seiner Treppengehfähigkeit behinderten Steuerpflichtigen – ohne einen besonderen formalisierten Nachweis – als außergewöhnliche Belastung i. S. d. § 33 EStG zu berücksichtigen sind (FG Münster, Urteil v. 11.2.2016, 3 K 1097/14 E). Das FG hat der Klage eines Steuerpflichtigen (erst) im dritten Rechtsgang stattgegeben, nachdem die Sache in den beiden vorhergehenden Verfahren vom BFH an das FG zurückverwiesen wurde. Das FG hat jetzt nach dem Inhalt der vorliegenden ärztlichen Gutachten und Bescheinigungen die Überzeugung gewonnen, dass der Einbau des Treppenlifts zur Linderung der Krankheiten des Steuerpflichtigen angezeigt und damit medizinisch indiziert war. Zu den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens i. S. v. § 33 Abs. 1 SGB V zählt also nicht der Treppenlift. Das sind vielmehr nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen.

Trotz des für den Steuerpflichtigen positiven Ergebnisses dürfte für die Praxis von Bedeutung sein, dass ein Privatgutachten lediglich als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Noch immer ist also ggf. mittels Sachverständigengutachten im Nachhinein zu prüfen, ob der Einbau des Lifts medizinisch angezeigt war. Es bleibt daher für die Praxis dabei, dass es nach wie vor ratsam ist, in allen Fällen, in denen die medizinische Indikation einer Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten schwer zu beurteilen ist, ein vorheriges amtsärztliches Attest bzw. eine Bescheinigung des MDK einzuholen. Die Gesundheitsbehörden sind nach § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV zu einer entsprechenden Begutachtung verpflichtet (vgl. Dürr, juris PR-SteuerR 25/2014 Anm. 4).