Erstattung von Werbungskosten als Arbeistlohn

Der allein vom Bestehen der Abschlussprüfung abhängige Darlehensteilerlass bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung ist Ersatz von Werbungskosten aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen und führt daher zu Arbeitslohn.

Hintergrund: Erstattung von Werbungskosten  

Der Rückfluss beziehungsweise die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind. So führen u.a. Leistungen aus einem Stipendium dann zu Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient.

Sachverhalt: Darlehenserlass der Kreditanstalt für Wiederaufbau beim sog. Aufstiegs-BAföG

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Im Jahr 2014 nahm sie an einer Aufstiegsfortbildung an der Akademie (Y) zur geprüften Industriemeisterin Metall teil, im Jahr 2015 an einer solchen zur geprüften Technischen Betriebswirtin IHK. Für die Teilnahme an den Fortbildungen nahm die Klägerin ihren Urlaub bzw. Zeiten aus ihrem Arbeitszeitkonto in Anspruch. Während der Dauer der Fortbildungen, die nicht auf Weisung des Arbeitgebers erfolgten, erhielt die Klägerin weiterhin Arbeitslohn.

Die Investitions- und Förderbank Niedersachsen (N-Bank) bewilligte der Klägerin mit Bescheiden vom 27.6.2014 sowie vom 26.6.2015 über die Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung aufgrund des AFBG eine Aufstiegsfortbildungsförderung für die Kosten der Lehrveranstaltungen. Die Klägerin erhielt im Jahr 2014 Zuschüsse i.H.v. 1.598,20 EUR und Darlehen i.H.v. 3.641,80 EUR. Für das Jahr 2015 erhielt sie Zuschüsse i.H.v. 1.094,95 EUR und Darlehen i.H.v. 2.495,05 EUR.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährte der Klägerin auf ihre Anträge hin mit Rahmendarlehensverträgen vom 23.7.2014 und vom 26.6.2015 daraufhin jeweils Maßnahmedarlehen in Höhe von 3.641,80 EUR und 2.495,05 EUR.

In den Verträgen hierzu heißt es: "Hat der Darlehensnehmer die Fortbildungsprüfung bestanden, wird ihm gegen Vorlage des Prüfungszeugnisses 25 Prozent des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG i. V. mit § 30 Abs. 1 AFBG erlassen."

In der Einkommensteuererklärung für 2014 machte die Klägerin als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten in Höhe von 4.742 EUR geltend. Hierin war neben weiteren Aufwendungen auch eine Zahlung an die Y in Höhe von 5.240 EUR abzüglich des von der N-Bank gezahlten Zuschusses in Höhe von 1.598,20 EUR enthalten. Das Finanzamt (FA) berücksichtigte die Fortbildungskosten im Einkommensteuerbescheid 2014 antragsgemäß.

In der Einkommensteuererklärung für 2015 machte die Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten in Höhe von 8.239 EUR geltend. Hierin war neben weiteren Aufwendungen wiederum eine Zahlung an die Y in Höhe von 3.590 EUR enthalten. Auch diese Aufwendungen wurden antragsgemäß als Werbungskosten berücksichtigt.

2018 teilte die KfW der Klägerin mit, dass ihr nach bestandenen Abschlussprüfungen gemäß § 13b Abs. 1 AFBG 40 % der valutierenden Darlehen für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen würden. Der Erlass betrug für die Fortbildung zur geprüften Industriemeisterin Metall 557,68 EUR und für die Fortbildung zur geprüften Technischen Betriebswirtin IHK 646,64 EUR.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2018 vertrat die Klägerin die Auffassung, der teilweise Erlass der KfW-Darlehen sei der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit Einspruchsentscheidung erhöhte das FA den Bruttoarbeitslohn der Klägerin um den Betrag der Darlehenserlasse der KfW von insgesamt 1.204 EUR (unter gleichzeitiger Minderung des Bruttoarbeitslohns des Ehemanns der Klägerin, dem es zuvor im Einkommensteuerbescheid 2018 irrtümlich den erlassenen Betrag zugerechnet hatte).

Mit der Klage hatte die Klägerin Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, ein aufgrund bestandener Fortbildungsprüfung gewährter Darlehenserlass nach § 13b Abs. 1 AFBG stelle keine Einnahme bei der Einkunftsart dar, bei der die durch das Darlehen finanzierten Lehrgangs- und Prüfungsgebühren steuermindernd berücksichtigt worden seien. Ein solcher Darlehenserlass sei auch nicht als sonstige Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG zu besteuern.

Entscheidung: Erlass der gewährten Darlehen ist als Arbeitslohn anzusehen

Der BFH gibt dem Finanzamt Recht. Das FG hat den teilweisen Erlass der von der KfW für die Fortbildungen der Klägerin gewährten Darlehen zu Unrecht nicht als Arbeitslohn angesehen.

Die N-Bank bewilligte der Klägerin in den Jahren 2014 und 2015 Aufstiegsfortbildungsförderung für die Kosten der Lehrveranstaltungen ihrer Fortbildungen zur geprüften Industriemeisterin Metall sowie zur geprüften Technischen Betriebswirtin IHK (Maßnahmebeitrag). Bei diesen Kosten handelt es sich unstreitig um Werbungskosten der Klägerin nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Maßnahmebeitrag bestand aus einem Anspruch auf Förderung der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren bis zu einem Gesamtbetrag von 10.226 EUR und wurde in Höhe von 30,5% als Zuschuss geleistet. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 AFBG besteht der Maßnahmebeitrag darüber hinaus aus einem Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags mit der KfW nach Maßgabe des § 13 AFBG. Die infolgedessen von der KfW angebotenen Darlehen für die nach den von der N-Bank geleisteten Zuschüssen verbleibenden Kosten der Lehrveranstaltungen nahm die Klägerin in Anspruch.

Als Folge der bestandenen Abschlussprüfungen erließ die KfW der Klägerin gemäß § 13b Abs. 1 AFBG 40 % der valutierenden Darlehen für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG.

Nicht nur die in den Jahren 2014 und 2015 von der N-Bank geleisteten Zuschüsse zu den Kosten der Lehrveranstaltungen, sondern auch die im Streitjahr 2018 gewährten teilweisen Erlasse der valutierenden Darlehen seitens der KfW beruhen auf in der Erwerbssphäre liegenden Gründen.

Individuelle Förderung nach dem AFBG

So ist Ziel der individuellen Förderung nach dem AFBG, Teilnehmende an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung u.a. durch Beiträge zu den Kosten einer Maßnahme finanziell zu unterstützen. Die Kosten der Lehrveranstaltung werden durch den Förderungsbetrag "Maßnahmebeitrag" in Form eines Zuschusses und eines ergänzenden Anspruchs auf ein während der Dauer der Maßnahme sowie einer anschließenden Karenzzeit von zwei Jahren zins- und tilgungsfreies Darlehen gefördert. Bei Bestehen der Fortbildungsprüfung sieht § 13b Abs. 1 AFBG einen teilweisen Erlass (im Streitjahr 2018 von 40 %) des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren vor. Die Förderung endet, wenn die Maßnahme vor dem Ablauf der vertraglichen Dauer vom Teilnehmer abgebrochen oder vom Träger gekündigt wurde. Die regelmäßige Teilnahme an der geförderten Maßnahme hat der Teilnehmer nachzuweisen.

Unter Bezugnahme auf verschiedene Bundestagsdrucksachen führt der BFH aus, dass der Darlehensteilerlass nicht nur bezweckte, die Attraktivität beruflicher Aufstiegsfortbildungen weiter zu steigern und noch mehr Menschen für Fortbildungen zu gewinnen, sondern auch die Förderung stärker am Erfolg der Fortbildungsmaßnahme zu orientieren. Hierdurch sollten zusätzliche Anreize gegeben werden, eine berufliche Fortbildung durchzuführen und erfolgreich abzuschließen, und damit das Ziel des AFBG, nämlich die tatsächliche Höherqualifizierung (der berufliche Aufstieg) der Geförderten, noch besser erreicht werden.

Der Anreiz, nicht nur an der geförderten Vorbereitungsmaßnahme teilzunehmen, sondern die Aufstiegsprüfung auch erfolgreich zu meistern, sollte in der Folge durch stetige Anhebungen des Bestehenserlasses ("Erfolgsbonus") immer weiter gesteigert werden. Zugleich sollten damit die Kosten für den Lehrgang und die mögliche Darlehenslast nach erfolgreichem Abschluss einer Aufstiegsqualifizierung für erfolgreiche Teilnehmer weiter gesenkt werden.

Der Erlass hängt dementsprechend gemäß § 13b Abs. 1 AFBG dem Grunde nach allein vom Bestehen der Abschlussprüfung und nicht von der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers ab. Er ist zudem der Höhe nach an dem konkreten Darlehen ausgerichtet.

Hinweis: Leistungen der KfW weisen hinreichenden Erwerbsbezug auf

Mit den durch die Maßnahmebeiträge einschließlich des Bestehenserlasses geförderten Fortbildungen strebte die Klägerin eine Höherqualifizierung und damit eine Verbesserung ihrer beruflichen Möglichkeiten an. Nach alledem wiesen auch die Leistungen der KfW damit einen hinreichenden Erwerbsbezug auf.

BFH, Urteil v. 23.11.2023, VI R 9/21; veröffentlicht am 15.2.2024

Alle am 15.2.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Werbungskosten, Darlehen, Erlass, Einkommensteuer