Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt

Eine Verbindlichkeit, die nach einer Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliegt dem Passivierungsverbot.

Hintergrund

Der Fall betrifft den Passivierungsaufschub für einnahmen- oder gewinnabhängige Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 2a EStG.

Die A-GmbH erhielt von ihrer Muttergesellschaft (E-GmbH) im Zuge einer Konzernumstrukturierung Darlehen von rund 10 Mio. EUR. Dazu waren Rangrücktritte vereinbart, nach denen die E-GmbH im Rang hinter die Forderung sämtlicher Gläubiger dergestalt zurücktritt, dass sie Tilgung und Verzinsung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann. In ihrem Jahresabschluss passivierte die A-GmbH die Darlehensverbindlichkeiten.

Das FA vertrat die Ansicht, der Passivierung stehe § 5 Abs. 2a EStG entgegen. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Rangrücktrittsvereinbarungen knüpften die Berechtigung eines Erfüllungsverlangens an das Entstehen eines künftigen Bilanzgewinns und nicht - wie in § 5 Abs. 2a EStG vorgesehen - an künftige Einnahmen und Gewinne. Der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns sei weiter gefasst als die steuerrechtlichen Begriffe Jahresüberschuss oder Gewinn.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG. Er versagt die Passivierung der gegenüber der E-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten.

Das FG geht zwar grundsätzlich zutreffend davon aus, dass der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns das Jahresergebnis (Jahresüberschuss oder -fehlbetrag), den Gewinn- oder Verlustvortrag sowie die Veränderungen der Rücklagen (einschließlich der Kapitalrücklagen) umfasst. Das FG hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Gewinnbegriff i.S.v. § 5 Abs. 2a EStG nicht nur auf den Steuerbilanzgewinn abstellt, sondern auch den Sachverhalt umfasst, dass die Verpflichtungen nur aus künftigen - handelsrechtlichen - Jahresüberschüssen zu erfüllen sind.

Allerdings kann eine Rangrücktrittsvereinbarung dann mit einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung verbunden sein, die eine Passivierung zur Folge hat, wenn die Verpflichtung aus dem sich aufgrund einer Auflösung einer Kapitalrücklage (also dem gegenwärtigen Schuldnervermögen) ergebenden (oder sich erhöhenden) Bilanzgewinn getilgt wird. Jedoch hätte sich im Streitfall mit Rücksicht auf den Fehlbetrag (rd. 2 Mio. EUR) sowie den Verlustvortrag (rd. 8,1 Mio. EUR) selbst bei Auflösung der Kapitalrücklage (rd. 0,644 Mio. EUR) kein Bilanzgewinn einstellen können. Die Verbindlichkeiten waren somit nur im Falle der Erzielung künftiger Gewinne zu erfüllen. Unerheblich ist, ob der tatsächliche Wert des Vermögens die handelsrechtlichen Ansätze überschritten hat. Denn stille Reserven erhöhen erst bei ihrer Aufdeckung das Jahresergebnis und den maßgeblichen Bilanzgewinn.

Der Passivierungsaufschub wird im Streitfall auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die A-GmbH auch verpflichtet war, die Forderungen aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen. Die Zahlungspflichten aus einem Liquidationsüberschuss betreffen zwar bereits das gegenwärtige Vermögen. Sie belasten aber das gegenwärtige Vermögen (noch) nicht, da nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung der Liquidationsfall nicht berücksichtigt zu werden braucht und die Rücklagen bis zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Umfang zur Verlustdeckung und zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehen.

Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben indes keine abschließende Beurteilung dazu, ob der aus der Ausbuchung der Verbindlichkeiten sich ergebende Gewinn um den Ansatz einer verdeckten Einlage zu kürzen ist. Allerdings hat der BFH bisher vertreten, dass Darlehen, die aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, nicht die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zukommt (BFH v. 30.11.2011, I R 100/10, BStBl II 2012, 332). Daran hält der BFH nicht mehr fest. Der Einlagetatbestand ist durch die Zuführung eines Wirtschaftsguts gekennzeichnet. Dazu gehört nicht nur der Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sondern auch der Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens und damit die durch einen Rangrücktritt ausgelöste Ausbuchung von Verbindlichkeiten, vorausgesetzt, die Vereinbarung ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.

Da der BFH nicht abschließend beurteilen konnte, ob der Streichung der Passivierung eine verdeckten Einlage gegenzurechnen ist, wurde das FG-Urteil aufgehoben und der Fall an das FG zurückverwiesen.

Hinweis

Der steuerliche Einlagebegriff ist ein Funktionsbegriff, der dazu dient, den Steuerbilanzgewinn um die nicht betrieblich veranlassten Mehrungen zu mindern. Er umfasst daher auch die durch einen Rangrücktritt ausgelöste Gewinnerhöhung, soweit die Vereinbarung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass der Rangrücktritt nicht zum Erlöschen der Darlehensverbindlichkeiten geführt hat, ebenso ist unerheblich, dass die Verbindlichkeiten bei einem zukünftigen (Bilanz)Gewinn oder Liquidationsüberschuss wieder zu erfüllen waren. Denn auch in Fällen des Forderungsverzichts gegen Besserungsschein führt der Eintritt des Besserungsfalls zu einer erneuten Umqualifizierung des Darlehens in Fremdkapital und es ist damit bis zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass dem Schuldner (temporär) Eigenkapital zur Verfügung stand (BFH v. 12.7.2012, I R 23/11, BFH/NV 2012, 1901).

BFH, Urteil v. 15.4.2015, I R 44/14, veröffentlicht am 8.7.2015

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Schlagworte zum Thema:  GmbH, Bilanzierung, Verbindlichkeit, Darlehen