Beteiligungsgrenze von ein Prozent verfassungsgemäß

Die Absenkung der Beteiligungsquote von 10 % auf 1 % verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz

Hintergrund

Gewinne aus der Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sind als Einkünfte aus Gewerbebetrieb steuerpflichtig, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war (§ 17 Abs. 1 EStG). Diese Wesentlichkeitsgrenze wurde zuletzt durch das Steuersenkungsgesetz (v. 23.10.2000) von 10 % auf 1 % herabgesetzt. Der BFH weist die gegen die 1 %-Grenze erhobenen verfassungsrechtlichen Einwendungen zurück.

A war mit einem Anteil von rund 5 % an einer AG beteiligt. Im Streitjahr 2003 erzielte er aus der Veräußerung eines Teils seiner Aktien einen Gewinn, den das FA nach dem Halbeinkünfteverfahren insoweit der Besteuerung unterwarf, als er auf den Zeitraum ab dem Tag der Verkündung des Steuersenkungsgesetzes (26.10.2000) entfiel. Die Klage des A gegen die Erfassung des Gewinns war erfolglos.

Entscheidung

Auch der BFH sieht die 1 %-Grenze als verfassungsgemäß an. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.

Der Gleichheitssatz begrenzt die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in besonderer Weise. Danach hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit wird allerdings durch zwei eng mit einander verbundene Leitlinien begrenzt: die Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Die Besteuerung muss darauf ausgerichtet sein, bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit) und (in vertikaler Richtung) höhere Einkommen im Vergleich mit niedrigen Einkommen angemessen zu belasten. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.

Hiervon ausgehend bewegt sich die 1 %-Grenze im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Mit der Einführung der 1 %-Grenze hat der Gesetzgeber eine neue Systementscheidung getroffen. Es sollte sichergestellt werden, dass es nicht durch Veräußerung der Beteiligung möglich ist, die Halbeinkünftebesteuerung auf der Ebene des Anteilseigners, der seine Anteile nicht in einem Betriebsvermögen hält, zu vermeiden. Dabei ist die Wahl der Minimalgrenze von 1 % von der Gestaltungsfreiheit und Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers umfasst. Es handelt sich um ein praktikables Kriterium für die Abgrenzung steuerbarer und nichtsteuerbarer Anteilsveräußerungen.

Der BFH beanstandet auch nicht die Erfassung von Wertsteigerungen bereits von der Gesetzesverkündung (26.10.2000) bis zum Inkrafttreten der 1 %-Grenze. Der BFH bezieht sich dazu auf die Rechtsprechung des BVerfG zur rückwirkenden Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von 25 % auf 10 % durch das Steurentlastungsgesetz 1999/2000/2002. Hier hat das BVerfG entschieden, dass lediglich die Wertsteigerung, die bis zur Verkündung des Gesetzes entstanden ist und nach der bisherigen Rechtslage steuerfrei hätte realisiert werden können, nicht erfasst werden darf.

Hinweis

Der BFH hat sich zu der Streitfrage bereits in einem Verfahren wegen vorläufigen Rechtsschutzes geäußert (Beschluss v. 06.04.2009, IX B 204/08, BFH/NV 2009, 1262). Das aktuelle Revisionsurteil deckt sich mit dem im Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluss. Beteiligungen im Privatvermögen, die weniger als 1 % betragen, werden mit dem In-Kraft-Treten der Abgeltungssteuer ab 2009 ebenfalls besteuert - aber nur mit dem Abgeltungssteuersatz von grundsätzlich 25 %. Die damit in Zusammenhang stehenden Fragen waren nicht Gegenstand des Urteils.

BFH Urteil vom 24.10.2012 - IX R 36/11 (veröffentlicht am 23.01.2013)