Abgeltungsteuer bei Darlehen an einer Personengesellschaft

Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

Hintergrund: KG-Beteiligung einer Familienstiftung

Streitig war, ob Zinsen aus Forderungen gegenüber einer GmbH & Co. KG dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, nachdem die (verheirateten) Gläubiger ihre Beteiligungen an der KG und an der Komplementär-GmbH auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung übertragen haben.

Die Eheleute waren zunächst je hälftig an der N-GmbH & Co. KG (N-KG) sowie an der N-GmbH (Komplementärin) beteiligt. In 2014 übertrugen sie ihre Anteile (KG und GmbH) auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung. Deren Zweck war es, dem Wohle der Stifterfamilie zu dienen.

Vorstand der Stiftung waren die Eheleute mit einer von ihnen benannten Person. Vertretungsberechtigt war der Vorsitzende bzw. sein Stellvertreter, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Mitglied. Solange einer der Stifter Mitglied des Vorstands war, konnte er die Stiftung allein vertreten. Die Gesellschafterrechte der Stiftung wurden vom Vorstandsvorsitzenden bzw. seinem Stellvertreter wahrgenommen.

Die Eheleute hatten der N-KG Darlehen gewährt, die in 2014, 2015 mit 6 % und im Streitjahr 2016 mit 3 % über dem Basiszinssatz verzinst wurden. Die Darlehen wurden nach der Übertragung der Kommanditanteile auf die Stiftung von der KG weitergeführt.

Das FA unterwarf die Zinseinkünfte der Eheleute dem tariflichen ESt-Satz.

Das FG gab dem Antrag auf Anwendung des Abgeltungsteuersatzes statt. Denn keiner der Ehegatten stehe in einem Näheverhältnis zu der KG, da er für sich nicht die Mehrheit im Stiftungsvorstand habe.

Entscheidung: Mangels Beherrschung kein Näheverhältnis zur Personengesellschaft

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Die Eheleute konnten mittelbar über die Stiftung keinen beherrschenden Einfluss ausüben.

Keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Die Eheleute waren außerdem an einer weiteren KG (X-KG) im gleichen Verhältnis beteiligt. Diese KG hatte der N-KG ein Grundstück überlassen. Damit stellte sich die Frage der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung und der möglichen Folge der Zurechnung der Forderungen zum Sonderbetriebsvermögen der X-KG und der Zinsen zu den gewerblichen Einkünften (BFH v. 13.10.1998, VIII R 46/95, BStBl II 1999, 357). Im Streitfall lagen allerdings die Zuordnungsvoraussetzungen nicht vor. Im Übrigen wurden die Darlehen zu fremdüblichen Bedingungen ausgereicht. Damit fehlen regelmäßig die betrieblichen Interessen der Besitzpersonengesellschaft (BFH v. 5.11.2009, IV R 99/06, BStBl II 2010, 593).

Näheverhältnis i.S.v. § 32 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Der Abgeltungsteuersatz gilt nicht, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen im Sinne eines Beherrschungsverhältnisses sind. Das ist der Fall, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (BFH v. 14.5.2014, VIII R 31/11, BStBl II 2014, 995). Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes, persönliches Näheverhältnis genügt nicht (BFH v. 29.4.2014, VIII R 44/13, BStBl II 2014, 992).

Beherrschung einer Personengesellschaft

Bei einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss grundsätzlich nur dann ausüben, wenn er aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse seine Mitgesellschafter überstimmen kann (BFH v. 11.12.1990, VIII R 14/87, BStBl II 1991, 510). Das scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eheleute im Zuflusszeitpunkt nicht mehr an der N-KG beteiligt waren. Die Beherrschung kann auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden (BFH v. 23.7.1981, IV R 103/78, BStBl II 1982, 60). Nur in Ausnahmefällen kann ein Gesellschafter – trotz fehlender Stimmenmehrheit – die Gesellschaft faktisch beherrschen.

Keine mittelbare Beherrschung über die Stiftung

Zwar hatte die Stiftung als alleinige Kommanditistin einen beherrschenden Einfluss in der N-KG. Jedoch waren weder der Ehemann noch die Ehefrau jeweils für sich in der Lage, die Einflussmöglichkeiten, die der Stiftung auf Ebene der N-KG zustanden, mittelbar zu beherrschen. Denn aufgrund der Besetzung des Stiftungsvorstands mit drei Mitgliedern konnten weder der Ehemann noch die Ehefrau Mehrheitsbeschlüsse des Vorstands ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds herbeiführen.

Auch keine Beherrschung aufgrund der Geschäftsführung in der Komplementär-GmbH

Die Eheleute waren jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH (Komplementärin der N-KG). Auch das führt nicht zur Beherrschung der N-KG durch sie. Denn das Beherrschungsverhältnis muss so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (BFH v. 16.6.2020, VIII R 5/17, BStBl II 2020, 807). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Denn die N-GmbH war nicht zur Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Darlehens durch die N-KG befugt. Dazu war die vorherige Zustimmung der Gesellschafter der N-KG erforderlich. Damit konnten die Eheleute nicht allein aufgrund ihrer Stellung als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH die N-KG dazu veranlassen, ihnen gegenüber eine Darlehensverbindlichkeit einzugehen.

Ebenso kein Näheverhältnis aufgrund eines wirtschaftlichen Interesses an der Erzielung der Einkünfte des jeweils anderen

Ein Näheverhältnis kann angenommen werden, wenn eine Person ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte der anderen Person hat (BFH v. 14.5.2014, VIII R 31/11, BStBl II 2014, 995). Dafür reicht es nicht aus, dass der Darlehensgeber vom der Abgeltungsteuer profitiert und der Schuldner die Zinsen im Tarifbereich als Betriebsausgaben abziehen kann. Denn eine missbräuchliche Verlagerung von Einkünften auf die privilegiert besteuerte private Anlageebene kann bei (wie hier) fremdüblichen Darlehensbedingungen nicht eintreten (BFH v. 16.6.2020, VIII R 5/17, BStBl II 2020, 807. 

Hinweis: Keine beherrschende Stellung aufgrund der Ehegattengemeinschaft

Auch dass den Eheleuten gemeinschaftlich die Stimmrechtsmehrheit im Stiftungsvorstand zustand, führt nicht zur Annahme einer (faktischen) beherrschenden Stellung. Ein aus der Ehegatteneigenschaft abgeleitetes, persönliches Interesse genügt für sich genommen nicht, um ein Näheverhältnis zwischen Ehegatten zu begründen (BFH v. 16.6.2020, VIII R 5/17, BFHE 269, 179, BStBl II 2020, 807).

BFH Urteil vom 28.09.2021 - VIII R 12/19 (veröffentlicht am 24.02.2022)

Alle am 24.02.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.

Schlagworte zum Thema:  Darlehen, Personengesellschaft, Abgeltungsteuer