Übertragung des ganzen Vermögens einer Publikums-KG

Bei gesellschaftsvertraglichen Zustimmungspflichten für die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens gelten die dortigen Mehrheitserfordernisse. Verstöße wirken sich nur im Ausnahmefall auf die Übertragung aus. Was aber, wenn es bei Publikumsgesellschaften an einer solchen Regelung fehlt?

Hintergrund

Nach den aktienrechtlichen Regelungen der §§ 179a Abs. 1, 179 Abs. 2 S. 1 AktG bedürfen schuldrechtliche Verträge zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens der Zustimmung der Hauptversammlung. Dabei ist eine Mehrheit von mindestens 3 Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich. Diese Kapitalmehrheit hat dabei zugleich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auszumachen, wenn die Satzung nichts anderes vorschreibt. Werden Kapitalmehrheit oder Stimmmehrheit nicht erreicht, so ist der schuldrechtliche Vertrag mangels wirksamer Vertretung der Gesellschaft unwirksam. Bereits erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden.

Während die Praxis die §§ 179a Abs. 1, 179 Abs. 2 S. 1 AktG lange Zeit auch auf andere Gesellschaftsformen entsprechend angewendet hat, vollzieht die Rechtsprechung nun nach und nach eine Kehrtwende. Vor knapp 5 Jahren verneinte der BGH die entsprechende Anwendung dieser aktienrechtlichen Regelungen auf die GmbH, vor 2 Jahren folgte die gesetzestypische KG. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis. Denn bei Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen sind nicht nur die dortigen Mehrheitserfordernisse zwingend. Noch bedeutender ist, dass bei Verstößen die im Rahmen der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens bereits erbrachten Leistungen mangels Vertretungsmacht bei Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags zurückgefordert werden können.

Im Aktienrecht wird diese Rechtsfolge mit dem Schutz der Aktionäre vor einem Verlust des ganzen Gesellschaftsvermögens begründet. Die genannte Beschränkung der Vertretungsmacht steht aber im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen für Handelsgesellschaften. Denn danach ist die Vertretungsmacht zum Schutz des Rechtsverkehrs unbeschränkt und kann auch durch Gesellschaftsvertrag nicht beschränkt werden. In der Sache geht es darum, ob der Schutz der Gesellschafter oder des Rechtsverkehrs höher zu gewichten ist.

Vor diesem Hintergrund nahm der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechungslinie eine erste Einordnung vor. Bei der GmbH oder der gesetzestypischen KG seien die Gesellschafter durch die gesetzlichen Zustimmungsvorbehalte ausreichend geschützt. Unerheblich ist nach Auffassung des BGH, dass sich ein Verstoß gegen eine solche gesetzliche Zustimmungspflicht anders als im Aktienrecht auf die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte nicht auswirkt. Bei Publikumsgesellschaften (wie der Aktiengesellschaft oder der Publikums-KG) fehlen solche gesetzlichen Zustimmungsvorbehalte aber im Regelfall. Daher ließ der BGH die entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen auf die Publikums-KG ausdrücklich offen.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt klärt nun einen Teilaspekt, ohne endgültige Klarheit zu bringen.

Entscheidung des OLG Frankfurt

Nach Auffassung des OLG Frankfurt sind die aktienrechtlichen Regelungen jedenfalls dann nicht entsprechend auf eine Publikums-KG anwendbar, wenn die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag der Übertragung des ganzen Vermögens zustimmen müssen.

Zur Begründung verweist das Gericht auf die Anforderungen, die an eine entsprechende Gesetzesanwendung gestellt werden. Vorausgesetzt ist nämlich, dass der zu beurteilende Sachverhalt mit dem gesetzlich geregelten Sachverhalt vergleichbar ist. Es muss anzunehmen sein, dass der Gesetzgeber den gesetzlich geregelten Sachverhalt auf den zu beurteilenden Sachverhalt erstreckt hätte. Für diese Einschätzung ist der Zweck der gesetzlichen Regelung von zentraler Bedeutung. Hierzu führt das Gericht aus, der Zweck der aktienrechtlichen Regelungen sei auf einen Schutz der Aktionäre vor einer ohne ihre Beteiligung vorgenommenen Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens gerichtet. Dieser Schutz sei bei einer Publikums-KG allerdings nicht erforderlich, wenn bereits nach dem Gesellschaftsvertrag eine Zustimmungspflicht bestehe. Denn dann ist es nach der Erwägung des Gerichts ausgeschlossen, dass das ganze Gesellschaftsvermögen ohne Beteiligung der Gesellschafter übertragen wird. In diesem Fall kann daher auch nicht angenommen werden, der Gesetzgeber hätte den gesetzlich geregelten Sachverhalt auf den zu beurteilenden Sachverhalt erstreckt.

Für andere Konstellationen trifft die Entscheidung allerdings keine Aussage. Es bleibt also offen, ob die §§ 179a Abs. 1, 179 Abs. 2 S. 1 AktG auf Publikums-KGs anzuwenden sind, wenn es an einer gesellschaftsvertraglichen Regelung fehlt.

Anmerkungen und Praxistipp

Die Entscheidung überzeugt in Anbetracht der jüngsten Rechtsprechungslinie. Wenn dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter durch gesellschaftsvertragliche Regelungen Rechnung getragen ist, besteht kein Bedürfnis für weitergehende Einschränkungen des Rechtsverkehrs. Sie lässt aber die Chance verstreichen, eine allgemeinere Aussage zur analogen Anwendbarkeit der §§ 179a Abs. 1, 179 Abs. 2 S. 1 AktG für Publikums-KGs zu treffen. Ist eine analoge Anwendbarkeit anzunehmen, wenn in einer Publikums-KG gesellschaftsvertragliche Zustimmungserfordernisse für die Übertragung des ganzen Vermögens fehlen? Droht im Falle der analogen Anwendbarkeit eine Publikums-KG die Gefahr einer Rückabwicklung der Übertragung des ganzen Vermögens oder bezieht sich die analoge Anwendbarkeit lediglich auf das Mehrheitserfordernis? Einstweilen bleibt festzuhalten, dass der Rechtsverkehr im Hinblick auf eine Publikums-KG mit der erheblichen rechtlichen Unsicherheit umzugehen hat und damit belastet ist. Nicht nur hat ein potenzieller Geschäftspartner festzustellen, ob überhaupt eine Übertragung des ganzen Vermögens im Raume steht – was bereits bei wesentlichen Vermögensteilen wie einem Grundstück der Fall sein kann. In einem zweiten Schritt hat er sich den nicht im Handelsregister einsehbaren Gesellschaftsvertrag vorlegen zu lassen, um gesellschaftsvertragliche Zustimmungsvorbehalte zu prüfen. Denn nur in diesem Fall darf er auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts vertrauen, sofern die Pflichtwidrigkeit der Veräußerung des ganzen Vermögens nicht objektiv offensichtlich ist. Auf der sicheren Seite ist man daher nur bei Gesellschafterbeschlüssen mit den aktienrechtlich geforderten Mehrheiten.

Es bleibt abzuwarten, ob die genannten Unsicherheitsfaktoren Bestand haben werden. Denn die Sache liegt inzwischen dem BGH zur Entscheidung vor, der nun ebenfalls die Chance hat, zur entsprechenden Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen auf andere Handelsgesellschaften Stellung zu nehmen.

(OLG Frankfurt, Urteil v. 12.9.2023, 5 U 116/22)

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