Lange Standzeiten zwischen Kfz-Herstellung und Erstzulassung

Ist ein Gebrauchtwagen, wenn er mehr als ein Jahr zwischen Herstellung und Erstzulassung gestanden hat, mangelhaft? Der Käufer war aus diesem Grund vom Kaufvertrag für sein - deutlich älter als gedachtes - Fahrzeug zurückgetreten, hatte mit seiner Klage auf Rückabwicklung in der Berufung aber keinen Erfolg. Nun wird der BGH entscheiden müssen, ob lange Standzeit auch bei einem Gebrauchtwagen nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung des Fahrzeugs von wesentlicher Bedeutung ist.

Der Käufer hatte von der Beklagten im Juni 2012 einen gebrauchten Audi Avant TDI zu einem Preis von 33.430 EUR gekauft. Der Gebrauchtwagen hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von knapp 40.000 km.

Kaufvertrag nennt Erstzulassung 2010, Baujahr nicht vermerkt

Im Kaufvertrag wurde als Erstzulassungsdatum der 18.02.2010 vermerkt, ein Baujahr wurde nicht genannt.

  • Später erfuhr der Kläger, dass das Auto am 01.07.2008 hergestellt wurde
  • und trat daher aufgrund des nach seiner Ansicht vorliegenden Sachmangels vom Kaufvertrag zurück.
  • Mit seiner Klage begehrte er die Rückzahlung des Kaufpreises.

Gilt BGH Rechtsprechung zu Jahres- und Neuwagen?

Das Landgericht Göttingen gab der Klage zunächst statt und bejahte einen Sachmangel, da das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufgewiesen habe.

  • Es gehöre zur vereinbarten Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB,
  • dass das Baujahr des Fahrzeugs nicht mehr als zwölf Monate von dem im Vertrag angegebenen Jahr der Erstzulassung abweiche,

urteilte die 1. Instanz. Dies gelte auch bei einem Kauf eines Gebrauchtwagens.

Nach der Rechtsprechung des BGH zu Neu- und Jahreswagen stelle eine lange Standdauer von über zwölf Monaten einen wertmindernden Faktor dar, dies sei auf vorliegenden Fall übertragbar.

OLG: Fahrzeuggesamtalter beim Gebrauchtwagenkauf nicht entscheidend

Das Oberlandesgericht Braunschweig wies die Klage auf die Berufung der Beklagten ab.  Die starre Grenze könne auf einen Gebrauchtwagenkauf nicht übertragen werden, so die Richter. Zu einer mangelbegründeten Standzeit beim Gebrauchtwagenkauf seien unterschiedliche Urteile ergangen, welche sich jedoch aufgrund der verschiedenen Sachverhalte nicht verallgemeinern lassen.

  • Nach der Rechtsprechung des BGH sei zwar die Lagerdauer eines Fahrzeugs nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung des Fahrzeugs von wesentlicher Bedeutung, da sich der Fahrzeugzustand grundsätzlich durch Zeitablauf verschlechtere.
  • Bei Gebrauchtwagenkäufen sei das Fahrzeuggesamtalter aber regelmäßig für Kaufentscheidungen nur ein Kriterium mittlerer Bedeutung.

Über die Revision des Klägers muss nun der BGH entscheiden.

(BGH, VIII ZR 191/15; Vorinstanzen: LG Göttingen, Urteil v. 27.11.2014, 4 O 214/13; OLG Braunschweig, Urteil v. 23.07.2015, 9 U 2/15).

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