AG Berlin-Tiergarten: E-Scooter mitten auf dem Gehweg

Das Parken eines E-Scooters unter Behinderung von Fußgängern ist ein mit einem Bußgeld bewehrter Halt- oder Parkverstoß. Ist der Fahrer nicht mehr zu ermitteln, haftet der E-Scooter-Halter für die Verfahrenskosten.

Das AG Berlin Tiergarten hat sich bereits mehrfach mit dem Ärgernis mitten auf Gehwegen abgestellter E-Scooter befassen müssen. In einer aktuellen, ausführlich begründeten Entscheidung hat das Gericht hierzu 3 wichtige Rechtsgrundsätze aufgestellt.

  • E-Scooter, die unter Behinderung von Fußgängern mittig auf Gehwegen abgestellt werden, verletzen das Rücksichtnahmegebot der Straßenverkehrsordnung und beinhalten deshalb einen Parkverstoß.
  • Dieser Verstoß kann mit einem Bußgeld gegen den Nutzer geahndet werden.
  • Ist der Nutzer im Bußgeldverfahren nicht ohne weiteres zu ermitteln, so sind die entstandenen Verfahrenskosten dem Halter des E-Scooters aufzuerlegen

Carsharing-Modell mit E-Scooter-Angebot kombiniert

In dem vom AG entschiedenen Fall hatte sich der Anbieter eines Carsharing-Modells gerichtlich gegen einen Kostenbescheid gewehrt, mit dem die Straßenverkehrsbehörde ihm die Verfahrenskosten für ein eingestelltes Bußgeldverfahren auferlegt hatte. Im Rahmen des Carsharing-Modells stellt das Unternehmen den Kunden auch E-Scooter zur Verfügung. Ein Kunde hatte einen solchen E-Scooter mittig auf einem Gehweg in Berlin quer zur Gehrichtung abgestellt, sodass Fußgänger um den E-Scooter einen Bogen machen mussten.

Gebot der Rücksichtnahme gilt auch für die Nutzer von E-Scootern

Nach der Bewertung des AG hatte der Mieter durch das Abstellen des E-Scooters unter Behinderung der den Gehweg nutzenden Fußgänger gegen das allgemeine Gebot zur Rücksichtnahme im Straßenverkehr gemäß § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Die Vorschrift richte sich nicht nur an die Führer von Kraftfahrzeugen, sondern an sämtliche Verkehrsteilnehmer und erstrecke sich demgemäß nach §§ 9, 11 Abs. 5 eKFV auch auf die Führer von Elektro-Kleinstfahrzeugen und habe Gültigkeit auch für die Nutzer von E-Scootern.

Anhörung erst 10 Wochen nach dem Verstoß ist nicht zu beanstanden

Nach Auffassung des AG hatte die Bußgeldbehörde durch die Absendung eines Anhörungsschreibens an das CarSharing-Unternehmen erst 10 Wochen nach dem Verstoß die angemessene Frist für eine Anhörung nicht überschritten. Das AG ließ dahingestellt, ob die Anhörung eines privaten Halters erst 10 Wochen nach einem Verstoß noch zulässig wäre. Gegenüber gewerblichen E-Scooter-Anbietern ist nach Auffassung des Gerichts ein 10-wöchiger Zeitablauf deshalb nicht zu beanstanden, weil gewerbliche Anbieter im Rahmen ordnungsgemäßer Buchführung verpflichtet seien, Aufzeichnungen über die Mietvorgänge und über die Mieter zu führen. Diese Aufzeichnungen seien auch 10 Wochen nach dem Mietvorgang noch vorhanden, sodass die gewünschte Auskunft noch problemlos möglich sei.

Anbieter müssen Nutzerdaten zur Identifizierung vorhalten

Im Rahmen der Anhörung hatte das CarSharing-Unternehmen der Behörde den Vor- und Nachnamen des Mieters, dessen Mobilfunknummer sowie seine E-Mail-Adresse mitgeteilt. Diese Daten sind nach der Bewertung des AG nicht ausreichend, um den Nutzer mit vertretbarem Aufwand in angemessener Zeit zu ermitteln. Erforderlich seien die Angabe des Namens, des Geburtsdatums und/oder der Wohnanschrift des Nutzers. Nur dann sei die Ermittlung über die Meldebehörden leicht möglich. Ein darüberhinausgehender Ermittlungsaufwand könne einer Bußgeldbehörde in Anbetracht der Geringfügigkeit eines solchen Tatvorwurfs und der massenhaften Verfahren in diesem Bereich nicht zugemutet werden.

Bußgeldverfahren zurecht eingestellt

Im Ergebnis hatte die Bußgeldbehörde nach Auffassung des Gerichts im konkreten Fall das Bußgeldverfahren mangels ausreichender Angaben zum verantwortlichen Mieter zurecht eingestellt. In diesen Fällen kann die Behörde gemäß § 25a Abs. 1 StVG gegen den Halter des betreffenden Fahrzeugs einen Kostenbescheid erlassen und diesem die Kosten des Bußgeldverfahrens auferlegen, wenn der Fahrer zur Tatzeit innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist mit vertretbarem Aufwand und Aussicht auf Erfolg nicht feststellbar ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift waren nach Auffassung des Gerichts im konkreten Fall wegen unzureichender Nutzerdaten erfüllt.

Kostenbescheid hat Bestand

Im Ergebnis war der Kostenbescheid nach der Entscheidung des Gerichts daher zu Recht ergangen. Den Antrag des Carsharing-Unternehmens auf Aufhebung des Kostenbescheids hat das Gericht als unbegründet verworfen. Die Entscheidung könnte und sollte für E-Scooter-Verleiher Anlass sein, ihre Kunden zu mehr Sorgfalt und Rücksichtnahme beim Abstellen der Fahrzeuge anzuhalten. 

(AG Berlin-Tiergarten, Beschluss v. 6.9.2023, 297 OWi 812/23)


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Schlagworte zum Thema:  Elektromobilität, Verkehrsrecht, Urteil