0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) mit Wirkung zum 1.4.2012 von § 125 nach § 145 überführt.
§ 125 Abs. 1 a. F. wurde durch das 1. SGB III-ÄndG v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2970) mit Wirkung zum 1.1.1998 geändert. Die Vorschrift wurde weiter mit Wirkung zum 1.1.2001 durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) geändert. § 125 Abs. 2 a. F. wurde mit Wirkung zum 1.7.2001 durch Art. 3 Nr. 26 des SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) und mit Wirkung zum 1.1.2004 erneut geändert. Im Übrigen wurde die Vorschrift redaktionell angepasst durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848).
Die Vorschrift wurde mit Wirkung zum 1.4.2012 als § 145 neu gefasst. Dabei wurde sie zugleich geschlechtsneutral ausformuliert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt den Leistungsanspruch nicht nur vorübergehend leistungsgeminderter versicherter Personen, die keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausüben können, bei denen aber auch verminderte Erwerbsfähigkeit noch nicht (abschließend) festgestellt ist, bis zur Feststellung verminderter Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) überbrückt diese Phase. Daher wird die Regelung auch Nahtlosigkeitsregelung genannt. Im Regelfall endet diese Phase mit der mit der Feststellung verminderter Erwerbsfähigkeit verbundenen Zuerkennung von Rente, sofern die Anspruchsdauer bis dahin reicht. Die Regelung ist Vorbild für die Feststellung von Erwerbsfähigkeit in Zweifelsfällen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 44a SGB II gewesen. Aufgrund unterschiedlicher Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger einerseits und die Agentur für Arbeit andererseits sollen dem Arbeitnehmer nicht die Leistungen aus beiden Sozialversicherungssystemen vorenthalten werden, obwohl im Regelfall Ansprüche in einem der Systeme bestehen (sog. negativer Kompetenzkonflikt, vgl. BSG, Urteil v. 29.4.1998, B 7 AL 18/97 R). Im Verfahren werden Leistungen aufgrund des § 145 aber erst erbracht, wenn hinreichend sicher festgestellt ist, dass der Arbeitslose voll erwerbsgemindert ist. Entsprechender Feststellungen des Rentenversicherungsträgers bedarf es aber nicht. Durch gesetzliche Fiktion wird die Agentur für Arbeit daran gehindert, einen Anspruch auf Alg allein wegen des Fehlens objektiver Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung mit der Folge der Verneinung der Anspruchsvoraussetzung Arbeitslosigkeit abzulehnen. Darauf ist die Sperrwirkung beschränkt.
Rz. 2a
Abs. 1 stellt die Grundregel für den Nahtlosigkeitsanspruch auf. Ein Anspruch auf Alg scheitert nicht daran, dass der Arbeitslose zwar die Anwartschaftszeit erfüllt und sich persönlich arbeitslos gemeldet hat, aber nicht arbeitslos ist, weil er nach den Feststellungen durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit oder einen beauftragten Vertragsarzt keine versicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich mehr unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausüben kann, die für ihn ohne Berücksichtigung der Leistungsminderung üblich sind. Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn nur der Arbeitslose, nicht aber die betroffenen Versicherungsträger von einem fehlenden Leistungsvermögen ausgehen (SG Karlsruhe, Urteil v. 22.4.2013, S 11 AL 3545/12). Sofern die Feststellungen der Agentur für Arbeit zutreffen, ist der Arbeitslose voll erwerbsgemindert im Sinne des Rentenrechts. Die Begünstigung gilt nicht, wenn bereits eine Erwerbsminderung festgestellt wurde (Abs. 1 Satz 2), die nunmehr relevante verminderte Erwerbsfähigkeit hat der zuständige Rentenversicherungsträger festzustellen (Abs. 1 Satz 3). Damit gewährleistet der Gesetzgeber die Verwaltungshoheit des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers in Bezug auf Feststellungen der Erwerbsfähigkeit, die zu einem Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen können. Eine Privilegierung der Zahlung von Alg nach § 145 gegenüber der Zahlung des Regel-Alg ohne Nahtlosigkeitsleistung im Rahmen des Rentenrechts (z. B. bei der Berechnung von Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a SGB VI) hat das BSG verneint, weil die Leistung nach § 145 denselben zeitlichen Beschränkungen unterliegt und nicht etwa automatisch bis zum Rentenbeginn gezahlt wird (BSG, Urteil v. 31.1.2008, B 13 R 23/07 R).
Rz. 2b
Im Falle der Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen kann sich der Arbeitslose durch einen Vertreter arbeitslos melden lassen (Abs. 1 Satz 4). Dies hat zwar an sich persönlich zu geschehen, die Bundesagentur für Arbeit lässt aber in Ausnahmefällen auch Arbeitslosmeldungen außerhalb der Agentur für Arbeit zu. Damit hebt der Gesetzgeber mögliche Benachteiligungen für Arbeitslose auf, die eine in Fällen des § 145 nur formale Voraussetzung für den Anspruch auf Alg wegen ihrer aktuellen gesundheitlichen Einsc...