Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Kommanditist aus einer Bürgschaft einem Gesellschaftsgläubiger gegenüber zur Zahlung und aufgrund einer nach Übernahme der Bürgschaft erfolgten Erhöhung seiner Kommanditeinlage zur ausstehenden Einlageleistung verpflichtet, hängt die Erfüllungswirkung einer an den Gesellschaftsgläubiger erbrachten Zahlung des Kommanditisten von den konkreten Umständen und dabei insbesondere von der Tilgungsbestimmung des Kommanditisten ab.
Es kommen eine Zahlung auf die Bürgschaftsschuld, eine Zahlung in Erfüllung der Einlageverpflichtung ggü. der KG und eine Leistung in Erfüllung der Kommanditistenhaftung nach §§ 161 Abs. 2, 128, 171 Abs. 1 HGB in Betracht.
Eine solche Zahlung des Kommanditisten hat nicht ohne weiteres eine Doppelwirkung in dem Sinne, dass sie zum Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung und gleichzeitig zur Erfüllung der (Haft-)Einlageverpflichtung führt.
2. Die Zahlung des Kommanditisten an den Bürgschafts- und Gesellschaftsgläubiger kann allerdings die vorstehend erwähnte Doppelwirkung haben, wenn die Bürgschaft zur Erfüllung der Einlageverpflichtung (also gleichsam als Sacheinlage) gewährt worden ist, die zugunsten der KG gewährte Sicherheit realisiert wird und dazu der Kommanditist die Bürgschaftszahlung erbringt.
3. Wenn die unter 2. genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sondern die Bürgschaft neben der Kapitalerhöhung steht (etwa erst die Bürgschaftsverpflichtung begründet wird und später und unabhängig davon eine Erhöhung der Kommanditeinlage erfolgt), kommt bei einer Zahlung des Kommanditisten auf die Bürgschaft eine Aufrechnung mit dem Rückgriffsanspruch (§ 774 Abs. 1 BGB) gegen die Einlageverpflichtung in Betracht. Nach dem zu wahrenden Grundsatz der realen Kapitalaufbringung kann allerdings eine solche Aufrechnung den Kommanditisten von der Hafteinlageverpflichtung nur befreien, wenn im Zeitpunkt der Aufrechnung die zur Aufrechnung gestellte Forderung des Kommanditisten werthaltig ist.
Es ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH unter dem Aktenzeichen II ZR 110/10 anhängig.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 1 O 1568/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 8.10.2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Oldenburg geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 110.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.9.2006 zu zahlen.
Wegen der weitergehenden Zinsen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist durch Beschluss des AG Cloppenburg vom 25.4.2006 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. V. R. (nachfolgend Insolvenzschuldnerin) bestellt worden. Er nimmt den Beklagten als alleinigen Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin auf Zahlung einer angeblich offenen Kommanditeinlage i.H.v. 110.000 EUR in Anspruch.
Die Insolvenzschuldnerin wurde am 19.11.2004 gegründet. Die ursprünglich von ihm geschuldete Kommanditeinlage über 10.000 EUR hat der Beklagte erbracht. Am 27.6.2005 übernahm der Beklagte für sämtliche Forderungen der Volksbank L. gegen die Insolvenzschuldnerin eine Bürgschaft über 120.000 EUR. Der Betriebsmittelkredit der Insolvenzschuldnerin wurde daraufhin auf 120.000 EUR erhöht. Die Bürgschaft wurde später am 28.9.2005 auf 140.000 EUR erweitert. Mit Gesellschafterbeschluss vom 11.11.2005 erhöhte der Beklagte als Alleingesellschafter der Insolvenzschuldnerin seine Kommanditeinlage auf insgesamt 120.000 EUR; der Erhöhungsbetrag von 110.000 EUR sollte auf ein Konto der Insolvenzschuldnerin eingezahlt werden. Die Erhöhung der Kommanditeinlage wurde ins Handelsregister eingetragen. Am 14.11.2005 erteilte der Beklagte der Volksbank L. den Auftrag (zunächst telefonisch, sodann durch Unterschreiben eines entsprechenden Überweisungsträgers) von seinem Konto auf das Konto der Insolvenzschuldnerin einen Betrag i.H.v. 110.000 EUR zu überweisen. Der nachträglich vom Beklagten unterschriebene Überweisungsträger enthält als Verwendungszweck "Bürgschaft"; auf dem für die Insolvenzschuldnerin bestimmten Kontoauszug fehlt die Angabe des Verwendungszwecks.
Eine vom Kläger erhobene Klage, mit der dieser gegen die Volksbank L. unter dem Gesichtspunkt einer Insolvenzanfechtung Zahlung von 110.000 EUR verlangt hatte, wurde vom LG Oldenburg mit der Begründung abgewiesen, dass die Zahlung des Beklagten auf die Bürgschaft erfolgt sei. Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Der Kläger hat sodann den Beklagten auf Zahlung der Erhöhung der Kommanditeinlage von 110.000 EUR ...