Entscheidungsstichwort (Thema)

EC-Karte. kontaktlose Zahlung. Point-of-sale-Verfahren. POS-Verfahren. PIN. Täuschung. betrugsspezifische Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Löst ein Nichtberechtigter mit einer ec-Karte kontaktlos einen elektronischen Zahlungsvorgang aus und fragt das kartenemittierende Kreditinstitut im Zuge der Abwicklung des Zahlungsvorgangs im "Point-of-sale-Verfahren" die zu der Karte gehörende Geheimnummer (PIN) nicht ab, verwirklicht dieses Verhalten mangels Täuschung nicht den Betrugstatbestand gemäß § 263 Abs. 1 StGB.

2. Ein solches Verhalten verwirklicht auch nicht - mangels Betrugsähnlichkeit - die Tatbestände des Computerbetruges gemäß § 263a Abs. 1 StGB und - mangels Vorliegens einer "Datenurkunde" - der Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 270 StGB.

3. Ein solches Verhalten kann aber als Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie nachrangig als Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB strafbar sein. Insbesondere für die Verwirklichung des § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist allerdings in subjektiver Hinsicht zumindest eine laienhafte Vorstellung von den technischen Abläufen einer kontaktlosen Zahlung im POS-Verfahren erforderlich.

 

Normenkette

StGB §§ 263, 263a, 269-270, 274; ZAG § 55

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Entscheidung vom 14.10.2019; Aktenzeichen 3 Ns 23 Js 90/19 - 109/19)

 

Tenor

  1. Die Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin geändert wird, dass der Angeklagte anstelle des Betruges in vier Fällen der Urkundenunterdrückung in vier Fällen schuldig ist.
  2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Paderborn hat den Angeklagten mit Urteil vom 22.08.2019 wegen Computerbetruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Die hiergegen rechtzeitig eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Paderborn mit Urteil vom 14.10.2019 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt wird.

Gegen dieses in Anwesenheit des Angeklagten verkündete und auf Anordnung der Vorsitzenden vom 18.11.2019 dem Verteidiger des Angeklagten am 20.11.2019 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit per Telefax am 17.10.2019 bei dem Landgericht Paderborn eingegangenen Schreiben seines Verteidigers vom 16.10.2019 Revision eingelegt und diese mit weiterem, am 04.12.2019 bei dem Landgericht Paderborn eingegangenen Schreiben seines Verteidigers vom selben Tag mit den Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet.

II.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen zur Sache getroffen:

"Am 15.12.2018 gegen 11:00 Uhr verlor der Zeuge A in B auf dem Weg vom C in der D-Straße zu dem Schnellrestaurant E im Schäferweg in B seine Geldbörse, in der sich ca. 5,00 Euro Bargeld, Personalausweis, eine Krankenversichertenkarte, 2 ec-Karten (Sparkasse F, Konto-Nr.: ###32; G-Bank B, Konto-Nr.: ###30) sowie eine Kreditkarte Mastercard (Sparkasse F, Konto-Nr.: ###32) befanden.

Der Angeklagte gelangte noch am gleichen Tage in den Besitz der Geldbörse. In dem Wissen, dass ihm die Karte nicht gehörte und er zur Nutzung nicht berechtigt war, begab er sich zum H-Markt in I, J-Straße #. Dort betrat er zunächst den Getränkemarkt und tätigte um 12:59 Uhr einen Einkauf im Wert von 12,79 Euro, indem er die zuvor aufgefundene EC-Karte der Sparkasse F mit der Konto-Nr. ###32 auf das Kartenlesegerät zur Bezahlung auflegte. Da der Einkauf einen Warenwert unter 25,00 Euro aufwies, war die Eingabe der PIN nicht erforderlich, was dem Angeklagten bekannt war und von diesem bewusst ausgenutzt wurde.

Nachdem der Angeklagte den Getränkemarkt zunächst verlassen hatte, kehrte er umgehend wieder zurück und tätigte um 13:00 Uhr auf die gleiche Art und Weise im Getränkemarkt einen weiteren Einkauf im Wert von 19,98 Euro.

Im Anschluss daran suchte der Angeklagte das Hauptgeschäft des H-Marktes auf. Hier tätigte er um 13:02 Uhr auf die gleiche Art und Weise einen Einkauf im Wert von 24,95 Euro.

Sodann begab sich der Angeklagte erneut in das Geschäft, um weitere Waren zu erwerben. Um 13:07 Uhr kaufte er auf die gleiche Art und Weise Lebensmittel im Wert von 22,19 Euro.

Die bei den Einkäufen erhaltenen Waren beabsichtigte er zum Teil für sich zu behalten, zum Teil an seine Bekannte, Frau K, von welcher er zuvor die Bankkarten erhalten hatte, weiter zu geben."

III.

Die Verfahrensrüge führt nicht zum Erfolg des Rechtsmittels. Sie ist bereits unzulässig, weil die Revisionsbegründungsschrift keine den Vorgaben des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende Begründung der Verletzung formellen Rechts enthält.

IV.

Die zulässige Revision führt jedoch auf die Sachrüge hin zu einer Abänderung des Schuldspruchs in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO.

1.

Die Feststellungen tragen eine Strafbarkeit weg...

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