Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schadenersatz wegen unterbliebener Zuweisung eines Ganztagesbetreuungsplatzes
Normenkette
SGB III § 24
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.10.2016; Aktenzeichen 2-4 O 417/15) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 19. Oktober 2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehren von der beklagten Stadt im Wege der Amtshaftung Ersatz von Betreuungs- und Verpflegungskosten wegen behaupteter unterbliebener Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihren am XX.XX.2012 geborenen Sohn. Der Sohn der Kläger wurde bis Ende Mai 2015 in einer Kinderkrippe betreut. Da die Kläger beabsichtigten, ihren Sohn ab Juni 2015 in einer Kindertagesstätte mit einem ganztägigen Betreuungsplatz unterzubringen, meldeten sie im Juli 2014 ihren Bedarf für eine Ganztagsbetreuung bei der Beklagten an. Nachdem der Platz für den Sohn der Kläger in der privaten Kinderkrippe bis Ende August 2015 verlängert worden war, meldeten die Kläger das Kind in der privaten X-Kindertagesstätte mit Wirkung zum 1. August 2015 für die Dauer eines Jahres an.
Mit der Behauptung, die Beklagte habe ihnen den gewünschten Ganztagesplatz nicht angeboten, haben die Kläger von der Beklagten die Erstattung der Aufnahmegebühr und der in der privaten X-Kindertagesstätte angefallenen Betreuungs- und Verpflegungskosten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten, die ihnen für den selbst beschafften Betreuungsplatz im Vergleich zu den in einer städtischen Einrichtung anfallenden Kosten entstanden sind. Mehrkosten, die Eltern dadurch entstehen, dass sie den Betreuungsbedarf ihres Kindes in einer gegenüber einer öffentlichen Einrichtung teureren, privaten Einrichtung decken, sind, soweit es sich nicht um unzumutbare Belastungen handelt, kein Schaden.
Eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 34 GG liegt jedenfalls nicht darin, dass die Beklagte einen Anspruch der Kläger nicht erfüllt hätte. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten den Klägern angebotenen Kindergartenplätze dem an die Beklagte herangetragenen Betreuungsbedarf der Kläger entsprachen. Denn anders als § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII vermittelt § 24 Abs. 3 S. 2 SGB VIII keinen Rechtsanspruch. Die Kläger hatten deshalb keinen Anspruch auf Nachweis eines Ganztagsplatzes in einer Tageseinrichtung.
Während nach § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII ein Kind, das das 1. Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege hat und nach § 24 Abs. 3 S. 1 SGB VIII ein Kind, das das 3. Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung hat, sieht Abs. 3 S. 2 nur vor, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe darauf hinzuwirken haben, dass für die Altersgruppe ab dem vollendeten 3. Lebensjahr ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Aus dem Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII erwächst für den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Amtspflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist, ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht. Verletzt der Jugendhilfeträger diese Pflicht, so liegt darin zugleich eine Amtspflichtverletzung (Schlick, Die Rechtsprechung des BGH zu den öffentlich-rechtlichem Ersatzleistungen, in: NJW 2017, 2509, 2513). Im Unterschied zu dem in § 24 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 SGB VIII verliehenen subjektiven Recht auf frühkindliche Förderung begründet § 24 Abs. 3 S. 2 SGB VIII lediglich objektiv-rechtliche Pflichten (vgl. BVerwG, U. v. 26.10.2017, Az. 5 C 19.16, Rn. 26, juris). Dadurch wird kein individueller Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Ganztagsplatzes begründet, sondern lediglich eine Rechtspflicht objektiver Natur (BVerwG, U. v. 14.11.2002, Az. 5 C 57/01, Rn. 21, juris). Daraus folgt zugleich, dass die bestehende objektiv-rechtliche Vorhalteverpflichtung an Ganztagsplätzen keinen Anspruch des einzelnen auf Zuweisung eines Ganztagsplatzes gewährt und deshalb auch kein Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Zuweisung besteht.
Eine Nichtberücksichtigung des Sohnes der Kläger bei der Vergabe von Ganztagsbetreuungsplätzen stellt auch weder einen zum Schadensersatz verpflichtenden Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung dar, noch könnte die Verletzung einer etwaigen Pflicht der Beklagten, die begrenzten Plätze in einem nachvollziehbaren Verfahren anhand begründeter Entscheidungen zu verteilen, einen Anspr...