Leitsatz (amtlich)
Nur dem anspruchsberechtigten minderjährigen Kind steht nach der gesetzlichen Regelung in § 1612a BGB das Wahlrecht zwischen einem dynamischen oder statischen Unterhaltstitel, der nicht auf die Zeit bis zu dessen Volljährigkeit zu befristen ist, zu.
Das minderjährige Kind kann die Abänderung einer gleichwohl befristeten Jugendamtsurkunde nach den Grundsätzen des § 239 FamFG verlangen, auch wenn sich dadurch der Zahlbetrag nach der aktuellen Altersstufe nicht ändert.
Dem Abänderungsbegehren steht nicht entgegen, dass das Kind infolge seiner Schwerbehinderung und dadurch bedingten Erwerbsunfähigkeit mit Erreichen der Volljährigkeit voraussichtlich bedarfsdeckende Leistungen der Grundsicherung i.S.v. § 41 ff. SGB XII sowie Hilfen zu Pflege nach §§ 61 SGB XII wird beanspruchen können.
Verfahrensgang
AG Osterholz-Scharmbeck (Aktenzeichen 2 F 205/16) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osterholz-Scharmbeck vom 21. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Dem Antragsteller wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ......, ......, zur Verteidigung gegen die Beschwerde des Antragsgegners bewilligt.
Gründe
I. Der am ... 2007 geborene Antragsteller ist aus der - rechtskräftig geschiedenen - Ehe seiner Mutter mit dem Antragsgegner hervorgegangen. Der Antragsteller ist schwerbehindert und in allen Bezügen pflegebedürftig.
Die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Am ...... Dezember 2015 hat der Antragsgegner bei dem Jugendamt des Landkreises ...... eine Urkunde (Urk.Reg.-Nr. ......) errichten lassen und sich darin zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 110 % des Mindestunterhalts verpflichtet. Diese Verpflichtung hat der Antragsgegner in der Urkunde auf die Zeit bis zum Tag vor dem 18. Geburtstag des Antragsgegners, den ...... 2025, befristen lassen.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller, der die Höhe des anerkannten Unterhalts nicht in Zweifel zieht, die Abänderung der Jugendamtsurkunde dahingehend, dass die Unterhaltspflicht des Antragsgegners ohne Befristung tituliert wird. Der Antragsgegner hat sich demgegenüber darauf berufen, dass der Antragsteller mit seiner Volljährigkeit infolge seiner Schwerbehinderung und seiner (unstreitigen) Erwerbsunfähigkeit Anspruch auf Grundsicherungsleistungen habe, die neben dem Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen seien.
Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss die Jugendamtsurkunde antragsgemäß dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner "ab dem 3. Mai 2016 an den Antragsteller Unterhalt in Höhe von 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts nach den Altersstufen abzüglich des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes für ein Kind zu leisten" hat. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf einen dynamisierten und nicht auf die Zeit bis zur Volljährigkeit befristeten Unterhaltstitel.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass der vom Antragsteller begehrte Kindesunterhalt tituliert sei, sodass es sich in der Sache nicht um eine Abänderung, sondern um einen Leistungsantrag für die Zeit ab dem 18. Lebensjahr, d.h. ab dem ...... 2025, handelt. Darüber hinaus fehle es wegen des weit in der Zukunft liegenden Zeitraums am Rechtsschutzbedürfnis. Die für ein unbefristetes Anerkenntnis in der Rechtsprechung angeführte Begründung, dass mit der Volljährigkeit bei fortgesetzter Schul- oder Berufsausbildung keine wesentliche Veränderung der Bedürftigkeit eintrete, könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, zumal er den geschuldeten Unterhalt ohne gerichtliche Auseinandersetzung stets pünktlich und regelmäßig gezahlt habe. Vielmehr ändere sich im vorliegenden Ausnahmefall der Unterhaltsanspruch ab Volljährigkeit wegen der dann geltenden Berechnungsmodalitäten grundlegend.
II. Der zulässigen, insbes. form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt.
Der Antragsteller hat Anspruch auf die Titulierung des ihm zustehenden Kindesunterhalts in einem dynamischen und nicht befristeten Unterhaltstitel.
1. Der Antragsteller ist unstreitig gemäß § 1601 BGB unterhaltsberechtigt. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs, die sich gemäß § 1610 BGB nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils bemisst, steht mit 110 % des Mindestunterhalts zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit.
2. Aus § 1612a Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, dass das minderjährige Kind den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen kann. Neben der dadurch eröffneten Möglichkeit, einen dynamischen - weil am Mindestunterhalt sowie an den Altersgruppen des § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB orientierten - Unterhalt geltend zu machen, kann das unterhaltsberechtigte Kind seinen Anspruch auch auf einen konkret bemessenen und damit statischen Betrag ausrichten. Nach der gesetzlichen Regelung steht allein de...