Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 50 O 129/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.07.2020; Aktenzeichen IX ZR 289/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 19. Dezember 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die durch die Nebenintervention verursachen Kosten haben die Klägerinnen zu 1.) und 2.) jeweils zur Hälfte zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem anwaltlichen Mandat, das der Beklagte im Dezember 2007 im Auftrag der Mutter der Klägerinnen, der Zeugin P übernommen hatte, um deren Ersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend zu machen, und das nach Auffassung der Klägerinnen, die bei dem Unfall leicht verletzt wurden, ihnen gegenüber Schutzwirkung entfaltet habe.

Die Mutter der 1994 und 1997 geborenen Klägerinnen wurde bei dem Unfall am 30. September 2006 [soweit der Unfall in dem Urteil des Landgerichts auf das Jahr 2007 datiert ist handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler] schwer verletzt. Sie ist seitdem schwerstbehindert, auf einen Rollstuhl angewiesen und dauerhaft pflegebedürftig. Nach der Mandatierung des Beklagten bestätigte die Streithelferin als Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ihre volle Einstandspflicht für sämtliche unfallbedingten Schäden der Mutter der Klägerinnen. Das Mandat des Beklagten endete im Mai 2016.

Die Klägerinnen leben mit starken Schuldgefühlen ihrer pflegebedürftigen Mutter gegenüber. Die Klägerin zu 1.) ist seit Oktober 2016 in psychotherapeutischer Behandlung; die Klägerin zu 2.) hat sich einer solchen Behandlung von April 2013 bis September 2014 unterzogen. Sie werfen dem Beklagten vor, ihre Mutter nicht über die ihnen zustehenden (inzwischen nach ihrer Ansicht verjährten) Ansprüche gegen die Streithelferin aufgeklärt und beraten zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsachlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen, wobei auch folgende (ergänzende) Einzelheiten des Sachverhalts zwischen den Parteien außer Streit stehen:

Die Mutter der Klägerinnen war Halterin des von ihr gesteuerten Fahrzeugs. Sie hatte nach dem Verkehrsunfall zunächst Rechtsanwältin U aus Berlin mit der Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners (namentlich von Schmerzensgeld, Mehrbedarf, Verdienstausfall und Heilungskosten) beauftragt. Als sie den Beklagten im Dezember 2007 mandatierte, sah sie sich der Forderung der Haftpflichtversicherung ausgesetzt; ihre häusliche Pflege, die damals von fünf Pflegekräften im Schichtbetrieb übernommen werden musste, kostengünstiger zu organisieren. Im Jahr 2008 verhandelte der Beklagte dann mit der Haftpflichtversicherung im Wesentlichen über das Schmerzensgeld und Renten wegen materieller Schäden.

Die Klägerinnen haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an beide Klägerinnen jeweils ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz .seit dem 8. November 2016 und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 2.033 Euro zu zahlen sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen alle materiellen und derzeit noch nicht eingetretenen immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall auf der BAB 2 am 30. September 2006 zu ersetzen, soweit die Forderungen nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 19. Dezember 2017, den Klägerinnen zugestellt am 22. Dezember 2017, hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, unabhängig von der. Frage, ob dem Anwaltsvertrag drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerinnen zukomme, habe der Beklagte jedenfalls keine Pflicht aus dem Vertrag verletzt, weil er der Zeugin P keine Beratung hinsichtlich der damals nicht vorhersehbaren Ansprüche der Klägerinnen geschuldet habe.

Mit der am 17. Januar 2018 eingelegten Berufung rügen die Klägerinnen, das Landgericht habe Umfang und Reichweite der Beratungspflicht des Beklagten verkannt; sie beantragen, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Beklagten den bereits vor dem Landgericht angebrachten Anträgen gemäß zu verurteilen.

Der Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und vertreten - wie bereits in erster Instanz die Auffassung, dem Beklagten habe aufgrund des mit der Zeugin P abgeschlossenen Anwaltsvertra...

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