Rz. 12
Am 1.1.2021 ist die 8. Novelle der HOAI in Kraft getreten. Das Inkrafttreten dieser HOAI 2021 führt – wie es auch schon bei Inkrafttreten früherer Novellierungen der Fall war – zu Problemen, wenn im Architektenvertrag eine stufenweise Beauftragung vereinbart wurde und im Zeitpunkt des Abrufes späterer Stufen nun bereits die neue Fassung der HOAI gilt. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, wie die später abgerufene Leistung zu vergüten ist, d.h. welche Fassung der HOAI anwendbar ist.
Rz. 13
Sowohl die HOAI 2009 (dort § 55) als auch die HOAI 2013 (dort § 57) und HOAI 2021 (dort § 57) enthalten eine Übergangsvorschrift, die für Leistungen, die vor Inkrafttreten der Novellierung vertraglich vereinbart wurden, die jeweils vorangehenden Fassungen der HOAI weitergelten lässt.
Maßgeblich ist also der Zeitpunkt der "vertraglichen Vereinbarung" – im Falle der stufenweisen Beauftragung ist somit maßgeblich, ob der spätere Abruf einer Stufe als eigenständige vertragliche Vereinbarung zu werten ist oder ob auch hier auf den ursprünglichen Vertragsschluss abzustellen ist.
Rz. 14
Das OLG Koblenz hatte hierzu erstmals (noch das Inkrafttreten der HOAI 2009 betreffend) entschieden, dass bei stufenweiser Beauftragung jeweils die bei Abruf geltende Fassung der HOAI anzuwenden ist – die aufeinanderfolgenden Leistungen des Architekten also unter Umständen unterschiedlich zu vergüten sind. Beim Options- oder Stufenvertrag gebe der Architekt ein bindendes Angebot ab, das der AG später annehmen könne, aber nicht müsse. "Vereinbart" im Sinne des § 55 HOAI 2009 würden die weiteren Leistungen erst mit Annahme des Angebots, das heißt dem Abruf, sofern – wie mittlerweile wohl im Regelfall – die Verträge ausdrücklich den weiteren "Abruf" als aufschiebende Bedingung regeln, wird man dies wohl anders sehen müssen. Dieser Auffassung hat sich der BGH angeschlossen: Maßgeblich sei nicht der Zeitpunkt der vorab getroffenen Honorarvereinbarung, sondern allein der Zeitpunkt der Beauftragung der Leistung.
Hinzuweisen ist auch auf die diesbezüglichen Anweisungen der öffentlichen Hand.
Rz. 15
Es ist allerdings zu beachten, dass die Anwendbarkeit einer neuen HOAI nicht zwingend auch eine Änderung der Vergütungsbemessung zur Folge hat. Nur wenn die ursprünglich vereinbarte Vergütung unter dem Mindestsatz der nun geltenden HOAI liegt, muss das Honorar entsprechend angepasst werden und auf die neu geltenden Mindestsätze angehoben werden. Es ändert sich also lediglich der Prüfungsmaßstab, an dem die Vergütungsvereinbarung der Parteien gemessen wird.
Rz. 16
Am 4.7.2019 hat der EuGH ein lang erwartetes Grundsatzurteil dazu gefällt, ob die verbindlichen Preisregelungen der HOAI gegen Art. 15 Abs. 1, 2 lit. g) und Abs. 3 Richtlinie 2006 / 123 EG verstoßen. Mit diesem Urteil stand fest, dass ein Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die Verpflichtung aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 lit. g) und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie durch die Vorgabe verbindlicher Honorare für die Planungsleistung von Architekten und Ingenieuren vorlag.
Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat hierauf durch die Anpassung der HOAI und ihrer Ermächtigungsgrundlage reagiert.
Unmittelbar danach entbrannte ein Meinungsstreit darüber, ob das verbindliche Preisrecht mit dieser Entscheidung für Altfälle hinfällig war oder erst nach der Anpassung der HOAI unanwendbar würde.
Zu dieser Frage und den daraus resultierenden Konsequenzen, insbesondere im Rahmen sog. "Aufstockungsklagen" durch nationale Gerichte, hat der BGH in der Folge durch Vorlagebeschluss v. 14.5.2020 dem EuGH gem. Art. 267 I lit. a) AEUV die Fragen vorgelegt, ob (1) aus dem Urteil des EuGH vor dem Hintergrund des Unionsrechts folgt, dass die Entscheidung auch in einem Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen unmittelbare Wirkung entfaltet und daher die Regelungen des § 7 der HOAI 2013 nicht mehr anzuwenden seien sowie ob (2) im Fall des Verneinens der ersten Frage in den Regelungen verbindlicher Mindestsätze in § 7 HOAI 2013 ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV zu sehen sei und weiter (3) ob bei einem Bejahen dieser Frage dann folge, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen diese Regelung nicht mehr anzuwenden sei. Dabei hatte der BGH zu erkennen gegeben, dass er zu einer weiterlaufenden Anwendung des verbindlichen Preisrahmens tendiere.
Mit Urt. des EuGH vom 18.1.2022 hat der EuGH dann klargestellt, dass durch die nationalen Gerichte die entsprechenden Regelegungen der HOAI 2013 auch weiter angewendet werden dürfen, da dem Einzelnen eine Richtlinie keine Verpflichtung auferlegen könne. Allerdings könnten aufgrund innerstaatlichen Rechts solche Anwendungen durch das Gericht ausgeschlossen werden und die durch die fehlerhafte Umsetzung der Richtlinie in der HOAI 2009 und 2013 geschädigte Partei könne ggf. von der Bundesrepublik Deutschland den Ersatz des unmittelbar hierauf bestehenden beruhenden Schadens verlangen.
Konsequenterweise hat der BG...