Rz. 155
Im Zusammenhang mit der Kündigung und der darauffolgenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen um die Erteilung eines Zeugnisses. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses tituliert, richtet dich die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nach § 888 ZPO, mithin nach den Grundsätzen über die Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung. Nur der Arbeitgeber selbst ist in der Lage, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers umfassend zu beurteilen und in einem Zeugnis niederzulegen. Es ist auch von ihm zu unterschreiben. Ein Dritter ist von außen hierzu nicht in der Lage.
Rz. 156
Praxishinweis
Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber wegen der Größe des Betriebes den Arbeitnehmer selbst nicht kennt, sondern auf Auskünfte der Vorgesetzten des Arbeitnehmers angewiesen ist. Nur der Arbeitgeber ist nämlich aufgrund des arbeitsrechtlichen Weisungsrechtes berechtigt – und verpflichtet – diese Auskünfte auch tatsächlich einzuholen.
Rz. 157
Soweit sich die Zwangsvollstreckung des Anspruches auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses in der Praxis als problematisch erweist, ist dies regelmäßig auf eine unzureichende Bestimmung des Anspruchs im Erkenntnisverfahren zurückzuführen.
Rz. 158
Ist allein der Anspruch auf "Erteilung eines Arbeitszeugnisses" tituliert, hat der Arbeitnehmer regelmäßig nur den Anspruch auf ein einfaches Arbeitszeugnis. Da es an gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt eines Zeugnisses und dessen Form fehlt, muss das Zeugnis allein in einer Form vorgelegt werden, die den Voraussetzungen genügt, die im Geschäftsleben an ein Zeugnis gestellt zu werden pflegen. Dazu soll die Herstellung in der Schriftgröße 10 Punkt gehören.
Rz. 159
Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis oder wird die Erteilung eines solchen qualifizierten Zeugnisses im Vergleichswege tituliert, so stellt sich die Zwangsvollstreckung als problematisch dar. Im Vollstreckungsverfahren kann nämlich nicht geprüft werden, ob das Zeugnis inhaltlich zutreffend ist. Auch hinsichtlich des qualifizierten Zeugnisses können im Zwangsvollstreckungsverfahren lediglich Fragen der äußeren Form überprüft werden. Ein qualifiziertes Zeugnis muss jedenfalls Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthalten und sich darüber hinaus auf Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis erstrecken. Es ist nicht ausreichend, nur die Leistung oder das Verhalten zu beurteilen, da das Zeugnis ein Gesamtbild ergeben soll. Die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit muss vielmehr im Wege des ordentlichen Erkenntnisverfahrens geltend gemacht werden. Ein Vergleich, der lediglich ein "wohlwollendes Zeugnis" zum Inhalt hat, ist mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig; Gleiches gilt für die Formulierung "das seiner weiteren beruflichen Entwicklung dienlich ist". Die Formulierung in einem Vollstreckungstitel, wonach sich die Arbeitgeberin zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht ("gute Beurteilung von Leistung und Verhalten"), soll die Bestimmtheitsvoraussetzungen dagegen erfüllen. Auch die Verpflichtung des Arbeitgebers in einem gerichtlichen Vergleich, ein Zeugnis nach einem vom Arbeitnehmer noch zu erstellenden Formulierungsvorschlag zu erteilen, ist nicht vollstreckbar.
Rz. 160
Praxishinweis
Für die Praxis dürfte es sich empfehlen, den Zeugnistext im Klageantrag zu formulieren oder aber bei einer vergleichsweisen Titulierung des Anspruchs auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, den Text des Zeugnisses zum Gegenstand der Verhandlungen und nachfolgend zum Gegenstand des Vergleiches zu machen. Dabei muss beachtet werden, dass der Text Bestandteil des Vergleiches werden muss. Allein die Bezugnahme auf anderweitige Schriftstücke ist hierzu unzureichend, wenn der Zeugnistext weder im Vergleichstext wiedergegeben wird, noch nach § 160 Abs. 5 ZPO als Anlage zum Protokoll und Vergleich genommen wurde. Auch die Titulierung oder Vereinbarung in einem Prozessvergleich, dass ein Zeugnis nach einem vom Arbeitnehmer noch zu erstellenden Formulierungsvorschlag zu erteilen ist, ist nicht ausreichend, weil nicht vollstreckbar.
Rz. 161
Ziel des Erkenntnisverfahrens muss es daher sein, den Anspruch auf Erteilung des Arbeitszeugnisses so präzise zu fassen, dass die ergehende Entscheidung oder der vereinbarte Vergleich eine Zwangsvollstreckung als solches entbehrlich machen. Anderenfalls kann nicht verhindert werden, dass die Gefahr besteht, dass der tatsächliche Inhalt des Zeugnisses in einem weiteren Erkenntnisverfahren zu klären ist. In keinem Fall sollte schon im Erkenntnisverfahren darauf verzichtet werden, im Einzelnen festzulegen, zu welchen Fragen sich das qualifizierte Zeugnis zu verhalten hat. Hat sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, bei der Erteilung des Arbeitszeugnisses nur dann von einem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers abzuwei...