Rz. 191
Nach § 61 Abs. 2 ArbGG kann das Arbeitsgericht auf gesonderten Antrag des Klägers neben der Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung festlegen, dass der Schuldner diese Handlung binnen einer bestimmten Frist vorzunehmen hat. Weiter kann festgelegt werden, dass der Schuldner nach fruchtlosem Fristablauf verpflichtet wird, eine vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzende Entschädigung zu zahlen, sodass sich die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung insoweit in eine Zahlungsverpflichtung wandelt.
Rz. 192
Stellt der Gläubiger diesen Antrag, muss er sich bewusst sein, dass er damit letztlich seinen Anspruch auf zwangsweise Durchsetzung des titulierten Anspruches auf Vornahme einer Handlung nach dem Fristablauf endgültig verlieren kann. § 61 Abs. 2 S. 2 ArbGG ordnet nämlich an, dass die Zwangsvollstreckung nach den §§ 887 und 888 ZPO bei einer Fristsetzung und Festsetzung einer Entschädigung ausgeschlossen ist.
Rz. 193
Praxishinweis
Der Bevollmächtigte muss mit seinem Mandanten also im Einzelnen klären, ob das Erfüllungsinteresse von zentraler Bedeutung ist, oder ob er sich auf das Liquidationsinteresse beschränken möchte, wenn der Schuldner die Leistung nicht freiwillig erfüllt. Zur Vermeidung späterer Haftungsfälle sollte der Bevollmächtigte diese Interessenabwägung und ihre Entscheidung dokumentieren, d.h. zumindest in einem Anschreiben an den Mandanten festhalten und bestätigen.
Rz. 194
Der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung einer Frist muss keine bestimmte Frist enthalten. Vielmehr kann sich der Gläubiger darauf beschränken, die Festsetzung einer angemessenen Frist zu beantragen.
Rz. 195
Praxishinweis
Eine feste Frist sollte der Gläubiger allerdings dann beantragen, wenn die zu vornehmende Handlung nach diesem Zeitpunkt für ihn kein Interesse mehr hat – etwa bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung, der Ausfüllung der Arbeitspapiere oder der Zeugniserteilung –, weil er ab diesem Zeitpunkt eine neue Beschäftigung aufnimmt.
Rz. 196
Das Gericht hat auf den Antrag des Gläubigers im Einzelfall zu beurteilen, ob die von ihm angeregte Fristsetzung angemessen ist, damit der Schuldner die vorzunehmende Handlung tatsächlich vornehmen kann, d.h. ihm durch die Fristsetzung die Handlung selbst nicht unmöglich gemacht wird.
Rz. 197
Praxishinweis
Der Bevollmächtigte des Schuldners sollte darauf hinweisen, dass die Frist jedenfalls über die Rechtsmittelfrist hinaus reichen muss, da dem Schuldner die Möglichkeit gegeben werden muss, seine Verpflichtung zur Vornahme einer vertretbaren oder unvertretbaren Handlung weiterhin zu bestreiten und dies im Rechtsmittelwege geltend zu machen.
Rz. 198
Wird der Schuldner in einer § 61 Abs. 2 ArbGG entsprechenden Weise verurteilt und legt er hiergegen – erfolglos – Rechtsmittel ein, so hemmt das Rechtsmittel die Frist zur Erfüllung der vertretbaren oder unvertretbaren Handlung. Die Handlung kann mithin noch innerhalb der gesetzten Frist nach Zustellung des den Rechtsstreit beendenden Urteils erfolgen.
Rz. 199
Beispiel
Das Arbeitsgericht verurteilt den Schuldner zur Erteilung einer Auskunft binnen sechs Wochen nach Zustellung des – erstinstanzlichen – Urteils. Der Schuldner bestreitet seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung und legt Berufung gegen das Urteil ein. Die Berufung wird als unbegründet zurückgewiesen, der Schuldner hat nunmehr sechs Wochen nach Zustellung des Berufungsurteils die Möglichkeit, die Auskunft zu erteilen, bevor die Umwandlung des Handlungsanspruches in einen Zahlungsanspruch in Betracht kommt.
Ist die Frist abgelaufen, und nimmt der Schuldner nunmehr gleichwohl die geschuldete Handlung vor, verliert der Gläubiger seinen Anspruch auf die Entschädigungssumme, wenn er die Vornahme der Handlung annimmt.
Rz. 200
Die zu leistende Entschädigung muss von dem Gericht als angemessene Entschädigung in einer Geldsumme in bestimmter Höhe festgelegt werden. Der Bevollmächtigte des Gläubigers ist insoweit mit seinem Antrag verpflichtet, im Einzelnen darzulegen, dass ihm überhaupt ein Schaden durch die unterlassene Vornahme der vertretbaren oder unvertretbaren Handlung entstehen kann. Insoweit ist jedenfalls ein Rahmen für die Höhe der angemessenen Leistung zu bestimmen.
Rz. 201
Auch wenn es dem Gericht obliegt, die angemessene Entschädigungsleistung festzusetzen, so ist es doch Aufgabe des Gläubigers im Einzelnen die dafür maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. So besteht etwa kein Anspruch auf Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG bei Nichterteilung der Auskunft über die Zahl und den Umfang der Beschäftigung von Arbeitnehmern, wenn die klagende Sozialkasse nicht vorträgt, aufgrund welcher Anhaltspunkte sie von der Beschäftigung wie vieler Arbeitnehmer in welchen Monaten ausgeht. Eine pauschale Annahme, es sei jeden Monat ein gewerblicher Arbeitnehmer und ein Angestellter beschäftigt worden, ist unzulässig und rechtfertigt keine Entschädigung in Höhe von 80 % der möglicherweise entgehenden (Durchschnitts-)Beiträge für j...