Fünf Strategien, den passenden Lehr-Coach zu finden

Wer Coach werden will, ist mit den Ange­bo­ten von derzeit rund 400 Aus­bildungs­insti­tu­ten schnell überfordert. Wir zeigen fünf Strategien auf, in diesem Dickicht den passenden Lehr-Coach für sich zu finden. Es gilt, "seinen" Meister zu suchen.

Bei seinen Terminen sei er nur noch dabei, Hausbesitzer emotional zu beruhigen, sagte ein Heizungsinstallateur neulich im Lokalradio als er zum aktuellen Gebäudeenergiegesetz interviewt wurde. Er fühle sich wie ein Psychologe, der in einer "aufgeheizten" Stimmung zum Coaching verdammt sei. Der Installateur gab offen zu, dem Faktor Mensch hilflos gegenüberzustehen. Er kann technisch sinnvolle Angebote machen, versteht aber die Angst und die innere Zerrissenheit in Sachen Klimakrise der Hausbesitzer nicht. Aber immerhin hat er ein Gespür dafür, dass ihm die Eigenschaften eines guten Coaches helfen könnten – auch wenn es wahrscheinlich nie dazu kommen wird, dass er aufgrund seines beruflichen Hintergrunds eine entsprechende Ausbildung anfängt.

Menschen, die wütend oder ratlos sind, dazu zu bringen, ihre Emotionen angemessen herunterzufahren, um angeleitet von klugen Fragen lösungsorientiert nachzudenken – das ist eine große Kunst, die man in der Regel nur in einer professionellen Coaching-Weiterbildung kennenlernt und geduldig einüben muss. Jörg Middendorf, Experte für lösungsorientiertes Coaching, spricht in seinem Buch "Das Coaching-Business" von 400 Akademien oder Institute, die auf ganz unterschiedliche Art Coaches "ausbilden". Da Coach in Deutschland kein staatlich geregelter Ausbildungsberuf ist, darf man streng genommen nicht von einer Coach-Ausbildung, sondern nur von einer Weiterbildung zum Coach reden. Dem steht natürlich nicht entgegen, dass Lehr-Coaches institutseigene Zertifizierungen und manche Coaching-Verbände auch Akkreditierungen verleihen, aber Coach ist nun einmal kein Ausbildungsberuf. Einige der wichtigen Coaching-Verbände haben sich immerhin auf Mindeststandards geeinigt. Eine Basisweiterbildung zum Coach sollte demnach 150 Zeitstunden dauern und sich auf zum Beispiel zehn (in der Regel berufsbegleitende) Module verteilen, die nacheinander in einem Zeitraum von rund zwölf Monaten abgehalten werden sollten. Natürlich kann man auch viel kürzer, aber auch viel länger zum Coach heranreifen. Die Stiftung Warentest hatte 2013 den Coaching-Markt untersucht und empfahl für die Basisqualifikation zum Coach 250 Zeitstunden Unterricht, weil es doch eine Menge an Psychologie zu erlernen gebe. Die Vielzahl unterschiedlicher Wege, das Basis-Know-how eines Coaches zu erlangen, bedeutet, dass jeder für sich selbst einen Suchprozess starten muss. Folgende fünf Fragen bieten eine grundsätzliche Orientierung: 

1. Bereit, die eigene Zielsetzung zu erforschen?

Je genauer man weiß, warum man eine Weiterbildung zum Coach machen will, desto eher findet man das passende Angebot. Was soll nach einer Coach-Weiterbildung anders sein als jetzt? Welche konkreten Kompetenzen fehlen am meisten? Wie viel Zeit und Geld soll investiert werden? Wer möglichst rasch ein Coach-Zertifikat braucht, um mit Business-Coaching das vermeidlich große Geld zu verdienen, wird eher nach einer "Schnellbleiche" suchen, die ihn nach drei Monaten zum Profi erklärt. Wer dagegen später einmal im Management ein hochwertiges Coaching abliefern und weiterempfohlen werden will, sollte sich über Folgendes klar sein: Wer unter komplexen Rahmenbedingungen Coach sein will, braucht vor allem auch die Fähigkeit mit Paradoxien, Dilemmata, Ambiguitäten, Polaritäten und Konflikten zu jonglieren. Um das zu lernen, muss man eine Weiterbildung mit speziellen Lehrkonzepten finden.

2. Bereit, nach einem passenden Lehr-Coach zu suchen?

Die Hirnforschung sagt: Wenn ein Coaching gelingen soll, dann muss von Anfang an die Chemie zwischen Klient oder Klientin und Coach stimmen. Dasselbe gilt auch für die Beziehung von angehendem Coach zu seinem Lehr-Coach. Ein vertrauensvolles, von gegenseitiger Sympathie geprägtes Lehrling-Meister-Arbeitsbündnis (Apprenticeship) gilt für das Lernen von Coaching-Kompetenzen als der Wirkfaktor Nummer eins. Heutzutage werden in vielen Berufsfeldern immer noch komplexe Fähigkeiten, für die eine soziale Interaktion benötigt werden, durch Meister an Schüler weitergegeben. Das Motto heißt: beobachten, nachmachen, üben und sich schrittweise an ein Ideal annähern. 

Überlegen Sie sich vorher, wie ein Lehrer aussieht, der Sie weiterbringen kann. Wenn Sie in die Profiliga aufsteigen wollen, sollte er nicht nur nett, sondern auch fordernd sein. Und er sollte nicht nur die Coaching-Tools erklären, sondern auch dabei helfen können, dass ein Anfänger oder eine Anfängerin einen individuellen Coaching-Stil entwickelt. Wer nach seiner Weiterbildung für sich erfolgreich Coaching-Aufträge akquirieren möchte, sollte auch wissen: Der Ruf des Lehr-Coaches in der Coaching-Branche und in der Personalentwicklerszene gilt trotz der Bedeutung von Zertifikaten immer noch als das verlässlichste Kriterium für Erfolge als Business-Coach. Zertifikate hängen von Gutachtern und ihren Prüfverfahren ab. Ein Meister ist ein Meister und jeder denkt: Er wird seine Schüler schon gut vorbereitet ins Leben hinausgeschickt haben. "Der Ruf des Ausbilders zählt", sagt zum Beispiel Martin Wehrle, der zu den bekanntesten Karriere-Coaches zählt. 

Wenn der potenzielle Lehr-Coach nicht von sich aus zu einem Kennenlerngespräch einlädt, sollte man ihn darum bitten. Wie nachvollziehbar wird begründet, dass man qualitativ hochwertig ausbildet? Zusätzlich sollte man sich ein außerordentliches Kündigungsrecht nach Ablauf des ersten Moduls zusichern lassen, falls Lehr-Coach oder die anderen Teilnehmenden doch nicht zu einem passen. Ein guter Lehr-Coach sollte sich gut in mehreren Methoden auskennen, Vorträge auf den Kongressen angesehener Verbände halten, selbst Fachartikel oder Bücher geschrieben haben und vor allem selbst im Business coachen und nicht nur ausbilden. 

3. Bereit zur Persönlichkeitsentwicklung?

Coaching kann bedeuten, dass eine Führungskraft Fragen hat, die auf fehlende Fähigkeiten (zum Beispiel: "Wie kann ich mehr delegieren?") hinweisen, die erklärt und eventuell trainiert werden müssen. Coaching kann aber auch mit inneren Konflikten und verborgenen Motiven zu tun haben. Jemand weiß zwar, wie man effektiv delegiert, tut es aber nicht, weil er seine Mitarbeitenden überfordern würde und dann kein beliebter Chef mehr wäre. Wer später einmal seinen Fokus auf die Persönlichkeitsentwicklung seiner Klienten legen will, sollte zuerst an seiner eigenen Persönlichkeit arbeiten und sich eine Weiterbildung suchen, die sich um seine Coach-Persönlichkeit kümmert. Dazu gehört, dass der Lehr-Coach sich intensiv mit dem einzelnen Teilnehmenden befasst und über die gesamte Weiterbildung seine Entwicklung mit wichtigen Impulsen begleitet. 

4. Bereit für das Lernen in der Peergroup?

Coaching-Kompetenzen erlernt man nur, wenn man sie einübt. Es hat sich eingebürgert, dass die Teilnehmenden einer Weiterbildung freiwillig Kleingruppen (Peergroups) bilden, die sich dann zwischen den Modulen selbstorganisiert zum Üben von Gesprächstechniken und Coaching-Sequenzen treffen. Der entsprechende Zeitaufwand an diversen Nachmittagen und die Reisekosten müssen zusätzlich bedacht werden. Nach dem Motto "Gleich und Gleich gesellt sich gern" geht die Arbeit in den Kleingruppen, in denen man sich oft auch gegenseitig coacht, in der Regel gut voran, wenn die Teilnehmenden aus ähnlichen Verhältnissen kommen und/oder ähnliche berufliche Interessen haben. Wenn es Reibereien gibt, sollte der Ausbildende in der Lage sein, diese Konflikte im Sinne einer Lernchance zu bearbeiten.

5. Bereit für die Methodenintegration?

"Der systemische Ansatz ist die Leitwissenschaft der deutschen Coaching-Szene", sagen 61,5 Prozent der Coaches, die von der Marburger Coaching-Marktanalyse 2021/2022 befragt wurden. Kritiker befürchten, dass sich moderne Coaches immer gleich auf das System stürzen, ohne zu analysieren, ob das Anliegen eines Klienten wirklich etwas mit seiner Beziehung zur Umwelt zu tun hat. Ein Mensch, der Angst hat, vor Gruppen frei zu sprechen, ist oft nur zu sensibel. Ihm kann durch eine Verhaltenstherapie viel besser geholfen werden als durch eine Arbeit mit seiner Familie oder anderen Umwelten. Gleichwohl gilt es heute als selbstverständlich, dass ein Führungskräfte-Coach systemisch im Sinne der Systemtheorie arbeiten kann. Tatsache ist aber auch, dass die Vielzahl der psychologischen Richtungen, die im Coaching zum Tragen kommen, einige Ähnlichkeiten aufweisen. 

Der Hirnforscher Gerhard Roth forderte in seinem Buch "Coaching und Beratung in der Praxis" (2019) dazu auf, dass alle Coaching-Ansätze dahingehend untersucht werden sollten, welche einzelnen Methoden bei welchen Klienten und welchen Problemen nachweislich wirkten. Coaches sollten niemals dogmatisch-schulbuchmäßig, sondern sich am besten immer am jeweiligen Individuum ausrichten, das vor ihnen sitzt. Es könnte ein Werkzeugkasten zusammengestellt werden, der Interventionen aus verschiedenen Ansätzen enthält und aus dem sich dann jeder Coach, egal welcher psychologischen Schule er angehört, bedienen dürfte. 

Klaus Eidenschink, DBVC-Senior-Coach und Chef des Hephaistos Coaching-Zentrum in München, fordert schon lange, dass die einseitige Orientierung an Tools, Vorgehensweisen, Techniken und Interventionsszenarien, die derzeit am Ausbildungsmarkt herrscht, zu Ende gehen müsse. "Es braucht keine psychodynamischen, keine systemischen, keine lösungsorientierten Coaches. Es braucht Coaches, die ein integratives Verständnis von veränderungswirksamen Faktoren haben und alle Möglichkeiten des Intervenierens situationsgerecht und gemäß ihrem individuellen Stil einsetzen können."

Dieser Beitrag ist erschienen in neues lernen, Ausgabe 4/2023, das Fachmagazin für Personalentwicklung. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der App personalmagazin - neues lernen.


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