Arbeitsorganisation: Mitarbeiterpotenzial häufig ungenutzt

Fast ein Fünftel aller Erwerbstätigen in Deutschland sind unterhalb ihrer erworbenen Qualifikation beschäftigt - trotz Fachkräftemangels. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Hohenheim im Auftrag der IG Metall Baden-Württemberg.

"Die Untersuchungen ergeben, dass in Deutschland mehr als jede sechste Arbeitskraft mit einem berufsqualifizierenden Bildungsabschluss als unterwertig beschäftigt beziehungsweise überqualifiziert einzustufen ist (17,6 Prozent)", betont der Autor der Studie, Ralf Rukwid von der Universität Hohenheim. Bei den Akademikern läge der Anteil aktuell sogar etwas höher als bei den Nicht-Akademikern (18,9 Prozent gegenüber 17,2 Prozent im Jahr 2010). Zudem habe sich der Anteil der unterwertig beschäftigten Akademiker seit Mitte der 1980er Jahre deutlich erhöht, so Rukwid weiter. Insgesamt zeigt die Studie, dass ein erhebliches Potenzial brach liegt, das nicht genutzt wird.  

Mit Blick auf die aktuelle Fachkräftedebatte unterstreicht Jörg Hofmann, IG Metall-Bezirksleiter in Baden-Württemberg, die Brisanz des Themas: "Die Beschäftigten müssen stärker als bisher die Chance erhalten, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Ausübung ihres Berufes auch tatsächlich einzubringen und weiterzuentwickeln." Ohne ein Umsteuern würde man die Bemühungen in den Fragen von Aus- und Weiterbildung letztlich ins Leere laufen lassen, warnt Hofmann die Unternehmen.

Ursachen für die Unterforderung

Die Ursachen für das hohe Ausmaß der Beschäftigung unterhalb des Niveaus der individuellen Qualifikation sowie die ungleiche Betroffenheit sind vielfältig. Relevant sind laut den Studienautoren unterschiedliche Verwertungschancen einzelner Ausbildungs- und Studiengänge, aber auch gruppenspezifische Benachteiligungen (z.B. bei Personen mit Migrationshintergrund) oder atypische Beschäftigungsverhältnisse (Befristungen, Teilzeit, Mini-Jobs).

Eine große Rolle spiele allerdings auch die Arbeitsorganisation und Personalpolitik der Unternehmen, die vorhandene Qualifikationen nicht nutzen und entwickeln, heißt es in der Untersuchung. Beispiele hierfür gibt es viele: Der Ingenieur der nicht entwickelt, sondern durch Routineaufgaben in der Verwaltung oder der Fertigung gebunden ist. Der Facharbeiter dessen ursprüngliche Qualifikation an Wert verliert, da er keine Weiterbildung erhält.

Professionelle Personalentwicklung ein Muss

Hofmann sieht die Unternehmen in der Pflicht, ihr Personalmanagement zu überdenken. Wichtig sei es zuallererst die  Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erfassen und darauf aufbauend individuelle Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Erworbene Qualifikation müsse letztlich auch durch Weiterbildung erhalten bleiben. Beides scheitere heute in der Mehrzahl der Betriebe jedoch an einer fehlenden systematischen Weiterbildung und Personalentwicklung, gibt Hofmann zu bedenken.