Handlungspflichten für Arbeitgeber bei Mobbing

Arbeitgeber müssen bei Mobbing im Unternehmen tätig werden. Jedenfalls, wenn sie konkrete Hinweise darauf erhalten, dass Mitarbeitende diskriminiert oder ihre Persönlichkeitsrechte verletzt werden, zeigt eine Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein. Wie sich eine Haftung des Arbeitgebers vermeiden lässt - ein Überblick.

Arbeitnehmer sind bei Mobbinghandlungen durch Kollegen nicht schutzlos: Sie können sich an den Arbeitgeber wenden. Dieser ist seinerseits zum Handeln verpflichtet - sobald er Kenntnis von persönlichkeitsverletzenden Handlungen oder auch Diskriminierungstatbeständen erlangt. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Urteil vom 11. Oktober 2023, Az. 6 Sa 48/23) zeigt, wie weit die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht geht.

Worum ging es?

Eine Zahnarzthelferin verklagte ihren Arbeitgeber auf 40.000 Euro als "Schmerzensgeld" für Verletzungen ihres Persönlichkeitsrechts durch Kolleginnen. Sie machte geltend, Kolleginnen hätten über sie gelästert, wenn sie in der Nähe gewesen sei. Sie habe sich wegen ihrer polnischen Herkunft und auch wegen ihres katholischen Glaubens benachteiligt gesehen. Der Arbeitgeber sei trotz ihres Hinweises nicht dagegen vorgegangen. Dadurch sei sie schließlich arbeitsunfähig geworden. Allerdings konnte die Arbeitnehmerin nicht nachweisen, dass der Arbeitgeber über die entsprechenden Mobbinghandlungen der Kolleginnen zügig und ausreichend klar informiert worden sei. Die Klage wurde daher - in zwei Instanzen - abgewiesen. 

Arbeitgeber müssen bei Hinweisen tätig werden

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aus dieser Entscheidung einiges lernen. Therapeuten und Ärzte empfehlen häufig sogenannten Mobbing-Opfern, ein "Tagebuch" zu führen, in dem die jeweiligen Ereignisse genau protokolliert werden. Das Tagebuch steht dann später als Nachweisdokument zur Verfügung. Arbeitgeber müssen jedenfalls, wenn sie konkrete Hinweise darauf erhalten, dass Mitarbeiter diskriminiert werden oder die Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern verletzt werden, selbst tätig werden und entsprechende Nachforschungen anstellen (Internal Investigation).

Stellen sich die Vorwürfe dann als begründet heraus, sind Arbeitgeber aus ihrer Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, Maßnahmen zu treffen. Dies kann etwa die Versetzung von anderen Kollegen oder auch des betroffenen Mitarbeiters umfassen, aber auch den Ausspruch von Ermahnungen, Abmahnungen bis hin zu Kündigungen von anderen Mitarbeitenden. Es ist auch denkbar, dass entsprechende Beschwerden oder Hinweise über das Hinweisgebersystem des Unternehmens eingehen. Entscheidend ist stets, dass Arbeitgeber hier nicht untätig bleiben, sondern sich zu ihrer Fürsorgepflicht bekennen. 

Positive Verhaltenspflichten

Noch besser ist es freilich, wenn Unternehmen proaktiv in die Belegschaft hineinwirken, indem sie positiv entsprechende Verhaltenspflichten kommunizieren und umsetzen. Viele Unternehmen haben sogenannte Codes of Conduct, in denen Leitlinien für einen respektvollen Umgang unter den Mitarbeitern genannt werden. Diese Codes of Conducts sind zum Teil, wenn Pflichten der betrieblichen Ordnung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen sind, mitbestimmungspflichtig, so dass mit dem Betriebsrat hierüber eine Betriebsvereinbarung zu schließen ist. Sie sind dann für die Arbeitnehmer normativ verbindlich. 

Die Nachweispflicht 

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein macht deutlich, dass Arbeitgeber gut daran tun, etwaige Aufklärungsmaßnahmen, Handlungen und Reaktionen ausreichend zu dokumentieren, um gegenüber später gegebenenfalls eingeleiteten Prozessen vor dem Arbeitsgericht ausreichend substantiiert darlegen zu können, was getan worden ist. Ein Teil der Problematik besteht auch darin, dass der Begriff "Mobbing" unspezifisch und rechtlich nicht fassbar ist. Zudem wird der Begriff von den Betroffenen jeweils anders verstanden und unterliegt auch gewissen kulturellen Bedingtheiten. 

Schadensersatz und Entschädigung: Vorsicht walten lassen

In Diskriminierungsfällen wird der Anspruch auf Entschädigung auf § 15 Abs. 2 AGG gestützt. In Deutschland sind die Entschädigungssummen traditionell nicht besonders hoch, weil eine große Zurückhaltung bei der Quantifizierung immaterieller Schäden besteht. Dies ist im anglo-amerikanischen Bereich anders. Dort drohen in Diskriminierungsfällen häufig Schadensersatzsummen im siebenstelligen Bereich. Diese werden verhängt, um beim Unternehmen Abschreckungswirkung hervorzurufen (Punitive Damages). Auch der mit einer Diskriminierungsklage in den USA verbundene Aufwand und die Kosten für die Rechtsverfolgung bzw. Abwehr der Kosten sind ungleich höher. Insofern müssen auch gerade international tätige Unternehmen hier Vorsicht walten lassen. 


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