Dynamische Bezugnahmeklausel bindet nicht kirchlichen Arbeitgeber

Nach einem Betriebsübergang ist der Erwerber an eine im Arbeitsvertrag vereinbarte dynamische Bezugnahmeklausel gebunden – auch wenn diese den weltlichen Arbeitgeber auf kirchliches Arbeitsrecht verweist. Das BAG bestätigt mit diesem Urteil seine Linie zur Bezugnahme.

Mit einer neuen Entscheidung führt das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zur Geltung dynamischer Bezugnahmeklauseln nach einem Betriebsübergang fort. Zuletzt hatten die obersten Arbeitsrichter für den Fall Asklepios bereits entschieden, dass der Be­triebs­er­wer­ber an dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­seln im Arbeitsvertrag gebunden bleibt. Mit seinem Urteil vom 27.04.2017  hatte der EuGH die Rechtsprechung des BAG weitestgehend bestätigt.

Im aktuellen Fall entschied das BAG nun zu einem im Rettungsdienst beschäftigten Arbeitnehmer. Dieser hatte eine dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart, die auf Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en (AVR) eines kirch­lich ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber verweist. Das BAG hat nun entschieden, dass diese Klausel auch den (weltlichen) Erwerber weiter bindet, für den sonst kein kirchliches Arbeitsrecht gilt.

Betriebsübergang: Weltlicher Arbeitgeber übernimmt von kirchlichem Arbeitgeber

In dem konkreten Fall übernahm ein weltlicher Erwerber den Betrieb eines kirchlichen Arbeitgebers im Wege eines Betriebsübergangs. Der betroffene Arbeitnehmer war seit 1991 bei seinem Arbeitgeber, welcher beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche angeschlossen war, im Rettungsdienst beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag war vereinbart, dass die AVR des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland in der "jeweils gültigen Fassung" – also dynamisch – gelten sollten. Zum Rechtsstreit kam es, als das Arbeitsverhältnis 2014 auf eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) überging, welche die Dynamik der Klausel nicht anerkennen wollte. 

Arbeitgeber an dynamische Bezugnahmeklausel gebunden?

Die gGmbH selbst ist kein Mitglied des Diakonischen Werks und kann dies auch nicht werden. Als weltlicher Arbeitgeber wollte die sie die AVR im Arbeitsverhältnis der Parteien deshalb nur noch statisch mit dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Stand anwenden. An Änderungen in diesem Regelungswerk, die nach dem Betriebsübergang erfolgten sei man nicht gebunden, lautete die Begründung. Schließlich habe man auf den Inhalt der AVR weder direkt noch mittelbar Einfluss nehmen könne. #

Die für die AVR beschlossenen Entgelterhöhungen gab sie in Folge dessen nicht an den Arbeitnehmer weiter. Dieser begehrte sodann vor Gericht die Zahlung des erhöhten Entgelts. 

Bezugnahmeklausel: Dynamik gilt nach Betriebsübergang weiter

Die Vorinstanzen hatten der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben. Auch das Bundesarbeitsgericht teilte die Auffassung des erwerbenden Arbeitgebers nicht: Die Revision blieb erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Begründung aus, dass der Erwerber bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Teil der weitergeltenden Pflichten sei die arbeitsvertraglich vereinbarte Bindung an das in den AVR geregelte kirchliche Arbeitsrecht.

Dynamische Bezugnahme auch für nicht kirchlichen Arbeitgeber verpflichtend

Das Bundesarbeitsgericht machte deutlich, dass es für die dynamische Geltung der AVR nicht darauf ankommt, ob es sich bei dem Arbeitgeber um einen kirchlichen Arbeitgeber handelt. Wenn im Arbeitsvertrag auf die AVR in der „jeweils geltenden Fassung“ verwiesen werde, verpflichte diese dynamische Bezugnahme auch den weltlichen Erwerber, Änderungen der AVR wie beispielsweise Entgelterhöhungen im Arbeitsverhältnis weiterzugeben, betonten die Richter. Dem stehe gemäß dem EuGH-Urteil zum Fall Asklepios auch Unionsrecht nicht entgegen

Hinweis: BAG, Urteil vom 23. November 2017, Az: 6 AZR 683/16 ; Vorinstanz: Sächsisches LAG, Urteil vom 17. März 2016, Az: 6 Sa 631/15


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