BAG zur Heimarbeit: Kein Schadenersatz neben Entgeltschutz

Ein Heimarbeiter kann, wenn der Auftraggeber sein Auftragsvolumen erheblich verringert, solange sogenannten Entgeltschutz verlangen, wie seine Kündigungsfrist dauern würde. Daneben steht ihm jedoch Schadenersatz nicht ohne Weiteres zu, entschied nun das BAG – und lehnte eine 140.000-Euro-Forderung zumindest teilweise ab.

Auch wenn es sich ähnlich anhört und häufig sprachlich nicht unterschieden wird: Rechtlich gesehen sind Heimarbeiter im Regelfall nicht mit Mitarbeitern im Homeoffice gleichzusetzen. Vielmehr existieren im Heimarbeitsgesetz (HAG) besondere Vorschriften für diese Gruppe. Danach, genauer nach § 2 Abs. 1 HAG, ist derjenige Heimarbeiter, der „in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen (Absatz 5) im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt“.

Heimarbeiter: keine Mitarbeiter im Homeoffice, keine Arbeitnehmer

Heimarbeiter zeichnet es also im Normalfall gerade aus, dass sie nicht in die Organisation des Auftraggebers eingebunden und auch nicht dessen Weisungen unterworfen sind. Sie sind jedoch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Auftraggeber ähnlich den Arbeitnehmern sozial schutzbedürftig. Eine dieser Schutzvorschriften des HAG betrifft zum Beispiel den sogenannten Entgeltschutz, sollte der Auftraggeber die Arbeitsmenge erheblich reduzieren (§29 Abs. 8 HAG).

Fragen dazu sowie zur Urlaubsabgeltung hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Fall beantwortet. Konkret entschieden die Bundesrichter, dass ein Heimarbeiter eine Sicherung des Verdienstes für die Dauer der Kündigungsfrist – jedoch nicht darüber hinaus – sowie Urlaubsabgeltung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verlangen kann.

Der Fall: Vergütung von Heimarbeit ohne Aufträge

Im konkreten Fall ging es um die Vergütung eines Heimarbeiters für einen Zeitraum von gut zweieinhalb Jahren sowie um dessen Urlaubsabgeltung. Der Kläger war – nach drei Jahren als Arbeitnehmer – mehr als 20 Jahre als Heimarbeiter für den ehemaligen Arbeitgeber tätig, konkret als selbständiger Bauingenieur/Programmierer und erbrachte regelmäßige Leistungen. Er arbeitete von zuhause an ihm zugewiesenen Projekten und stellte seine Tätigkeiten monatlich unter Bezugnahme auf vorgegebene Projektblätter und Stundenzettel in Rechnung. Urlaub nahm er in diesem Zeitraum "unbezahlt", auch eine Feiertagsvergütung erhielt er nicht.

Im Jahr 2013 teilte ihm der Auftraggeber mit, dass nach den "nunmehr erfüllten werkvertraglichen Leistungen" keine weiteren Aufträge mehr erteilt würden. Vielmehr werde das Unternehmen mit Ablauf des Jahres 2013 aufgelöst und liquidiert. Gegen dieses Vorgehen klagte der Ex-Mitarbeiter und erhielt letztlich rechtskräftig bestätig, dass ein Heimarbeitsverhältnis bestand und dieses erst Ende April 2016 beendet wurde. Mit der aktuellen Klage ging es ihm nun eben um die Vergütung und Urlaubsansprüche aus der Zeit zwischen Oktober 2013 und Ende April 2016.

Die Vorinstanzen: Schadenersatz zusätzlich zur Entgeltsicherung

Das Arbeitsgericht Hannover (Urteil vom 16.11.2017, Az. 2 Ca 355/16) gab dem Heimarbeiter überwiegend recht und hatte den Auftraggeber zur Zahlung von knapp 120.000 Euro verurteilt. Neben Urlaubsabgeltung und Feiertagsbezahlung war in den ersten sieben Monaten der Entgeltschutz nach § 29 Abs. 8 HAG die Grundlage. Den Hauptteil, also die Vergütung zwischen Juli 2014 und April 2016, sprach das Gericht dem Heimarbeiter als Schadenersatz zu.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen revidierte das erstinstanzliche Urteil, soweit es die Zahlungen zwischen Juli 2014 und April 2016 anging. Mit der Revision vor dem BAG verlangte der Heimarbeiter nun insgesamt knapp 140.000 Euro. Er verfolgte damit weiter das Ziel, auch Arbeitsentgelt beziehungsweise Schadensersatz für den Zeitraum nach der Kündigungsfrist (also vom 1. Juli 2014 bis 30. April 2016) zu erhalten. Zusätzlich verlangte er noch die vom Landesarbeitsgericht nicht zugesprochene restliche Urlaubsabgeltung für die Jahre 2014 und 2015.

BAG: Entgeltsicherung nach Heimarbeitsgesetz

Das BAG hat nun die Entscheidung des LAG Niedersachsen weitgehend gestützt. Die Revision hatte lediglich hinsichtlich der begehrten Urlaubsabgeltung Erfolg. In diesem Zusammenhang führten die BAG-Richter in ihrer Begründung aus, dass Heimarbeiter grundsätzlich keinen Anspruch auf Ausgabe einer bestimmten Arbeitsmenge haben. Da sie aber regelmäßig auf Aufträge angewiesen seien, sieht das HAG eine Entgeltsicherung als Kündigungsschutz vor.

Kündigt also der Auftraggeber das Heimarbeitsverhältnis, kann der Heimarbeiter gemäß § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist das Entgelt beanspruchen, das er durchschnittlich in den 24 Monate vor der Kündigung durch Heimarbeit erzielt hat. Dasselbe gilt gemäß § 29 Abs. 8 HAG, wenn der Auftraggeber nicht kündigt, sondern das Auftragsvolumen eines Jahres um mindestens ein Viertel verringert.

Ausgefallenes Entgelt: Kein Annahmeverzug, kein zusätzlicher Schadenersatz

Im vorliegenden Fall endete das Rechtsverhältnis erst Ende April 2016. Der Auftraggeber hatte jedoch zum Dezember 2013 keine Aufträge mehr erteilt, sodass § 29 Abs. 8 HAG anzuwenden ist. Die Entgeltsicherung nach § 29 Abs. 7 und Abs. 8 HAG stehe dem Heimarbeiter jedoch nur alternativ zu, betonte das BAG. Neben dem Entgelt für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist, im konkreten Fall handelte es sich um sieben Monate, kann der Heimarbeiter keine weitere Vergütung verlangen – auch wenn das Heimarbeitsverhältnis ohne weitere Aufträge von Juli 2014 bis April 2016 fortbestand.

Laut BAG bestehe auch kein Anspruch unter den Gesichtspunkten des Annahmeverzugs oder Schadensersatzes. Grundlage dafür wäre eine besondere Absprache der Parteien, die dem Heimarbeiter Projekte in einem bestimmten Umfang zuweise. Eine solche Vereinbarung existierte jedoch nicht.

Urlaubsabgeltung: Abwicklung nach Bundesurlaubsgesetz

Die noch ausstehende Urlaubsabgeltung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sprach das BAG dem Heimarbeiter jedoch zu. Die Höhe ist nach § 12 Nr. 1 BUrlG auf der Grundlage des Entgelts des Heimarbeiters in der Zeit vom 1. Mai des vergangenen bis zum 30. April des laufenden Jahres zu ermitteln.

Weil jedoch für den Urlaub aus dem Jahr 2014 im konkreten Fall nicht klar war, was der Heimarbeiter zwischen 1. Mai 2013 bis 30. April 2014 verdient hatte, musste das BAG den Fall an das LAG zurückverweisen, um nun die hierfür erforderlichen Tatsachen zu ermitteln.


Hinweis: BAG, Urteil vom 20. August 2019, Az. 9 AZR 41/19; Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urteil vom 15. November 2018, Az. 6 Sa 1225/17


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Schlagworte zum Thema:  BAG-Urteil, Schadensersatz, Vergütung