Sabbatical: PE-Instrument oder Exit-Strategie?

Ein Sabbatical machen. Mal austeigen aus dem Arbeitstrott. Zeit haben. Für sich, für die Familie oder eine Fortbildung. Der Traum vieler Menschen. Und darum ist das Sabbatical auch zunehmend ein Angebot vieler Arbeitgeber und Behörden, um im Fachkräftemangel als besonders attraktiv zu bestehen. Aber funktioniert das?

Ohne Sabbatical kein New Work

Eine Lücke im Lebenslauf – früher noch ein Grund, dem Bewerber abzusagen. Heute im Fachkräftemangel kann sich das niemand mehr leisten. Inzwischen ist die persönliche Auszeit von Job und Karriere sogar ein Zeichen für die Fähigkeit, Grenzen in einer entgrenzten, mobilen und digitalen Arbeitswelt zu setzen. Es ist zeitgemäß, wenn Menschen Elternzeiten mit einem Sabbatical verlängern oder die Zeit für persönliche Weiterbildung nutzen.

In die aktuelle New Work-Debatte passt das Sabbatical also gut. Steht es doch für Freiheit und Flexibilität. Es symbolisiert eine Einstellung zur Arbeitswelt, die heute en vogue ist: Sinn (des Lebens), Leistung (ohne die das Sabbatical eher eine innere Kündigung ist), Spaß (am Job, denn man kündigt nicht), Leben (als Work-Life-Balance), Verantwortung (für sich). Es würde mich nicht wundern, wenn in ein paar Jahren der Personaler kritisch hinterfragt, warum der Kandidat noch kein Sabbatical gemacht hat.


Sabbatical muss man sich leisten können

Was gut klingt, braucht Vorbereitung. Wenn es mehr als ein paar Wochen sein sollen, bedarf es entweder vieler Jahre Ansparzeit oder massiver Reduzierung der Arbeitszeit im Vorfeld. Denn das Sabbatical funktioniert ähnlich wie Altersteilzeit: In der Ansparphase reduziertes Gehalt bei voller Arbeitsleistung, um in der Freistellphase bei gleichbleibender Entlohnung gar nicht zu arbeiten.

Dieses Ansparen muss man finanziell verkraften können. Wer heute nicht mindestens im gehobenen Dienst bzw. der 3.QE arbeitet, auf Vermögen oder einen solventen Partner zurückgreifen kann, wird Schwierigkeiten haben, längere Zeit auf etliche Prozent des Lohns zu verzichten. Alleinerziehende, pflegende oder kinderreiche Beschäftigte winken daher meist dankend ab. Das Sabbatical als PE-Instrument der Besserverdienenden?


Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt

In der Regel spart man etliche Jahre an. Und natürlich geht das Leben weiter: Kinder, Hochzeit, aber auch Scheidung, Krankheit und Arbeitgeberwechsel. Die Zahl derer, die in der Ansparphase „durchhalten“, ist leider eher gering.

Interessierte sollten daher genau prüfen, ob es Ausstiegsoptionen gibt und wie diese gestaltet sind. Im Fall des Falles auf Lohn verzichten zu müssen, sollte keine Option sein. Auch Verschiebungen, Verkürzungen oder ein Ausbau der freien Zeit durch das Nehmen von Urlaub und Überstunden zeugt vom Willen der Organisation, das Sabbatical wirklich als Instrument einer New Work – Kultur anzubieten.


Aus den Augen, aus dem Sinn

Gehen Beschäftigte in Elternzeit, haben sie zwar keinen Rückkehranspruch auf ihre alte Stelle, es muss aber immerhin eine vergleichbare Position sein. Wie ist das im Sabbatical? Zwischenbesetzung oder Rückkehr abwarten? Um diese Frage zu beantworten, bedarf es eines Gesprächs miteinander. Wie lange ist man weg? Plant man auf die alte Stelle zurückzukommen? Dazu gehört auch gründliche Vorbereitung von Übergabe und Vertretung.

Finden das Sabbatical einleitende Gespräche nicht statt, entsteht schnell das Gefühl, man sei ersetzbar und die eigenen Aufgaben unwichtig. Auch während der Auszeit herrscht in aller Regel Funkstille. Argument hier: Man will nicht stören. Aber viele Beschäftigte wünschen genau diese „Störung“, um die Bindung zum Arbeitgeber nicht ganz zu verlieren.

Information über interne Veränderungen oder Einladungen zu Firmenfeiern sollten fließen. Die Gratulation zum Geburtstag oder zum eigenen Firmenjubiläum ist eine Selbstverständlichkeit und interne Stellenanzeigen machen den Neustart nach dem Sabbatical besonders attraktiv. Leider gibt es diese Informationen oft nicht. Es ist, als wäre man nicht im Sabbatical, sondern dauerhaft weg. Ghosting ist hier das treffende Schlagwort.


„Arbeit, die ich wirklich, wirklich will“

Dieses Zitat stammt von Frithjof Bergmann, Begründer der Philosophie von New Work. Die damit verbundenen Fragen werden lauter, umso länger das Sabbatical dauert: Was will ich eigentlich vom Leben und vom Job? Was will ich nicht mehr machen? Will ich zurück? Oder beruflich was ganz anderes tun?

In dieser Situation des Hinterfragens übermittelt die fehlende Kommunikation des Arbeitgebers die Botschaft: Du bist ersetzbar! Wir brauchen dich hier nicht! So zerbröselt die Bindung zwischen Organisation und Mitarbeiter wie Sand zwischen den Fingern. Die Menschen fühlen sich nicht wertgeschätzt und denken dann natürlich über Alternativen nach.

Der recht häufige Arbeitgeber- oder Berufswechsel am Ende eines Sabbaticals wird zwar gerne halb esoterisch als Midlifecrisis abgetan, ist aber tatsächlich vermeidbar. Denn haben wir nicht eigentlich Fachkräftemangel? Die Rückkehr der Menschen aus dem Sabbatical ist daher wichtig. Personalerhalt ist aktuell die wichtigste Aufgabe der Personalabteilung – weit vor Employer Branding oder dem New Work Bürokonzept. 


Die zwei Seiten des Sabbaticals

Die Fragen in der Überschrift dieses Beitrages beantworte ich daher zweimal mit: Ja! Ein Sabbatical bietet den Menschen zum einen die Möglichkeit, den Kopf frei zu kriegen, sich und die Arbeit zu hinterfragen. Es ist ein Instrument der Freiheit, schärft den persönlichen Kompass und verschiebt Prioritäten. Ich spreche aus Erfahrung.

Genau das wollen Arbeitgeber doch: Menschen, die infrage stellen, Ideen haben, Innovationen einbringen und die Organisation so weiterentwickeln. Ein Sabbatical ist daher ein sehr gutes Instrument für Organisationen, die sich auf dem Weg zu einer New Work-Kultur machen. Und ich erlebe, dass die Möglichkeit zum Sabbatical für die Menschen durchaus als Attraktivitätsfaktor im Personalmarketing wahrgenommen wird.

Dass das Sabbatical in vielen Fällen zum Exit aus der Organisation führt, ist zweitens aber auch richtig und nicht per se dem Instrument anzulasten. Hier sehe ich die Ursachen eher bei einer schlechten Integration des Instruments.


Vom Exit zur Bindung

Wie geht es besser? Zumindest ist es eine Überlegung wert, durch Zeit-Bonus oder einen zinslosen Kredit das Sabbatical auch für Geringverdiener attraktiv zu machen. Mehrarbeit über die geltenden Höchstgrenzen anzusparen - zweckbestimmt für das bereits in der Ansparphase befindliche Sabbatical - ist ebenfalls ein Signal, dass es die Organisation ernst meint. Es bedarf zudem großzügiger Regeln für Abbruch und Verschiebung.

Das Wichtigste ist aber das Gespräch mit dem Ziel eines gemeinsamen Plans für den Übergang - inklusive Vertretung. Während der Auszeit kann ein Newsletter auf dem Laufenden halten. Dass die Führungskraft zumindest anbietet, sich hin und wieder zu melden, zeugt von Wertschätzung.

Dass ein Sabbatical Anlass für eine berufliche Neuorientierung sein kann, sollte aktiv akzeptiert werden. Indem man rechtzeitig das Gespräch mit dem Mitarbeiter sucht: Wie geht es weiter? Wo geht die berufliche Reise hin? Machen wir diese zusammen? Gemeinsam wird die berufliche Weiterentwicklung geplant – auch wenn dies tatsächlich einmal eine Nachbesetzung ist.