EuGH - Umsatzsteuer: Innergermeinschaftliche Reihengeschäfte

Innergemeinschaftliche Warengeschäfte werfen im Arbeitsalltag hinsichtlich der korrekten Abwicklung viele Fragen auf und beschäftigen die Gerichte. Aktuell befasste sich der Europäische Gerichtshof mit innergemeinschaftlichen Reihengeschäften.

In einem Urteil vom 26.7.2017 (Rs. Toridas, C-386/16) hat der EuGH Ausführungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts gemacht. Bei einem solchen kann nur eine Lieferung steuerbefreit sein.

Praxis-Hinweis: Welches Geschäft bei einem Reihengeschäft umsatzsteuerfrei ist

Wie viele Entscheidungen des EuGH ist auch dieses, wenn man ansonsten deutsche Urteile zu lesen gewohnt ist, recht schwer zu durchdringen. Die zentrale Aussage des Urteils ist jedoch von einiger Bedeutung und allein schon deshalb lohnt sich die „Lektüre“. Bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft schließen mehrere Unternehmer über dieselbe Ware Kaufverträge ab. Zudem ist wichtig, dass die Ware von einem Mitgliedsland in ein anderes befördert wird. Bei einem solchen Geschäft kann nur eine der Lieferungen steuerfrei sein. Welches dies ist, ist nicht immer einfach zu beurteilen.

Zentral ist dabei im Urteil vom 26.7.2017 diese Aussage:

Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung für ein Geschäft 1 liegt dann nicht vor, wenn der Erwerber aus diesem Geschäft die Waren durch ein Geschäft 2 vor der Beförderung aus dem Geschäft 1 an einen Erwerber in einem dritten EU-Land verkauft.

In der Praxis schafft dieses Urteil durchaus einige Probleme. Denn es bleibt offen, wie bei der heutige Masse an tagtäglich stattfindenden Geschäften jeder Einzelfall so genau auf seine zutreffende umsatzsteuerliche Erfassung geprüft werden kann. Ein BMF-Schreiben, welches hierzu handhabbare Regelung trifft, wäre wünschenswert.

Litauisch, estnisches Reihengeschäft dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt

Die Toridas ist eine in Litauen ansässige Gesellschaft, die Waren (Kühlfisch) aus dem Drittland Kasachstan nach Litauen importierte. Die Waren wurden dann an eine in Estland ansässige Gesellschaft (Megalain) verkauft. Die estnische Gesellschaft verkaufte die Waren an Geschäftskunden in anderen EU-Staaten weiter. Alle Gesellschaften waren im jeweiligen Mitgliedsland für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst und Unternehmer. Aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung war die Megalain verpflichtet, die Waren innerhalb von 30 Tagen aus Litauen auszuführen und Toridas Belege über die tatsächliche Ausfuhr vorzulegen. Die estnische Gesellschaft verkaufte die Waren regelmäßig am Tag des Erwerbes weiter. Megalain informierte Tordias über den Weiterverkauf, die Versendung erfolgte teilweise durch Megalain aus Litauen an die Abnehmer. Die litauische und die estnische Gesellschaft rechneten ohne litauische Umsatzsteuer ab. Dies sah die litauische Finanzverwaltung anders und nahm eine steuerpflichtige Lieferung an. Das angerufene litauische Gericht hatte seine Zweifel, wie der Fall auf der Grundlage des EU-Rechts zu würdigen sei und rief den EuGH zu der Frage an,

  • ob die Lieferung von Waren seitens eines Steuerpflichtigen, der im ersten EU-Mitgliedsstaat niedergelassen ist als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei sein müsse,

  • wenn vor diesem Lieferumsatz der Erwerber die Absicht habe, die Waren unmittelbar an einen Steuerpflichtigen in einem dritten Mitgliedsstaat weiterverkaufen zu wollen und

  • die Ware in diesen dritten Staat versandt werde.  

Keine Steuerfreiheit, wenn Erwerber Veräußerer darüber informiert, dass Waren direkt vom ersten Erwerber in 3. EU-Land verkauft werden

Der EuGH kam aufgrund des Vorlageersuchens des litauischen Gerichts zu der Ansicht, dass hier die Lieferung von Torida an die estnische Gesellschaft nicht steuerfrei sei, sondern die Lieferung der estnischen Gesellschaft an die Abnehmer in den übrigen EU-Staaten als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerbefreit sei. Die erste Lieferung könne nämlich dann nicht steuerfrei sein, wenn der erste Erwerber (hier Megalain) den Veräußerer (Toridas) darüber informiert hat, dass die Waren unmittelbar an einen Abnehmer in einem dritten EU-Staat verkauft werden, bevor sie aus dem ersten Staat in den zweiten Staat ausgeführt werden und diese Lieferung direkt in den dritten Staat auch durchgeführt wird. Megalain sei hier nicht Adressat einer innergemeinschaftlichen Beförderung der Waren gewesen.

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