Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einem als Miet- oder Pachtvertrag bezeichneten Vertrag vereinbart, daß das Mietobjekt - für den Vermieter unwiderruflich - dem Mieter überlassen werden und nach dem Tod des Vermieters auch das Eigentum auf den Mieter übergehen soll, so kann hierin die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums liegen.

2. Hat das FA eine auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Berichtigungsveranlagung nur hinsichtlich eines bestimmten, nicht die Berichtigungsvoraussetzungen betreffenden Punktes für vorläufig erklärt (§ 100 Abs. 1 AO) und wird diese Veranlagung unanfechtbar, so kann gegenüber dem nachfolgenden endgültigen Bescheid (§ 225 AO) nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Berichtigungsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 3, § 11; AO § 100 Abs. 1, § 222 Abs. 1 Nr. 1, § 225

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen des Übernehmers einer Apotheke als Leistung einer betrieblichen Veräußerungsrente oder als Pachtzinszahlungen zu beurteilen sind. Ferner ist in formeller Hinsicht streitig, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1959 bis 1963 nach § 225 AO erlassen durfte.

Die Kläger und Revisionskläger sind Eheleute. Der Ehemann (Kläger) ist Apotheker. Er betrieb seit 1955 eine Apotheke, und zwar zunächst auf Grund eines kündbaren Pachtvertrages, den er - formularmäßig - auf die Dauer von fünf Jahren mit seinem Onkel, dem am 26. Juli 1955 verstorbenen O. W., abgeschlossen hatte. Mit dessen Witwe, der im März 1963 verstorbenen Frau W, schloß er am 22. März 1959 einen als Mietvertrag bezeichneten notariellen Vertrag, demzufolge Frau W. das Apothekengrundstück mit Gebäuden (mit Ausnahme eines anderweitig verpachteten unbebauten Grundstücksteils) dem Kläger zum Betrieb der Apotheke und zum Bewohnen vermietete, und zwar auf die Dauer der Lebenszeit von Frau M, der Tochter von Frau W, oder, falls diese ihre Mutter nicht überleben sollte, bis zum Tode von Frau W (Abschn. III § 2 des Vertrages). Eine Kündigung des Vertrages war nur für den Fall des vorzeitigen Todes des Klägers vorgesehen. Seine Ehefrau und seine Abkömmlinge sollten dann als Erben ein Recht zur außerordentlichen Kündigung haben. Für den Fall, daß die Erben von dem außerordentlichen Kündigungsrecht keinen Gebrauch machten, sollten die Mieterleistungen neu festgelegt und insbesondere unter Berücksichtigung der erhöhten Unkosten, die durch die Anstellung eines approbierten Apothekers notwendig werden, gemindert werden (Abschn. B des Vertrages). Als "monatliche Miete" waren vom Kläger zu zahlen zu Lebzeiten von Frau W an diese 8 % des Bruttoumsatzes, nach deren Tod an Frau M 555 DM. Der Kläger verpflichtete sich ferner, alle mit dem Grundbesitz zusammenhängenden Kosten und Steuern zu tragen, die Verkehrssicherungspflichten bezüglich des Grundstücks zu erfüllen und die notwendigen Versicherungen abzuschließen. Demgegenüber verpflichtete sich Frau W, den Grundbesitz schuldenfrei dem Kläger bzw. seinen Erben zu übereignen, und zwar in der Form, daß die "Übertragung und Auflassung" sofort nach dem Tode von Frau M oder, falls Frau M vor Frau W sterben sollte, nach dem Tode von Frau W zu geschehen habe. Die Übereignungsverpflichtung sollte (nur) erlöschen bei Geltendmachung des außerordentlichen Kündigungsrechts durch die Erben des Klägers. Zur Sicherung des Übereignungsanspruchs wurde eine entsprechende Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt. Darüber hinaus übertrug Frau W dem Kläger mit Wirkung vom 1. April 1959 alle die Apotheke betreffenden Konzessionsrechte. - Am 25. März 1959 schlossen Frau W, Frau M und der Kläger noch einen Erbvertrag, demzufolge Frau W ihrer Tochter hinsichtlich des genannten Grundbesitzes als Vermächtnisnehmerin, den Kläger bzw. dessen Erben als Nach- und Ersatzvermächtnisnehmer einsetzte.

Der Kläger hatte die auf Grund des Vertrages vom 22. März 1959 geleisteten Zahlungen für die Streitjahre 1959 bis 1963 als Betriebsausgaben behandelt. Das FA war dem bei den erstmaligen und zum Teil auch berichtigten Einkommensteuerveranlagungen 1959 bis 1963 gefolgt; es hatte jedoch - z. T. unter ausdrücklichem Hinweis auf die "Rente W" - die Veranlagungen (darunter auch die auf Grund einer Betriebsprüfung nach § 222 AO berichtigte Veranlagung 1959 - die Erstveranlagung 1959 war endgültig gewesen -) vorläufig durchgeführt. Die vorläufigen Steuerbescheide wurden unanfechtbar. In den nach § 225 AO erlassenen endgültigen Steuerbescheiden, die den Gegenstand dieses Rechtsstreits bilden, ging das FA dann von einer geänderten Rechtsauffassung aus. Es ließ die streitigen Zahlungen des Klägers nicht als Mieten zum Betriebsausgabenabzug zu. Es war vielmehr der Meinung, der Kläger habe - zumindest als wirtschaftlicher Eigentümer - das Apothekengrundstück und das Apothekenbetriebsrecht erworben. Die streitigen Zahlungen seien als Gegenleistung für diesen Erwerb zu beurteilen. Die erworbenen Wirtschaftsgüter Grund und Boden, Gebäude und Firmenwert seien daher zu aktivieren, eine nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnende Rentenverpflichtung sei zu passivieren.

Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, der Kläger könne im Verfahren gegen die endgültigen Bescheide nicht mehr einwenden, daß die vorangegangenen Bescheide nicht für vorläufig hätten erklärt werden dürfen; denn diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Auch gegen Treu und Glauben habe das FA mit dem Erlaß der endgültigen Bescheide nicht verstoßen. Daß der Kläger hier nicht auf die ursprüngliche Sachbehandlung durch das FA habe vertrauen können, zeige sich sogar besonders deutlich darin, daß das FA die Vorläufigkeit mit der Ungewißheit der steuerlichen Behandlung der Zahlungen an Frau W begründet, sich also eine endgültige Entscheidung über diese Frage vorbehalten habe. - In materieller Hinsicht sei das FA zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger die Apothekenkonzession und das Apothekengrundstück erworben habe, ihm also für Grundstück und Firmenwert (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 16. Juli 1964 IV 33/60 U, BFHE 80, 143, BStBl III 1964, 526) aktivierungspflichtige Anschaffungskosten entstanden seien. Der Kläger sei mit Abschluß des Vertrages vom 22. März 1959 wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden. Wirtschaftlich betrachtet sei dieser Vertrag kein Mietvertrag. Denn charakteristisch für einen solchen sei die bloße Nutzungsüberlassung. Der Vertrag vom 22. März 1959 beinhalte jedoch einen dinglich gesicherten Anspruch des Klägers auf Eigentumsübertragung, die nur noch vom Vorversterben der Frau W und ihrer Tochter abhänge. Dazu komme, daß der "Vermieterin" nicht einmal ein außerordentliches Kündigungsrecht zugestanden worden sei, und daß die Verkehrssicherungspflichten auf den Kläger übergegangen seien. Das alles lasse erkennen, daß der Wille der Beteiligten darauf gerichtet gewesen sei, dem Kläger nicht nur die Nutzung, sondern auch das Eigentum an der Apotheke zu verschaffen, während durch die Gegenleistung des Klägers die Versorgung von Frau W bzw. ihrer Tochter habe gesichert werden sollen. Der Übereignungsanspruch des Klägers sei dann nochmals durch den Erbvertrag abgesichert worden. Die zusammengefaßte Beurteilung der beiden Verträge ergebe, daß der Kläger den Firmenwert der Apotheke und das wirtschaftliche Eigentum am Apothekengrundstück erworben habe. Die hieraus vom Beklagten gezogenen steuerlichen Folgen, die weder der Berechnungsart nach noch der Höhe nach angegriffen worden seien, seien zutreffend.

Mit der hiergegen erhobenen Revision beantragen die Kläger ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Einwand des Klägers, die Einkommensteuerveranlagung 1959 hätte mangels neuer Tatsachen nicht nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigt und für vorläufig erklärt werden dürfen, ist nicht gerechtfertigt. Soweit hiermit die Rechtmäßigkeit des diese Berichtigung bewirkenden vorläufigen Steuerbescheides vom 9. August 1962 angezweifelt wird, ist dies schon deshalb nicht angängig, weil dieser Bescheid unanfechtbar geworden ist. Hinsichtlich des hier streitigen endgültigen Steuerbescheides 1959 vom 19. November 1965 kann der Einwand, die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO hätten mangels neuer Tatsachen nicht vorgelegen, nicht mehr erhoben werden, weil über diese Frage bereits abschließend im Bescheid vom 9. August 1962 entschieden wurde. Denn in diesem Bescheid war, wie sich aus dem Hinweis auf den Bescheid 1960 ergibt, die Vorläufigkeit ausdrücklich beschränkt auf die steuerliche Behandlung der Zahlungen an Frau W. In allen anderen Punkten, so auch in der Frage, ob die Berichtigungsvoraussetzungen gegeben waren, wurde der Bescheid endgültig bestandskräftig.

2. Der Einwand des Klägers, die Veranlagungen 1959 bis 1963 hätten nicht nach § 100 Abs. 1 AO vorläufig durchgeführt werden dürfen, kann nicht durchgreifen. Mit Recht weist das FG darauf hin, daß dieser Einwand gegen die vorläufigen Bescheide selbst hätte erhoben werden müssen. Nachdem der Kläger diese Bescheide hat unanfechtbar werden lassen, kann er Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der in ihnen ausgesprochenen Vorläufigkeit nicht mehr im Verfahren gegen die endgültigen Bescheide nachholen (vgl. BFH-Urteile vom 3. Mai 1963 II 53/61 U, BFHE 77, 196, BStBl III 1963, 389, und vom 25. Oktober 1973 IV R 80/72, BFHE 110, 479, BStBl II 1974, 142).

3. Daß das FA dadurch, daß es seine Auffassung über die steuerrechtliche Qualifizierung der Verträge vom März 1959 geändert hat, einen von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand verletzt und damit gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen habe, kann nicht anerkannt werden. Es ist nicht verständlich, wenn der Kläger behauptet, er habe sich auf die mit seiner Auffassung über die steuerliche Behandlung der Pachtzahlungen sich deckende Äußerung des Betriebsprüfers verlassen und demgemäß auch disponiert, wenn andererseits feststeht, daß die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide gerade "in bezug auf die steuerliche Behandlung der Rentenzahlungen (Miete) an Frau W" (so z. B. die Erläuterung zum Einkommensteuerbescheid 1960 vom 9. August 1962) für vorläufig erklärt wurden. In welche Richtung das FA in der Streitfrage tendierte und ob es noch in seinem Bericht an die OFD im Jahre 1965 eine dem Kläger günstigere Auffassung vertrat, kann keine Rolle spielen. Denn es steht fest und war auch für den Kläger eindeutig erkennbar, daß das FA sich die Entscheidung in dieser Frage durch die Vorläufigkeitserklärung der Bescheide offenhalten wollte. Die endgültige Entscheidung, wie immer sie auch ausfiel, konnte daher keinen Verstoß gegen Treu und Glauben bewirken.

4. a) Das vom FG gewonnene Ergebnis, wonach bei wirtschaftlicher Betrachtung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts (§ 1 Abs. 3 StAnpG) der Kläger steuerrechtlich als Erwerber des Apothekenbetriebes und -grundstücks zu behandeln ist, ist nicht zu beanstanden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im einzelnen einer der im § 11 StAnpG aufgeführten Tatbestände, hier also etwa der des § 11 Nr. 4 StAnpG, erfüllt ist. Denn die Rechtsprechung des BFH hat klargestellt, daß § 11 StAnpG nur Beispielsfälle wirtschaftlichen Eigentums enthält (vgl. insbesondere die Entscheidung des Senats vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264 - Abschn. C III 1 -, und die des I. Senats vom 18. November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133). Auch kommt es nicht darauf an, wie bürgerlichrechtlich die Rechtslage, insbesondere auch die Verträge vom März 1959 zu beurteilen sind, inwieweit also etwa z. B. im Vertrag vom 22. März 1959 Elemente des Miet-, Pacht- oder Kaufvertrages enthalten sind. Den Ausführungen des Klägers über die bürgerlich-rechtliche Qualifizierung dieses Vertrages kann daher ebensowenig Bedeutung beigemessen werden wie seinen Hinweisen auf rechtliche Beschränkungen, die sich lediglich daraus ergeben, daß der Kläger kein rechtlicher Eigentümer des Grundstücks geworden ist. Entscheidend für die Anwendung der im Steuerrecht zulässigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. hierzu die Entscheidung des BVerfG vom 15. Juli 1969 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327 [335]) ist nicht das formal Erklärte oder formalrechtlich Bestehende, sondern das wirtschaftlich Gewollte und de facto Bewirkte (vgl. BFH-Urteil I 133/64, Abschn. I). Es kommt im Steuerrecht nicht auf die rechtstechnische Einkleidung des Sachverhalts, sondern auf dessen tatsächlichen Inhalt an (vgl. die BVerfG-Entscheidung vom 22. Juli 1970 1 BvR 285/66, 445/67 und 192/69, BVerfGE 29, 104 [117]). Es spielt daher keine Rolle, wie der Vertrag vom 22. März 1959 bezeichnet wurde, und es schließt die Annahme wirtschaftlichen Eigentums nicht aus, daß der Kläger etwa, worauf er besonders hinweist, das streitige Grundstück - eben als Folge des mangelnden rechtlichen Eigentums - nicht belasten oder veräußern konnte (vgl. BFH-Urteil I 133/64, Abschn. III, Nr. 1).

b) Entscheidend dafür, wem ein Wirtschaftsgut steuerrechtlich zuzurechnen ist und ob die Zurechnung u. U. abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage zu erfolgen hat, ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Läßt dieses Gesamtbild erkennen, daß ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaftsgewalt über das Wirtschaftsgut ausübt und zugleich bei dem für die gewählte Gestaltung typischen Verlauf den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf die Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut dergestalt auszuschließen vermag, daß der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat, so ist der andere wirtschaftlicher Eigentümer. So hat der BFH entschieden im Urteil IV R 144/66 betreffend die Beurteilung von Leasingverträgen und im Urteil I 133/64 betreffend die Beurteilung eines Mietkaufvertrages.

c) Die Würdigung des Gesamtbildes im Streitfall durch die Vorinstanz entspricht den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen und läßt einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Die zwischen dem Kläger und Frau W getroffenen Vereinbarungen hatten ersichtlich zum Ziel, einerseits dem Kläger Apotheke und Apothekengrundstück nicht nur zur Nutzung, sondern letztlich zu Eigentum zu überlassen, andererseits Frau W bzw. deren Tochter durch die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen des Klägers wirtschaftliche Sicherheit zu verschaffen. Dafür opferte Frau W faktisch für dauernd ihren Herausgabeanspruch auf das Grundstück, denn der Kläger war schon vor dem Übergang des Eigentums auf ihn auf Grund des unkündbaren Mietvertrages für dauernd in der Lage, die tatsächliche Gewalt auszuüben, und der Übergang auch des rechtlichen Eigentums auf ihn oder seine Erben war letztlich nur eine Zeitfrage. Der Eigentumsübergang war nicht nur wahrscheinlich, sondern so gut wie sicher, da der Fall der außerordentlichen Kündigung nach Abschn. III § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 22. März 1959 durch die Erben des Klägers (mit der Folge eben des Verlustes des Auflassungsanspruchs) praktisch außer Betracht bleiben kann. Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang zwar Gegenteiliges vor und meint, darauf hinweisen zu können, daß der Eigentumsübergang auf die Erben des Klägers von einer lediglich zufälligen Bedingung abhängig sei und daß deshalb von einem tatsächlichen Ausschluß des rechtlichen Eigentümers nicht gesprochen werden könne. Er macht geltend, die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach einem vorzeitigen Tod des Klägers mit seinen Erben sei nach dem Vertrag davon abhängig, daß in den vermieteten Räumlichkeiten weiterhin eine Apotheke betrieben werde, und er folgert hieraus, die Erben müßten von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen, wenn sie nicht selbst eine Apotheke betreiben könnten, was aber eine rein zufällige Bedingung sei. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, weil hier der klare Wortlaut des Vertrages vom 22. März 1959 entgegensteht. Der Fall der Fortsetzung des "Mietvertrages" durch die Erben, die nicht selbst eine Apotheke betreiben können, ist in Abschn. B des Vertrages ausdrücklich geregelt, so daß keine Rede davon sein kann, daß die Erben in diesem Falle "gehalten waren, von ihrem Kündigungsrecht laut Vertrag Gebrauch zu machen". Jedenfalls war der Eigentumsübergang auf Grund des bereits erklärten Übereignungswillens im Streitfall noch sehr viel wahrscheinlicher als in den von der Rechtsprechung entschiedenen Optionsfällen bei Leasing oder Mietkauf. Die Wahrscheinlichkeit der auf Dauer angelegten tatsächlichen Herrschaftsausübung genügt. Die theoretische, nach dem typischen Verlauf keineswegs zu erwartende Möglichkeit, daß das wirtschaftliche Eigentum wieder an die "Vermieterin" zurückfällt, hindert die Zurechnung beim Kläger nicht. Wie gefestigt dessen Position ist, zeigt sich im übrigen darin, daß er selbst die tatsächliche Herrschaftsgewalt wie auch den rechtlichen Auflassungsanspruch überhaupt nicht mehr verlieren kann, da das diesen Verlust bewirkende Kündigungsrecht nur seinen Erben zusteht.

d) Der Einwand des Klägers, es habe sich um einen ganz gewöhnlichen Miet- oder Pachtvertrag ohne irgendwelche ungewöhnliche Bedingungen gehandelt, ist in Anbetracht des Vertragsinhalts nicht verständlich. Denn es ist unbestreitbar außergewöhnlich, wenn in einem Mietvertrag über ein Grundstück vereinbart wird, daß dieses mit dem Tode des Vermieters oder dessen Erben lastenfrei und ohne weitere Gegenleistung in das Eigentum des Mieters übergehen soll. Die mit der Revision vorgebrachten Argumente vernachlässigen diesen für die Beurteilung des Streitfalles ganz entscheidenden Umstand fast vollständig. So kann der Vertrag vom 22. März 1959 wegen der Verpflichtung des Vermieters zur Grundstücksübereignung und Konzessionsübertragung gerade nicht mit dem vorangegangenen Apothekenpachtvertrag vom 23. Januar 1955 verglichen werden. Gegen die Annahme eines Erwerbsvorgangs spricht auch nicht, wie der Kläger meint, die Vereinbarung einer Umsatzpacht in üblicher Höhe (vgl. das BFH-Urteil I 133/64, Abschn. II 1 am Ende, bezüglich normal bemessener Mietzahlungen beim Mietkauf). Die Zahlungsverpflichtung des Klägers muß im übrigen im Zusammenhang mit der von Frau W erstrebten Versorgung gesehen werden. Dies erhellt auch aus Abschn. IV des Vertrages vom 22. März 1959, wo ausgeführt ist, daß sich Frau W zur schuldenfreien Eigentumsübertragung des Grundstücks verpflichtet "mit Rücksicht darauf, daß durch den ihr hiervor gewährten langfristigen Mietvertrag der Vermieterin eine bestgünstige Verwertung des vermieteten Grundbesitzes für die Lebensdauer von ihr und ihrer Tochter zugesichert wird ...". Im übrigen widerspricht sich der Kläger selbst, wenn er einerseits behauptet, es sei ein Pachtzins in durchaus üblicher Höhe vereinbart (Revisionsbegründung S. 16 und 22), andererseits aber darauf hinweist, Frau W habe zur Sicherung ihres Lebensabends nach einem unkündbaren Vertrag streben müssen (Revisionsbegründung S. 23), weil ein anderer Apotheker in Anbetracht der Niederlassungsfreiheit sich mit einem derartigen Pachtvertrag nicht einverstanden erklärt, sondern nur einen Mietvertrag über die Räume abgeschlossen und nur einen bedeutend geringeren Mietzins bezahlt hätte (Revisionsbegründung S. 24). Hier müßte die Fragestellung wohl lauten, ob nicht auch ein anderer diesen Vertrag so abgeschlossen hätte, wenn er dafür letztlich Eigentümer von Apotheke und Grundstück geworden wäre. Daß der Kläger im Vertrag vom 25. März 1959 hinsichtlich des Grundstücks nur als Nachvermächtnisnehmer eingesetzt wurde, hat keine Bedeutung in Anbetracht dessen, daß der Übereignungsanspruch im Vertrag vom 22. März 1959 schon begründet und durch Auflassungsvormerkung gesichert worden war.

e) Auch die Bedenken des Klägers, bei Bestätigung der Rechtsauffassung des FA werde er gezwungen, in handelsrechtlich unzulässiger Weise gepachtete Wirtschaftsgüter zu bilanzieren, sind nicht gerechtfertigt. Der BFH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß auch die Bilanzierung sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten richten muß, was zur Folge haben kann, daß ein Wirtschaftsgut nicht in der Bilanz des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers, sondern in der des wirtschaftlichen Eigentümers aufzuführen ist (vgl. die erwähnten Urteile IV R 144/66, Abschn. C III 1, und I 133/64, Abschn. IV 1 a). Da die Gesamtumstände des Streitfalles den vom FA angenommenen Erwerbsvorgang bestätigen, war es richtig, von einer Aktivierung des Grund und Bodens, des Gebäudes und eines Geschäftswertes auszugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71268

BStBl II 1975, 281

BFHE 1975, 22

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