Leitsatz

Die Durchführung eines gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum setzt nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um einen Beschluss bemüht hat, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Sachverständigengutachten zu den behaupteten Mängeln einholt.

Normenkette

§ 485 Abs. 2 ZPO

Das Problem

Wohnungseigentümer K beantragt gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens zu der Frage der Ursache von Feuchtigkeit und Schimmel in seiner Wohnung. Das AG verwirft den Antrag als unzulässig. Zur Begründung führt es an, das Vorbefassungsrecht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei nicht gewahrt worden. Es fehle daher am Rechtschutzbedürfnis. Gegen diese Entscheidung wendet sich K.

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Gem. § 485 Abs. 2 ZPO sei der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zulässig, wenn die antragstellende Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ursache eines Sachschadens habe. Ein rechtliches Interesse sei anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits diene. Der Begriff des rechtlichen Interesses sei weit zu fassen. Insbesondere sei es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend könne ein rechtliches Interesse nur in völlig eindeutigen Fällen verneint werden, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann. Im Fall liege es aber so. Allerdings fehle es nicht schon deshalb an einem rechtlichen Interesse, weil eine vorherige Beschlussfassung notwendig sei. Zwar sei anerkannt, dass eine Leistungsklage im Fall fehlender Vorbefassung unzulässig ist (BGH, Beschluss v. 14.3.2018, V ZB 131/17). Diese Konstellation sei aber nicht gegeben. Bei einem Beweisverfahren zur Feststellung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum durch einen Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer werde hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" eine Entscheidung nicht vorweggenommen (BGH, s. o.) Im Fall spreche für diese Sichtweise im Übrigen, dass der Verwalter Maßnahmen abgelehnt habe, da aus seiner Sicht kein Mangel am gemeinschaftlichen Eigentum vorliegt. Eine weitere Befassung sei seiner Auffassung nach nur denkbar, wenn erwiesen ist, dass die Ursache für die Feuchtigkeit und den Schimmel im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums liegt. Hieraus ergebe sich, dass die Vermeidung eines Rechtsstreits erzielt werden könne, wenn das selbstständige Beweisverfahren durchgeführt werde. Dem stehe nicht entgegen, dass die BGH-Entscheidung zu dem WEG in alter Fassung ergangen ist. Es sei nicht ersichtlich, dass sie aufgrund des WEMoG hinfällig geworden sei.

 

Hinweis

Problemübersicht

Im Fall geht es um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein selbstständiges Beweisverfahren führen kann, ohne sich zuvor um einen Beschluss bemüht zu haben, dass ein Gutachten beschlossen wird.

Durchführung eines gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens

Die Durchführung eines gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum ist möglich. Es setzt – wie vom LG erkannt – nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um einen Beschluss bemüht hat, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Sachverständigengutachten zu den behaupteten Mängeln einholt. Dieses Vorgehen ist – außer zur Beweissicherung – aber nicht sinnvoll. Da sich die Wohnungseigentümer nach ihrem Ermessen gegen eine Erhaltungsmaßnahme und jedenfalls auf Grundlage eines weiteren Gutachtens für ganz andere Maßnahmen entscheiden können, sollten die anderen Wohnungseigentümer stets mit der Frage, ob und wie das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten ist, vorbefasst werden. Allein dieses Vorgehen sichert, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Kosten eines etwaigen Gutachtens trägt. Für das selbstständige Beweisverfahren ist nämlich gem. § 22 Abs. 1 GKG allein der Antragsteller Kostenschuldner, wenn die Antragsgegner keine eigenen Anträge stellen. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht; die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind vielmehr Kosten des anschließenden Rechtsstreits. Einen solchen Rechtsstreit kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer indes vermeiden, indem sie eine nach der Beweisaufnahme erforderliche Maßnahme rechtzeitig umsetzt. Kommt es zu keinem Hauptsacheverfahren, kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer etwaige ihr in dem selbstständigen Beweisverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten, z. B. für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, unter den Voraussetzungen des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO von dem antragstellenden Wohnungseigentümer erstattet verlangen....

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