1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 13 BUrlG enthält eine Kollisionsregelung für den Fall, dass Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) mit kollektiven Normen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen oder mit Regelungen aus Arbeitsverträgen zusammentreffen.

Die Bestimmungen des BUrlG sind grundsätzlich unabdingbar. Auch durch Tarifvertrag darf von den Regelungen der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Außerhalb der genannten Regelungen dürfen Tarifverträge allerdings auch ungünstigere Bedingungen für Arbeitnehmer vorsehen. Dagegen unterliegen Betriebsvereinbarungen voll dem Prinzip der Unabdingbarkeit und können für den Arbeitnehmer nur solche Vorschriften vorsehen, die jedenfalls nicht ungünstiger als das BUrlG sind. Das gilt auch für Einzelverträge.

 

Rz. 2

Von § 13 BUrlG werden rein nationale Kollisionsfälle geregelt. Insbesondere das Unionsrecht prägt aber immer mehr das nationale Urlaubsrecht. Gesetzliche Normen müssen daher vor allem die Richtlinie 2003/88/EG sowie Art. 31 Abs. 2 GRC im Blick haben.[1] Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und wie das Unionsrecht auf der Ebene der Bestimmungen unterhalb gesetzlicher Regelungen zu beachten ist. Da das deutsche Urlaubsrecht außerhalb des BUrlG maßgeblich von tariflichen Normen bestimmt wird, sind hier Streitfragen am ehesten zu erwarten. Von Bedeutung ist zunächst, ob der unionsrechtliche Mindestjahresurlaub von 4 Wochen überhaupt betroffen ist oder (nur) Mehrurlaub. Bei Letzterem müssen die Tarifvertragsparteien auf Unionsrecht keine Rücksicht nehmen. Geht es um Ersteres, ist dagegen das Verhältnis des Unionsrechts zu den (nationalen) Tarifverträgen zu betrachten. Während Tarifverträge an das primäre Unionsrecht sowie die Verordnungen der EU gebunden sind, ist die Wirkung von Richtlinien auf Tarifverträge umstritten.[2] Grundsätzlich gelten Richtlinien im Arbeitsverhältnis zu einem privaten Arbeitgeber nicht unmittelbar, im Arbeitsverhältnis zu einem öffentlichen Arbeitgeber kann ein Arbeitnehmer dagegen Urlaubsansprüche direkt aus der Richtlinie 2003/88/EG (sog. Arbeitszeitrichtlinie) herleiten. Im Verhältnis zum privaten Arbeitgeber ist nunmehr das aus Art. 31 Abs. 2 GRC folgende, unmittelbar wirkende Grundrecht auf Urlaub zu beachten (EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16[3]). In diesen Fällen ist daher auch eine direkte Kollision zwischen Unionsrecht und nationalen Tarifverträgen möglich. Die Normsetzung der Tarifvertragsparteien wird sich – jedenfalls im Bereich des unionsrechtlichen Mindesturlaubs – hieran orientieren müssen. Entsprechend hat das BAG nun im Anwendungsbereich eines Tarifvertrags für die Zeitarbeit festgestellt, dass Unionsrecht Regelungen in Tarifverträgen entgegenstehen kann (BAG, Urteil v. 17.6.2020, 9 AZR 210/19 (A)[4]).

Hinzukommt, dass die Unionsrechtswidrigkeit gesetzlicher Normen auf tarifliche Normen durchschlagen kann: Darf das BUrlG bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht vom Mindeststandard des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG von 4 bezahlten Urlaubswochen abweichen, so darf es den Tarifvertragsparteien diese Möglichkeit auch nicht eröffnen. Obwohl daher gesetzliche Normen – § 13 Abs. 1 und Abs. 2 BUrlG – auf dem Prüfstand der Unionsrechtskonformität standen, ist am Ende die tarifliche Vorschrift unionsrechtswidrig (EuGH, Urteil v. 13.12.2018, C-385/17[5]). Entsprechend hat das BAG bereits in der Vergangenheit verschiedentlich entschieden, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG konform mit der Richtlinie 2003/88/EG auszulegen ist. Ergebnis war die Unwirksamkeit von Tarifregelungen bezogen auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG i. V. m. § 134 BGB[6]). Dagegen hat es im Bereich des Baugewerbes entschieden, dass eine richtlinienkonforme Auslegung Wortlaut, Systematik, Zweck und Gesetzesgeschichte widerspräche und damit "contra legem" wäre.[7]

 

Rz. 3

Das Verhältnis von Unionsrecht zu Tarifverträgen ist auch von Bedeutung für die Frage, welche Auslegungsgrundsätze bzgl. der tariflichen Normen anzuwenden sind. Auslegungsgrundsätze, die im Verhältnis zwischen nationalem Recht und Tarifnormen gelten, können dabei nicht unmittelbar angewandt werden. Zu den Auslegungsgrundsätzen gehört, dass Tarifnormen so auszulegen sind, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen. Denn die Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel gesetzeskonforme Regelungen treffen. Kommen unter Anwendung der üblichen Auslegungskriterien 2 Auslegungsergebnisse in Betracht, erweist sich aber lediglich eines als mit höherrangigem Recht vereinbar, ist diesem Ergebnis grundsätzlich der Vorrang zu geben (vgl. nur BAG, Urteil v. 19.6.2018, 9 AZR 3/18[8]).

Aber auch der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung innerstaatlichen Rechts beruht auf der Pflicht der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgegebene Ziel umzusetzen. Diese mitgliedschaftliche Pflicht trifft die Tarifvertragsparteien nicht. Das gilt selbst dann, wenn die Richtlinie eine Umsetzung dur...

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