Liegt keine Einwilligung vor, gilt auch im Mietverhältnis nichts anderes als im Nachbarrecht: Es hat eine strenge und ausführliche Abwägung im Einzelfall zu erfolgen. Eine Videoaufzeichnung ist nur dann zulässig, wenn das Überwachungsinteresse des Observierenden den Schutz der Privatsphäre des Überwachten überwiegt. Dient eine Kamera nur der Vorbeugung, um mögliche Straftaten in der Zukunft aufklären und verhindern zu können, ist eine Überwachung unzulässig.

 
Praxis-Beispiel

Kein vorbeugender Schutz durch Installation einer Kamera

Kommt es in einer größeren Wohnanlage mit mehreren Wohnhäusern immer wieder zu Sachbeschädigungen, Vandalismus und Verunreinigungen, ist der Vermieter nicht berechtigt, im Fahrstuhl eines Gebäudes, das von den Sachbeschädigungen bisher nicht betroffen war, eine Kamera zu installieren. Eine vorbeugende Überwachung ist unzulässig.[1]

Überwachung des Hauseingangsbereichs

Das AG München hat geurteilt, dass die Überwachung des Hauseingangs (außen und/oder innen) eines Wohngebäudes durch eine Kamera – unabhängig davon, ob eine Speicherung der Bilder erfolgt – einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht der Mieter darstellt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch die Freiheit von unerwünschter Kontrolle und Überwachung durch Dritte. Dies beinhaltet für den Mieter einer Wohnung nicht nur die Freiheit, die eigene Wohnung zu verlassen und zu betreten, ohne dass der Vermieter dies jederzeit überwachen und die An- bzw. Abwesenheit des Mieters feststellen kann. Es beinhaltet auch das Recht, ungestört und unüberwacht Besuch zu empfangen.[2] Eine Videoüberwachung und damit ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mieter kann dann gerechtfertigt sein, wenn die Überwachung zur Abwehr von schwerwiegenden Beeinträchtigungen erforderlich und eine drohende Rechtsverletzung nicht anderweitig zu verhindern ist. Das ist z. B. bei Angriffen auf eine Person oder deren unmittelbare Wohnsphäre der Fall.[3]

 
Hinweis

Das gilt auch für Mieter untereinander

Ein Observierungsinteresse zeigen im Alltag nicht nur Vermieter, sondern auch Mieter. Auch für Mieter gilt: Eine Überwachung durch eine an der Wohnungstür angebrachte Videokamera auf einer von mehreren Parteien bewohnten Etage ist unzulässig.[4]

Ausnahmsweise kann eine Videokamera aber angebracht werden, wenn es sich z. B. um einen geh- und sehbehinderten Mieter handelt und das von ihm angebrachte Videoüberwachungssystem nur den Bereich vor der Wohnungstür wiedergibt.[5]

 
Praxis-Beispiel

Keine Kameraattrappen

Die Installation einer Kameraattrappe im Hauseingangsbereich erweckt bei Mietern und Besuchern ebenfalls den Eindruck einer ständigen Überwachung und beeinträchtigt deshalb das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.[6]

 
Praxis-Beispiel

Videoaufzeichnung als Beweismittel vor Gericht[7]

Einem Urteil des AG Zerbst[8] lag folgender Sachverhalt zugrunde: An ein und derselben Stelle im Keller eines Mietshauses war ständig Feuchtigkeit mit beißendem Uringestank vorhanden. Über Monate hinweg war es dem Vermieter nicht möglich zu ermitteln, wer hierfür verantwortlich war. Abhilfe sollte eine Videokamera schaffen. Der Vermieter installierte also an versteckter Stelle eine Überwachungskamera. Endlich konnte der Mieter aus dem zweiten Stock als Übeltäter ausgemacht werden. Er hatte mehrmals täglich den Keller als Lokus verwendet. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis außerordentlich fristlos. In der anschließenden Räumungsklage hatte der Mieter freilich alles abgestritten. Als einziges Beweismittel stand nun dem Vermieter die Videoaufzeichnung zur Verfügung.

Das Gericht hatte diese als Beweismittel zugelassen. Zwar wiegt in aller Regel das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht des Überwachten schwerer als eine derartige Verwertung – jedoch nicht schrankenlos. Grundsätzlich kann auch das Interesse an der Aufklärung einer bereits geschehenen Rechtsverletzung im Einzelfall den mit einer verdeckten Videoüberwachung verbundenen Eingriff in Persönlichkeitsrechte rechtfertigen. Voraussetzung ist jedoch zum einen, dass es sich um eine erhebliche Vertragsverletzung handelt, deren Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mindestens gleichkommt. Zum anderen muss die Videoüberwachung überhaupt geeignet sein, hinreichend sichere Rückschlüsse auf die Verantwortlichen bereits begangener Rechtsverletzungen zu liefern.[9]

[1] KG Berlin, Beschluss v. 4.8.2008, 8 U 83/08, NZM 2009, 736.
[2] AG München, Urteil v. 16.10.2009, 423 C 34037/08.
[3] BGH, Urteil v. 25.4.1995, VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955.
[4] AG München, Urteil v. 4.12.2013, 413 C 26749/13.
[5] AG Köln, Urteil v. 20.12.1994, 208 C 57/94, NJW-RR 1995, 1226.
[6] LG Berlin, Urteil v. 14.8.2018, 67 S 73/18; AG Frankfurt a. M., Urteil v. 14.1.2015, 33 C 3407/14; AG Berlin-Lichtenberg, Urteil v. 24.1.2008, 10 C 156/07, NZM 2008, 802.
[7] Aus Blankenstein, Schwierige Mietverhältnisse – Wege aus der Krise.
[8] AG Zerbst, Urteil v. 31.3.2003, 6 C 614/02, NZ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge