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BVerwG Beschluss vom 01.08.1996 - 5 B 90.96

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Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 22.03.1996; Aktenzeichen 16 A 3458/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1996 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht bleibt ohne Erfolg. Denn die für die Zulassung der Revision allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung in künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und/oder die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Dazu ist erforderlich, daß die von der Beschwerde darzulegende Rechtsfrage klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober 1986 – BVerwG 3 B 43.86 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243≫). An dieser Klärungsbedürftigkeit fehlt es aber, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage bereits ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. BVerwG, Beschluß vom 31. Juli 1987 – BVerwG 5 B 49.87 – ≪Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14≫) oder die Frage sich auf der Grundlage höchstrichterlicher Entscheidungen beantworten läßt (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪92≫).

Der Kläger wirft im Zusammenhang mit den für eine Anerkennung bzw. Förderung an ihn gestellten Anforderungen (deutlichere Distanz zu dem Infoladen und Kündigung des Mietverhältnisses; hinreichende hausinterne Aufarbeitung konkreter Probleme, „nämlich die Nachbarschaft des Infoladens sowie ein Angriff auf ein Kamerateam auf der Straße vor der Einrichtung des Klägers”) als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, „in welcher Weise und in welchem Ausmaß ein Träger von Jugendarbeit sich von seiner jugendlichen Klientel zu distanzieren hat, wenn diese ein offensichtlich problematisches Verhältnis zur Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zeigt”, „welche Distanz ein Träger der Jugendarbeit gegenüber Jugendlichen, die sich nicht unbedingt rechtskonform verhalten, einnehmen muß, um förmlich anerkannt zu werden und in den Genuß öffentlicher Förderung zu kommen”, bzw. inwieweit ein Träger der Jugendhilfe „sich von einem nicht unwesentlichen Teil seiner Klientel zu distanzieren, diese somit aus seiner Arbeit auszugrenzen” habe und ob in der Jugendarbeit von einem Träger verlangt werden müsse, „Jugendliche mit extremer politischer Orientierung auszuschließen, oder ob eine offene Konkurrenzsituation zwischen dieser Orientierung und sinnvoller, selbstorganisierter, basisdemokratischer Jugendarbeit die pädagogisch sinnvollere Arbeit ermöglichen kann, die eher das Ziel erreicht, die Jugendlichen für die grundlegenden Ziele des Grundgesetzes und dessen Wertordnung zu gewinnen”.

Soweit der Kläger damit die Frage aufwerfen sollte, ob ein freier Träger sich gegenüber einer Befürwortung gewaltsamer Bestrebungen, die nicht von ihm, sondern von dritter Seite in seinem Wirkungskreis zur Diskussion gestellt werden, oder gegenüber konkreten gewalttätigen Aktionen, die aus dem Kreise seiner eigenen Klientel unternommen werden, neutral verhalten kann, bedarf dies keiner revisionsgerichtlichen Klärung. Das Gesetz selbst verlangt von den Trägern der freien Jugendhilfe als Voraussetzung der Anerkennung bzw. der Förderung, daß sie die „Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten” (§ 75 Abs. 1 Nr. 4, § 74 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII); eine „offene Konkurrenzsituation” zwischen extremen, gewaltbereiten Orientierungen und einer an den Zielen des Grundgesetzes orientierten Jugendarbeit kann es daher im Bereich öffentlich geförderter Jugendarbeit nicht geben. Daß der Kläger Vorfälle wie den Angriff auf ein Kamerateam nicht unerörtert hinnehmen bzw. sich bei der von ihm verlangten hausinternen Aufarbeitung nicht einer inhaltlichen Stellungnahme enthalten und es nicht der „freien Konkurrenzsituation” überlassen kann, welche Auffassung sich in seinem eigenen Bereich durchsetzt, ergibt sich ohne weiteres aus dem gesetzlichen Erfordernis einer „Gewähr” für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Jugendarbeit.

In seinem Urteil vom 16. Februar 1978 – BVerwG 5 C 33.76 – (BVerwGE 55, 232) hat das Bundesverwaltungsgericht zu der früheren Regelung in § 9 Abs. 1 JWG, wonach Träger der freien Jugendhilfe nur unterstützt werden durften, wenn sie u.a. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit boten, entschieden, daß diese Gewähr nur dann geboten sei, wenn der Träger positiv im Sinne der obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie wirke; diese Gewähr biete ein Träger der freien Jugendhilfe nicht, der an seiner Arbeit – gemessen an dem Erfordernis des positiven Wirkens – begründete Zweifel aufkommen lasse. Diese Grundsätze hat die Vorinstanz bzw. das in dem angefochtenen Beschluß zur Begründung in Bezug genommene Urteil des Verwaltungsgerichts auch auf die oben genannten Rechtsvorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch, welche an die Förderungsvoraussetzungen des früheren § 9 Abs. 1 JWG anknüpfen, zur Anwendung gebracht. Mit diesen Grundsätzen hat die Beschwerdebegründung sich nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt, weshalb vor dem Hintergrund dieser Grundsätze Fragen gleichwohl klärungsbedürftig geblieben oder infolge der Ablösung des Jugendwohlfahrtsgesetzes durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) wieder klärungsbedürftig geworden sein könnten.

Soweit das Verwaltungsgericht in Anwendung der vorgenannten Grundsätze vom Vorstand und den Mitarbeitern des Klägers „einen eindeutigen Nachweis ihres positiven Wirkens im Sinne der obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie” verlangt und das Vorbringen des Klägers zum Verhalten seines Vorstandes und seiner Mitarbeiter dahin gehend gewürdigt hat, dieses reiche zur Ausräumung von entstandenen Zweifeln an der Gewährleistung einer den Zielen des Grundgesetzes förderlichen Arbeit nicht aus, denn es lasse „die bei dieser Arbeit vom Kläger und seinen Mitarbeitern vertretenen inhaltlichen Positionen nicht erkennen” (S. 14–15 des verwaltungsgerichtlichen Urteils), sind gegen die dieser Wertung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen und gegen die Wertung selbst revisionsrechtliche Rügen nicht erhoben. Der Senat hat daher in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß das vom Kläger in seiner Jugendarbeit vertretene Ziel, „die Jugendlichen für die grundlegenden Ziele des Grundgesetzes und dessen Wertordnung zu gewinnen”, bei der von ihm verlangten „hausinternen Aufarbeitung” der auf S. 14 des verwaltungsgerichtlichen Urteils genannten Vorfälle nicht sichtbar geworden ist; mit einem davon abweichenden Vortrag könnte der Kläger in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen nicht mehr entscheidungserheblich an. Es geht nicht darum, daß der Kläger bestimmte Jugendliche aus seiner Arbeit ausgrenzt, sondern darum, ob er seine eigenen Ziele in seiner Jugendarbeit hinreichend verdeutlicht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Rojahn, Dr. Franke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1614664

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