Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Urteil vom 11.12.2008 - IX ZR 195/07

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters bei Nichtbestehen eines Bereicherungsanspruchs an die Masse. Kenntnis des Schuldners. „Vorkonkursliche” Schadensersatzansprüche des Anfechtungsgegners

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Insolvenzverwalter steht der auf eine Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gestützte Rückgewähranspruch auch dann zu, wenn der daneben bestehende Bereicherungsanspruch der Masse nur an der Kenntnis des Schuldners von der Nichtschuld der Leistung scheitert und dem Anfechtungsgegner "vorkonkursliche" Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner zustehen.

 

Normenkette

InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1; BGB § 814

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Urteil vom 17.10.2007; Aktenzeichen 2 S 52/07)

AG Weiden i.d. OPf. (Entscheidung vom 11.04.2007; Aktenzeichen C 32/07)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Weiden vom 17.10.2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.157,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.078,47 EUR seit dem 11.4.2006 und auf 79,05 EUR seit dem 1.3.2007 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11.3.2005 am 1.7.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 v.H. und 14,07 v.H. Der Beklagte erklärte am 4.11.2000 seinen Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung des Beklagten Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Der Beklagte leistete im Jahr 2000 eine Einlage von 10.225,84 EUR und ein Agio von 715,81 EUR. Er erhielt Auszahlungen am 31.3.2003i.H.v. 5.000 EUR und am 29.10.2004 von 9.430,56 EUR.

[2] Mit seiner Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Differenzbetrag zwischen den an den Beklagten geleisteten Auszahlungen und seiner Einlage (4.204,72 EUR) zzgl. vorgerichtlicher, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten (214,39 EUR), jeweils zzgl. Zinsen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte zum Teil Erfolg. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

[3] Die Revision des Klägers hat bis auf einen Teil des verfolgten Zinsanspruchs Erfolg und führt insoweit zur Verurteilung des Beklagten.

I.

[4] Das Berufungsgericht hat gemeint: Dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 134 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO zu. Da die Schuldnerin nur vorgespiegelt habe, aus Termingeschäften Gewinne erzielt zu haben, seien die Gewinne objektiv ohne Gegenleistung des Beklagten ausgezahlt worden. Die einseitige Annahme des Beklagten, die Schuldnerin sei vertragsgemäß vorgegangen, könne eine Entgeltlichkeit nicht begründen. Der Anspruch sei auch nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Der Beklagte könne jedoch gegen den Rückgewähranspruch aufrechnen oder sei zumindest so zu stellen, als habe er aufrechnen können. Zwar sei eine Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen, weil der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Ein Anspruch aus § 143 InsO komme aber nur deswegen in Betracht, weil der Bereicherungsanspruch des Klägers wegen § 814 BGB ausgeschlossen sei. Ohne diese Vorschrift hätte der Beklagte gegen den Bereicherungsanspruch der Masse mit seinem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB aufrechnen können. Die allein dem Schutz des Empfängers und nicht der Gläubigergesamtheit dienende Vorschrift des § 814 BGB wirke sich deshalb zu seinem Nachteil aus. Zur Vermeidung eines Normwiderspruchs sei der Anfechtungsgegner so zu stellen, als hätte er aufrechnen können. Dies habe der BGH unter Geltung der Konkursordnung entschieden (BGHZ 113, 98, 105 f.). Diese Rechtsprechung sei auf die Insolvenzordnung zu übertragen. Der Beklagte sei daher so zu stellen, als habe er mit Schadensersatzansprüchen auf Rückzahlung des Agio (715,81 EUR) und des entgangenen Gewinns aus einer versäumten anderweitigen Anlage des bei der Schuldnerin eingelegten Betrages aufrechnen können. Nach § 252 Satz 2 BGB sei eine Verzinsung des eingezahlten Betrages mit 4 v.H. (§ 246 BGB) anzunehmen, welche zu entgangenen Zinsen von 1.362,66 EUR führe. Der Rückgewähranspruch des Klägers mindere sich deshalb um (715,81 EUR +1.362,66 EUR =) 2.078,47 EUR.

II.

[5] Dies hält rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

[6] 1. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Insolvenzverwalter könne die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung (BGHZ 113, 98, 101 ff.; BGH, Urt. v. 29.11.1990 - IX ZR 55/90, WM 1991, 331, 332 f.), die der Senat im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat (BGH, Urt. v. 13.3.2008 - IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975 f Rz. 6 ff.). Diese ist insoweit ganz überwiegend auf Zustimmung gestoßen, als nach ihr einseitigen Vorstellungen des Leistungsempfängers über eine Entgeltlichkeit der Leistung selbst dann keine Bedeutung zukommt, wenn der Irrtum durch den Schuldner hervorgerufen worden ist (FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl., § 134 Rz. 10 f.; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 134 Rz. 27; Kirchhof in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 134 Rz. 24; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 134 Rz. 9; Smid/Zeuner, InsO, 2. Aufl., § 134 Rz. 22; Johlke EWiR 1989, 1015, 1016). Die Anfechtbarkeit ausgezahlter Scheingewinne nach § 134 InsO zieht die Revisionserwiderung im Allgemeinen nicht in Zweifel. Auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die von der Schuldnerin bei den anfangs noch in geringem Umfang getätigten Anlagen erzielten Gewinne seien geringfügig gewesen und durch die Verwaltungskosten aufgezehrt worden, so dass die Auszahlungen an die Anleger vollumfänglich in Form des "Schneeballsystems" erbracht worden seien, wird von ihr nicht angegriffen.

[7] 2. Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte sei so zu stellen, als könne er mit seinen gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzansprüchen gegen den Rückgewähranspruch aufrechnen. Auch insoweit hat sich das Berufungsgericht auf die noch unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung (BGHZ 113, 98, 105 f.) gestützt und diese auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung für anwendbar betrachtet (so auch OLG Frankfurt ZIP 2007, 2426, 2427 f.; OLG Jena ZIP 2008, 1887, 1888; Brandes in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 96 Rz. 10; HmbKomm-InsO/Rogge, 2. Aufl., § 134 Rz. 37; Biehl NJ 2008, 368, 369, 370). Dies findet nicht die Billigung des Senats.

[8] a) Mit der Einführung der Insolvenzordnung hat sich die Rechtslage in dem hier maßgeblichen Punkt geändert. Anders als im Anwendungsbereich der Konkursordnung wird durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch des Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht in Betracht gekommen.

[9] aa) Unter der Geltung der Konkursordnung schied eine Aufrechnung gegen den konkursrechtlichen Anfechtungsanspruch nach § 55 Satz 1 Nr. 1 KO aus, weil der Rückgewähranspruch originär mit und deshalb erst "nach" Verfahrenseröffnung entsteht (BGHZ 83, 102, 105 f.; 113, 98, 105 m.w.N.). Eine vor Konkurseröffnung bestehende Aufrechnungslage wurde hingegen durch § 53 KO geschützt. Ohne die Vorschrift des § 814 BGB hätte eine solche Lage bereits vor Konkurseröffnung bestanden. Wenn nicht diese Vorschrift einen Bereicherungsanspruch des Gemeinschuldners ausgeschlossen hätte, hätten sich dieser Anspruch und der mit der täuschungsbedingten Entscheidung des Anlegers für die vermeintliche Geldanlage entstandene, aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB sowie aus Verschulden bei Vertragsschluss herzuleitende Schadensersatzanspruch bereits vor Konkurseröffnung aufrechenbar gegenübergestanden. Die Aufrechnung mit diesem Schadensersatzanspruch gegen den (hypothetischen) Bereicherungsanspruch wäre nicht an § 55 Satz 1 Nr. 3 KO gescheitert, weil die Anwendung dieser Vorschrift voraussetzte, dass zuerst die Schuld ggü. dem späteren Gemeinschuldner und dann erst die Forderung an ihn entstanden war (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl., § 55 Rz. 16). Griff die Vorschrift des § 55 Satz 1 Nr. 3 KO nicht ein, war zwar noch die Möglichkeit der Konkursanfechtung gegeben. Anfechtbar war nach der damaligen Rechtsprechung jedoch nur der Gesamtvorgang aus Herstellung der Aufrechnungslage und Aufrechnung, wenn die Voraussetzungen des § 30 KO oder des § 31 KO vorlagen (BGHZ 58, 108, 113 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.11.1998 - IX ZR 199/97, ZIP 1998, 2165, 2166). Eine Anfechtbarkeit nach diesen Vorschriften kam nach dem der Entscheidung BGHZ 113, 98 zugrunde liegenden Sachverhalt nicht in Betracht.

[10] War der Anleger ohne die Vorschrift des § 814 BGB nicht verpflichtet, die an ihn ausgeschütteten Scheingewinne nach Bereicherungsrecht an die Masse zurückzuzahlen, sondern konnte mit Schadensersatzansprüchen gegen den Schuldner aufrechnen, sollte dieses Ergebnis durch die Anwendung des § 814 BGB, der den Schutz des Schuldners des Bereicherungsanspruchs bezweckt, nicht vereitelt werden. Um diesen Normwiderspruch zu vermeiden, war der Anleger nach der damaligen Rechtsprechung des Senats so zu stellen, als hätte er mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen können (BGHZ 113, 98, 105 f.).

[11] bb) Im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung kann der Empfänger einer nicht geschuldeten, aber auch anfechtbaren Leistung des Schuldners nicht einwenden, er könne gegen den neben § 143 InsO bestehenden Bereicherungsanspruch nur wegen § 814 BGB nicht aufrechnen; der Aufrechnung steht nunmehr auch § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegen (vgl. FK-InsO/Dauernheim, a.a.O., § 143 Rz. 44).

[12] (1) Zu dieser Vorschrift ist anerkannt, dass die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, selbständig angefochten werden kann (BGH, Urt. v. 2.6.2005 - IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523; zur Konkursordnung und Gesamtvollstreckungsordnung vgl. BGHZ 145, 245, 253, 255; 147, 233, 236 f.; BGH, Urt. v. 22.4.2004 - IX ZR 370/00, ZIP 2004, 1160). In § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO kommt ferner die Wertung zum Ausdruck, dass das Vertrauen des Gläubigers auf den Bestand einer durch eine anfechtbare Rechtshandlung geschaffenen Aufrechnungslage nicht schutzwürdig erscheint (BT-Drucks. 12/2443, 141). Als Rechtshandlung kann an jedes Geschäft angeknüpft werden, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt (vgl. HK-InsO/Kayser, a.a.O., § 96 Rz. 32; Häsemeyer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. S. 645, 656 Rz. 34). Es kommen alle Anfechtungstatbestände in Betracht, auch die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO (Brandes in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 96 Rz. 29; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 96 Rz. 48; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO Stand März 2003, § 129 Rz. 60; Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl., § 45 Rz. 98, Häsemeyer, a.a.O., Rz. 35). Die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung wird genauso beurteilt, wie wenn das Insolvenzverfahren im Zeitpunkt des Erwerbs der Forderung bereits eröffnet gewesen wäre (BGHZ 169, 158, 162 f Rz. 13). Der Verwalter kann sich unmittelbar auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO berufen (BT-Drucks. 12/2443, a.a.O.; BGHZ 159, 388, 393; 169, 158, 161 Rz. 11). Anders als nach § 55 Satz 1 Nr. 3 KO kommt es für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch nicht mehr darauf an, in welcher zeitlichen Reihenfolge die gegenseitigen Forderungen entstanden sind (BT-Drucks. 12/2443, a.a.O.; BGHZ 159, 388, 393).

[13] (2) Danach wäre eine Aufrechnung durch den Beklagten auch dann insolvenzrechtlich unwirksam, wenn der Schuldnerin ein nicht an § 814 BGB scheiternder Bereicherungsanspruch zugestanden hätte. Der Beklagte hätte die Möglichkeit der Aufrechnung dadurch erhalten, dass er durch eine unentgeltliche und damit nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare Leistung der Schuldnerin zugleich auch Schuldner eines Bereicherungsanspruchs geworden wäre, nachdem er zuvor bereits Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs war. Der Kläger hätte den Bereicherungsanspruch nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unabhängig von der Gegenforderung des Beklagten durchsetzen können; eine etwa schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Aufrechnungserklärung wäre mit Eröffnung insolvenzrechtlich unwirksam geworden (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2007 - IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467, 1468 Rz. 11).

[14] b) Aus anderen Gründen als dem durch die Insolvenzordnung beseitigten Wertungswiderspruch ist eine Einschränkung des aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Rückgewähranspruchs nicht zu rechtfertigen.

[15] aa) Der Normzweck des § 814 BGB als solcher fordert keine Einschränkung. Die auf dem Gedanken der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens beruhende Norm will den Leistenden benachteiligen, während der Empfänger darauf vertrauen darf, eine bewusst zur Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit erbrachte Leistung behalten zu dürfen (vgl. BGHZ 113, 98, 105 f.). Diese Beschränkungen hat der Insolvenzverwalter allerdings hinzunehmen, wenn er einen seiner Verwaltung unterliegenden Bereicherungsanspruch des Schuldners geltend macht (vgl. Jaeger/Henckel, InsO § 134 Rz. 13; HK-InsO/Kayser, a.a.O., § 96 Rz. 23; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 134 Rz. 36; Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 134 Rz. 45; Smid/Zeuner, a.a.O., § 134 Rz. 22; Staudinger/Lorenz, BGB Neubearbeitung 2007 § 814 Rz. 5, § 817 Rz. 16; MünchKomm/BGB/Lieb, 4. Aufl., § 814 Rz. 9; Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 814 Rz. 1; Gerhardt ZIP 1991, 273, 282 f.; Pape EWiR 1990, 389, 390). Im Gegensatz dazu eröffnet die Insolvenzanfechtung dem Insolvenzverwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem materiellen Recht dem Verfügenden selbst verwehrt ist (Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts (2006) S. 154; Gerhardt ZIP 1991, 273, 283). Eine Einschränkung dieses originären gesetzlichen Anspruchs (vgl. BGHZ 15, 333, 337; 83, 102, 105 f.; 113, 98, 105; BGH, Urt. v. 18.5.1995 - IX ZR 189/94, ZIP 1995, 1204, 1205 f.; v. 18.12.2003 - IX ZR 9/03, ZIP 2004, 324, 326) allein durch den Normzweck des § 814 BGB ist abzulehnen (HK-InsO/Kayser, a.a.O., § 96 Rz. 23; Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 134 Rz. 22, 45 und § 143 Rz. 10; Gerhardt, a.a.O.; im Ergebnis auch Jaeger/Henckel, a.a.O., § 134 Rz. 13).

[16] bb) Der Schutz des Anfechtungsgegners wird durch § 143 Abs. 2 InsO oder - in Ausnahmefällen - durch § 242 BGB ausreichend gewährleistet (Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 134 Rz. 45). Die entgegengesetzte Auffassung, die den Schutzgedanken des § 814 BGB bei dem Empfänger einer unentgeltlichen Leistung für maßgeblich hält, würde ihrerseits zu einem Normwiderspruch führen. Denn das Vertrauen des Empfängers einer solchen Leistung ist nach der Insolvenzordnung gerade nicht in besonderem Maße schutzwürdig. Die Insolvenzordnung betont in noch stärkerem Umfang als die Konkursordnung die geringe Bestandskraft des unentgeltlichen Erwerbs. In den Materialien wird dieser Umstand als Grund für die Erweiterung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre und die Umkehr der Beweislast für den Zeitpunkt des Rechtserwerbs genannt (BT-Drucks. 12/2443, 161). Gegen die Einbeziehung der Wertungen des § 814 BGB spricht schließlich der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Sie führte zu der Konsequenz, dass in Bertrugsanlagensystemen, die - wie das von der Schuldnerin betriebene - nach dem "Schneeballsystem" arbeiten, die früheren Gläubiger, an die - zur Aufrechterhaltung des Systems - Ausschüttungen geleistet werden, besser gestellt werden, als diejenigen, die ihre Einlagen erst später erbringen und die infolge des bald danach erfolgten Zusammenbruchs der Gesellschaft leer ausgehen. Erstere dürften die ihnen geleisteten "Ausschüttungen" selbst dann behalten, wenn sie innerhalb der Anfechtungsfrist des § 134 InsO erfolgt sind, mit der Folge der Minderung der Vermögensmasse der Schuldnerin, die allein zur Befriedigung der Gläubigeransprüche und damit der Forderungen letzterer insgesamt zur Verfügung steht.

[17] 3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

[18] a) Der Anspruch scheitert nicht an einem Wegfall der Bereicherung (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Tatsacheninstanzen haben die Voraussetzungen einer Entreicherung nicht festgestellt; die Revisionserwiderung zeigt nicht auf, dass dabei Tatsachenvortrag des Beklagten übergangen worden ist.

[19] aa) Zu Unrecht meint der Beklagte, er sei nicht bereichert, weil ihm in Höhe der Klageforderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zugestanden habe. Die Auszahlungen sind nicht auf einen Schadensersatzanspruch des Beklagten, sondern nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldnerin die Zahlung einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet (vgl. BGHZ 113, 98, 104 f.). Eine andere Sicht verbietet sich insb. im Hinblick auf den mit den Zahlungen verfolgten Zweck, der dahin ging, die Machenschaften der Gemeinschuldnerin zu verdecken (vgl. BGHZ, a.a.O., S. 104).

[20] bb) Soweit der Beklagte meint, er dürfe die Einlage als Aufwand für den Erwerb des Anspruchs auf Zinsen abziehen, übersieht er, dass die Einlage bereits bei der Berechnung der Klageforderung berücksichtigt worden ist und nicht doppelt in Abzug gebracht werden darf.

[21] b) Die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Nur in Extremfällen hindert § 242 BGB die Durchsetzung dieses Anspruchs (HK-InsO/Kayser, a.a.O., § 96 Rz. 23; Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 134 Rz. 45). Im Streitfall ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben. Der Schutz des Beklagten als einer der getäuschten Anleger gebietet es nicht, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger zurücktreten zu lassen.

III.

[22] 1. Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

[23] 2. Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; BGHZ 171, 38, 43 Rz. 13 ff.). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforderung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet. Soweit der Kläger auf diese Nebenforderung Zinsen geltend macht, ist zu einem Verzugseintritt zum 13.5.2006 nichts festgestellt. Der Kläger kann insoweit lediglich Prozesszinsen nach § 291 BGB verlangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2097235

BGHZ 2009, 137

BB 2009, 113

BB 2009, 403

DB 2009, 276

NJW 2009, 363

NWB 2009, 440

BGHR 2009, 368

EBE/BGH 2009

EWiR 2009, 419

WM 2009, 178

ZAP 2009, 270

ZIP 2009, 186

DZWir 2009, 250

MDR 2009, 350

NZI 2009, 103

ZInsO 2009, 185

KSI 2009, 140

NWB direkt 2009, 150

ZVI 2009, 66

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Produktempfehlung
haufe-product

    Meistgelesene Beiträge
    • Checkliste Jahresabschluss 2025 / 12.1.1 Prüfungsauftrag
      2
    • Steuer Check-up 2025 / 2.12.3 Grunderwerbsteuer auch bei Treuhandverhältnissen
      2
    • AO-Handbuch, Anhang zur amtlichen Handausgabe 2024
      1
    • Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, HGB ... / 2.2 Angaben zu den Posten des Konzernabschlusses
      1
    • Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, HGB ... / 4 Ausweis von Unterschiedsbeträgen aus der Erstkonsolidierung (Abs. 3)
      1
    • Eigenbelege: Der richtige Umgang mit Eigenbelegen und Er ... / 5 Ersatzbeleg/Notbeleg für nicht mehr vorhandene Belege
      1
    • Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen
      1
    • Geschenke / 5 Wertbestimmung
      1
    • Mietvertrag bei Angehörigen nach Grundstücksverkauf
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7d [Zirku ... / 1.3 Kein Wahlrecht zwischen Steuerbefreiung und Steuerpflicht
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 22d Steuernummer und zu ... / 2 Steuernummer und USt-IdNr.
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 6a Innergemeinschaftlic ... / 4.8 Versagung der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung
      1
    Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Haufe Finance Office Premium
    Top-Themen
    Downloads
    Zum Haufe Shop
    Produktempfehlung


    Zum Thema Finance
    Richtig verzollen und Geld sparen: Schnelleinstieg Zoll
    Schnelleinstieg Zoll
    Bild: Haufe Shop

    Vermeiden Sie teure Fehler bei der Zollerklärung. Mit diesem Buch gehen Sie sicher mit allen Rechtsfragen zum Import und Export um - ohne juristische Vorkenntnisse. Es erklärt Ihnen Schritt für Schritt alle zollrechtlichen Grundlagen für einen reibungslosen Ablauf.


    Insolvenzordnung / § 96 Unzulässigkeit der Aufrechnung
    Insolvenzordnung / § 96 Unzulässigkeit der Aufrechnung

      (1) Die Aufrechnung ist unzulässig,   1. wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,   2. wenn ein Insolvenzgläubiger seine ...

    4 Wochen testen


    Newsletter Finance
    Newsletter Steuern und Buchhaltung

    Aktuelle Informationen aus den Bereichen Steuern und Buchhaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

    • Für Praktiker im Rechnungswesen
    • Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
    • Alles rund um betriebliche Steuern
    Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
    Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
    Haufe Fachmagazine
    Themensuche
    A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
    Zum Finance Archiv
    Haufe Group
    Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe Onlinetraining Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
    Weiterführende Links
    RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
    Kontakt
    Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
    Haufe Rechnungswesen Shop
    Rechnungswesen Produkte Buchführung Software und Bücher Bilanzierung & Jahresabschluss Lösungen Produkte zu Kostenrechnung Produkte zur IFRS-Rechnungslegung Haufe Shop Buchwelt

      Weitere Produkte zum Thema:

      × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

      Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

      Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

      Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

      Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren