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BFH Urteil vom 25.05.1976 - VII R 59/75

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Leitsatz (amtlich)

1. Die Verordnung zur Durchführung des § 160 Abs. 2 RAO vom 24. März 1932 (Aufzeichnungsverordnung) ist noch gültig.

2. Auch bei Zusammenveranlagung ist die Anordnung einer Betriebsprüfung gegen einen Ehegatten nur zulässig, wenn die Voraussetzungen, an die die AO die Anordnung knüpft, in seiner Person erfüllt sind.

2. Auf § 204 AO kann die Anordnung einer Betriebsprüfung nicht gestützt werden.

 

Normenkette

EStG § 26b S. 2; Aufzeichnungsverordnung; AO §§ 204, 193, 162, 160

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für die Jahre 1969 bis 1971 nach § 26 b des EStG zusammenveranlagt. Nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerbescheide ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) unter Berufung auf §§ 160 Abs. 2, 162 Abs. 10, 193 AO eine Betriebsprüfung an, die sich auf die Einkommensteuer und Vermögensteuer der Kläger für die Jahre 1969 bis 1971 erstrecken soll.

Beschwerde und Klage gegen diese Anordnung blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision wird gerügt, daß die Aufzeichnungsverordnung keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Betriebsprüfung darstelle. Soweit sich der Prüfungsauftrag gegen die beklagte Ehefrau richte, fehle es auch dann an einer Rechtsgrundlage, wenn man die Aufzeichnungsverordnung noch für geltendes Recht halte, weil die Ehefrau nur geringe Einkünfte aus Kapitalvermögen habe, die nicht aufzeichnungspflichtig seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist teilweise begründet.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 AO kann das FA auch außerhalb eines Steuerermittlungsverfahrens Nachschau halten bei den Personen, die nach § 160 Abs. 2 AO Aufzeichnungen zu machen haben. Nach § 160 Abs. 2 AO ist derjenige, der nach den bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellungen Reineinkünfte gehabt hat, die eine gewisse vom Reichsminister der Finanzen zu bestimmende Grenze überschreiten, verpflichtet, seine Einnahmen und Ausgaben fortlaufend aufzuzeichnen und alljährlich eine Zusammenstellung über sein Vermögen anzufertigen. § 2 der Aufzeichnungsverordnung setzt die Grenze der Reineinkünfte auf 100 000 DM fest. Die Verordnung nimmt diejenigen Einnahmen von der Aufzeichnungspflicht aus, die durch Bücher oder Aufzeichnungen nach § 160 Abs. 1 oder § 161 AO bereits erfaßt werden (§ 1 Abs. 2 der Aufzeichnungsverordnung). Die Aufzeichnungspflicht beginnt nach § 3 der Aufzeichnungsverordnung mit dem Anfang des Kalenderjahres, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem die Feststellung über die Reineinkünfte getroffen worden ist. Eine Feststellung in diesem Sinne gilt dann als getroffen, wenn der Bescheid, der die Feststellung enthält, bekanntgegeben worden ist (§ 6 Abs. 1 der Aufzeichnungsverordnung).

Nach den Feststellungen des FG sind die Voraussetzungen dieser Bestimmungen gegeben. Der Revisionsangriff richtet sich auch lediglich gegen die Rechtmäßigkeit der Aufzeichnungsverordnung. Er ist jedoch nicht begründet. Die Aufzeichnungsverordnung ist vorkonstitutionelles Recht i. S. des Art. 123 Abs. 1 des GG; sie gilt daher fort, soweit sie dem Grundgesetz nicht widerspricht. Ein solcher Widerspruch läge dann vor, wenn ihre Bestimmungen mit den Grundsätzen eines freiheitlichen demokratischen Staates unvereinbar wären (vgl. Urteil des BVerfG vom 10. Mai 1957 I BvR 550/52, BVerf-GE 6, 389, 419). Dabei kommt es auf den Inhalt der Aufzeichnungsverordnung an, nicht darauf, ob die Ermächtigungsgrundlage den Anforderungen entspricht, die das Grundgesetz an Verordnungsermächtigungen stellt. Die Kläger haben nicht dargelegt, wieso die Verordnung inhaltlich dem Grundgesetz widersprechen sollte. Ein solcher Widerspruch kann in einer reinen Ordnungsvorschrift über steuerliche Aufzeichnungspflichten auch nicht gesehen werden. Die Rechtsgültigkeit der Verordnung ist daher auch, soweit ersichtlich, bisher von keiner Seite angezweifelt worden.

Das FG hat zu Recht das Vorliegen von Ermessensfehlern bei der Anordnung der Betriebsprüfung verneint.

Die Anordnung der Betriebsprüfung war demnach gegenüber dem Kläger gerechtfertigt. Daraus ergibt sich aber noch nicht die Rechtmäßigkeit der Betriebsprüfungsanordnung gegenüber der Klägerin. Daran ändert nichts die Tatsache, daß beide Kläger die Zusammenveranlagung beantragt hatten. Die Zusammenveranlagung führt nicht dazu, daß die Kläger als steuerliche Einheit zu betrachten sind. Vielmehr sind beide Ehegatten getrennte Steuersubjekte. Ihre Einkünfte sind zwar zusammenzurechnen (§ 26 b Satz 2 EStG), aber getrennt zu ermitteln (vgl. Blümich/Falk/Steinbring/Uelner, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 26 b Anm. 2 b). Jeder Ehegatte ist Steuerpflichtiger und Steuerschuldner (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1958 IV 27/58 U, BFHE 66, 556, BStBl III 1958, 212).

Die Betriebsprüfungsanordnung gegenüber der Klägerin wäre daher nur dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen der §§ 160 Abs. 2, 162 Abs. 10, 193 AO in der Person der Klägerin erfüllt wären. Das ist aber nicht der Fall. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich vielmehr, daß nur die Einkünfte des Klägers die Wertgrenze der Aufzeichnungsverordnung übersteigen. Die Aufzeichnungspflichten des § 160 Abs. 2 AO treffen daher die Klägerin nicht. Weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vorbringen des FA ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin aus sonstigen Gründen verpflichtet war, Bücher zu führen; daher sind auch die Voraussetzungen des § 162 Abs. 10 AO nicht erfüllt.

Auf § 204 Abs. 1 AO kann die Anordnung einer Betriebsprüfung nicht gestützt werden. Diese Bestimmung überträgt dem FA die Aufgabe der Sachaufklärung, bestimmt aber nichts über die Mittel, die dem FA dafür zur Verfügung stehen. Die Rechtsgrundlagen für das Handeln der Verwaltung ergeben sich aus anderen Bestimmungen, für die Zulässigkeit einer Betriebsprüfung aus den vorgenannten Vorschriften der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72109

BStBl II 1977, 18

BFHE 1977, 34

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