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BFH Urteil vom 24.07.1996 - I R 74/95

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzgänger im Sinne des DBA-Schweiz 1971: Auslegung anhand des Verhandlungsprotokolls vom 18.6.1971, 30-Kilometer-Grenze verfassungsgemäß, Zulässigkeit von Typisierungen, Bestimmung der "Ansässigkeit" nach dem nationalen steuerrechtlichen Wohnsitzbegriff - rechtlich lückenhaft begründetes Urteil des FG

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger ist nicht in der Nähe der Grenze ansässig i.S. des Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz, wenn seine Wohnung mehr als 30 km von der Grenze (Luftlinie) entfernt liegt. Dies gilt auch, wenn die Gemeinde, in der der Steuerpflichtige wohnt, von der 30 km-Grenze durchzogen wird.

 

Orientierungssatz

1. Zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale "ansässig" und "in der Nähe der Grenze" in Art.15 Abs.4 DBA Schweiz 1971 kann vor allem auf das bereits vor Ratifizierung des DBA ausgehandelte Verhandlungsprotokoll vom 18.6.1971 zurückgegriffen werden (BStBl I 1975, 504). Danach ist für die "Ansässigkeit" auf den Wohnsitz und damit mangels abkommensrechtlicher Definition auf den steuerlichen Wohnsitzbegriff i.S. des § 8 AO 1977 abzustellen. Auf den bürgerlich-rechtlichen Wohnsitzbegriff in § 7 BGB, wonach als Wohnsitz nicht die Wohnung, sondern die kleinste politische Einheit angesehen wird, in der die Wohnung liegt, kann für steuerliche Zwecke nicht zurückgegriffen werden. Für die Auslegung des DBA Schweiz 1971 sind weder die Verständigungsvereinbarungen zu den DBA mit Frankreich und Belgien noch das Abkommen der Bundesrepublik mit dem Schweizer Bundesrat über den Grenzübertritt von Personen im kleinen Grenzverkehr vom 21.5.1970 anwendbar.

2. Dadurch, daß für den Begriff des Grenzgängers in Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971 auf den tatsächlichen Abstand zwischen Wohnung und Grenze abgestellt wird, wird nicht der Gleichheitsgrundsatz des Art.3 Abs.1 GG verletzt. Härten, die aus einer notwendigen Typisierung folgen, sind verfassungsrechtlich hinzunehmen. Der Senat teilt die insoweit beiläufigen Erwägungen im BFH-Urteil vom 1.3.1963 VI 119/61 U nicht.

3. Ein Urteil ist nicht mit Gründen versehen i.S. des § 119 Nr.6 FGO, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Eine lückenhafte rechtliche Begründung stellt keinen Verfahrensmangel in diesem Sinne dar.

 

Normenkette

AO 1977 § 8; BGB § 7; DBA CHE 1971 Art. 15 Abs. 4, Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1; FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Gerichtsbescheid vom 27.06.1995; Aktenzeichen 2 K 178/91)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnte seit November 1986 in A, einem Ortsteil der Gemeinde B, und war seitdem nichtselbständig in Basel/Schweiz tätig. Der Ortsmittelpunkt der Gemeinde B liegt innerhalb eines Grenzbereichs von 30 km von der schweizerischen Grenze entfernt. Der Ortsteil A liegt außerhalb der 30 km-Zone.

In den Einkommensteuererklärungen für 1986 bis 1989 (Streitjahre) behandelte der Kläger seinen Arbeitslohn für die Tätigkeit im Ausland als steuerfrei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hingegen beurteilte den Kläger als Grenzgänger i.S. des Art.15 Abs.4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (DBA-Schweiz) und unterwarf die ausländischen Einkünfte der Einkommensteuer.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971 und des § 119 Nr.6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG), die Einspruchsentscheidung und die Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1989 dahingehend abzuändern, daß darin die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit unter Anwendung des Progressionsvorbehalts berücksichtigt würden.

Das FA beantragt Revisionszurückweisung.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO). Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind vom FA nach § 100 Abs.2 Satz 2 FGO antragsgemäß zu ändern.

A. Die Revision ist nicht schon deswegen begründet, weil das Urteil nicht mit Gründen versehen ist (§ 119 Nr.6 FGO). Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Eine lückenhafte rechtliche Begründung --sollte sie vorliegen-- stellt keinen Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr.6 FGO dar (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. September 1994 VII R 15/94, BFH/NV 1995, 241; vom 14. Dezember 1994 IV R 28/94, BFH/NV 1995, 797; vom 20. Februar 1995 II R 50/94, BFH/NV 1995, 812; vgl. z.B. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 119 Rdnr.24, m.w.N.). Soweit daher der Kläger rügt, das FG habe das Verhandlungsprotokoll vom 18. Juni 1971 (BStBl I 1975, 504) und seine Argumente zum DBA-Schweiz 1931/1959 nicht berücksichtigt, rügt er sinngemäß eine lückenhafte Urteilsbegründung, nicht aber das Fehlen von Urteilsgründen schlechthin.

B. Die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hat die vom Kläger in der Schweiz aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielten Einkünften von inländischer Steuer freizustellen.

1. Gemäß Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.d DBA-Schweiz 1971 werden bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer u.a. die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art.15 DBA-Schweiz 1971, soweit sie in der Schweiz besteuert werden können und nicht unter Art.17 DBA-Schweiz 1971 fallen, ausgenommen, vorausgesetzt, die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt. Nach Art.15 Abs.1 DBA-Schweiz 1971 können vorbehaltlich der Art.16 bis 19 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden. Danach kann die Schweiz als sog. Tätigkeitsstaat die Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit besteuern. Die Tatbestandsmerkmale des Art.24 Abs.1 Nr.1 d DBA-Schweiz 1971 sind erfüllt.

2. Das Besteuerungsrecht der Schweiz i.S. des Art.24 Abs.1 DBA-Schweiz 1971 wird im Streitfall auch nicht durch die sog. Grenzgängerregelung in Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971 berührt. Danach kann, wer als Grenzgänger in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ansässig ist und in dem anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze seinen Arbeitsort hat, mit seinen Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Der Kläger, dessen Wohnung in A von der Grenze zur Schweiz mehr als 30 km (Luftlinie) entfernt ist, erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale eines Grenzgängers.

a) Das in den Streitjahren maßgebliche DBA-Schweiz 1971 regelt nicht kraft Definition, wer als Grenzgänger zu behandeln ist. Der Anwendungsbereich des Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971 kann daher nur im Wege der Auslegung der Tatbestandsmerkmale "in der Nähe der Grenze" und "ansässig ist" gefunden werden. Als Auslegungshilfe dient im Streitfall insbesondere das in Vorwegnahme der den Vertragsparteien in Art.15 Abs.5 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 erteilten Ermächtigung ausgehandelte Verhandlungsprotokoll vom 18. Juni 1971 (BStBl I 1975, 504). Bedeutsam ist dabei, daß das Verhandlungsprotokoll dem Gesetzgeber bereits bei Ratifizierung des DBA-Schweiz 1971 vorlag und daher bekannt gewesen sein mußte. Wenn unter diesen Umständen keine Vorbehalte gegen den Wortlaut des DBA-Schweiz und dessen vereinbarte Auslegung erhoben wurden, muß davon ausgegangen werden, daß das Verhandlungsprotokoll einer vom Gesetzgeber für zutreffend erachteten Auslegung entspricht. Hinzu kommt, daß das Verhandlungsprotokoll vom 18. Juni 1971, jedenfalls soweit es auf den Begriff "Wohnsitz" abstellt, im wesentlichen Art.4 Abs.2, Art.8 Abs.1 DBA-Schweiz 1931/1959 und damit der im Zeitpunkt der Ratifizierung geübten Handhabung entspricht (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 1. März 1963 VI 119/61 U, BFHE 76, 580, BStBl III 1963, 212).

b) Im genannten Verhandlungsprotokoll haben sich die Vertragsparteien des DBA-Schweiz 1971 u.a. darauf verständigt, als Grenzgänger nur die in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze arbeitenden Personen anzusehen, die sich morgens über die Grenze zu ihrer Arbeitsstätte begeben und am gleichen Tag an ihren Wohnsitz zurückkehren. Nicht Grenzgänger sollen nach Nr.3 der Verständigungsvereinbarung zu Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971 allerdings die Personen sein, deren Wohnsitz zwar in der Nähe der Grenze liegt, aber deren Arbeitsort von der Grenze 30 km und mehr entfernt ist, oder umgekehrt, deren Arbeitsort in der Nähe der Grenze liegt, aber deren Wohnsitz von der Grenze 30 km und mehr entfernt ist.

Das danach maßgebliche Abstellen auf den "Wohnsitz" steht nicht im Widerspruch zu Art.4 Abs.1 DBA-Schweiz 1971, der die Ansässigkeit (s. Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971) danach bestimmt, wo die Person unbeschränkt steuerpflichtig ist. Für die Auslegung der Ansässigkeit i.S. des Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971 gibt Art.4 Abs.1 DBA-Schweiz 1971 nichts her, weil letzterer ausschließlich regelt, ob eine Person "in einem Vertragsstaat", nicht aber, ob diese in Grenznähe ansässig ist. Mittelbar nimmt allerdings Art.4 Abs.1 DBA-Schweiz 1971 über Art.3 Abs.2 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. § 1 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch auf den bundesdeutschen Wohnsitzbegriff Rückgriff.

c) Da der Begriff "Wohnsitz" abkommensrechtlich nicht definiert ist, ist insoweit grundsätzlich gemäß Art.3 Abs.2 DBA-Schweiz 1971 auf das nationale Recht abzustellen (vgl. z.B. ebenso Meyer-Marsilius/Hangarter, Handelskammer Deutschland-Schweiz, Kommentar zu Art.4 Nr.1; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 2.Aufl., Art.4 Rdnr.8). Hiervon abweichend wird allerdings die Auffassung vertreten, daß bei Bestimmung des Ansässigkeitsbegriffs für Grenzgänger auf Art.8 Abs.1 DBA-Schweiz 1931/1959 (BStBl I 1959, 1006) zurückzugreifen ist (so Kempermann in Flick/Wassermeyer/Wingert, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art.15 Rdnr.71; Geiger/Hartmann/ Alscher, Internationales Steuerrecht 1994, 9). Für den Streitfall kann diese Frage jedoch offenbleiben, da nach Art.8 Abs.1 DBA-Schweiz 1931/1959 als Wohnsitz der Ort angesehen wurde, wo der Steuerpflichtige eine ständige Wohnung hat und regelmäßig verweilt, d.h. auch dieser Wohnsitzbegriff im wesentlichen an die Wohnung anknüpft.

d) Maßgeblich ist der steuerliche Wohnsitzbegriff i.S. des § 8 der Abgabenordnung (AO 1977). Auf den bürgerlich-rechtlichen Wohnsitzbegriff in § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach als Wohnsitz nicht die Wohnung, sondern die kleinste politische Einheit angesehen wird, in der die Wohnung liegt (so z.B. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 55.Aufl., § 7 Rdnr.1, m.w.N.), kann für steuerliche Zwecke nicht zurückgegriffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BFHE 178, 294, BStBl II 1996, 2, m.w.N.).

Nach § 8 AO 1977 hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgeblich ist damit der geographische Ort, an dem sich die Wohnung des Steuerpflichtigen befindet. In diesem Sinn hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung zu Grenzgängern im Sinne des DBA-Schweiz 1971 auf den Wohnsitz und damit auf die Lage der Wohnung des Steuerpflichtigen abgestellt (vgl. z.B. Leitsatz des Beschlusses vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532; BFH-Beschluß vom 16. März 1994 I B 186/93, BFHE 174, 338, BStBl II 1994, 696 a.E.; ebenso Kempermann, a.a.O., Art.15 Rdnr.71; Vogel, a.a.O., Art.15 Rdnr.88 e).

Auf hiervon abweichende Verständigungsvereinbarungen zum DBA-Belgien (s. Schlußprotokoll Nr.11, BStBl I 1969, 48 und 609) und DBA-Frankreich kann im Streitfall schon deswegen zur Auslegung des DBA-Schweiz 1971 nicht zurückgegriffen werden, weil diese Abkommen darauf abstellen, ob sich Wohnstätte bzw. Arbeitsort in der "Grenzzone" (Art.15 Abs.3 Nr.1 DBA-Belgien) bzw. im "Grenzgebiet" (Art.13 Abs.5 DBA-Frankreich) befinden. Wenn in Ausfüllung der Abkommensbegriffe "Grenzgebiet" bzw. "Grenzzone" alle die Gemeinden erfaßt werden sollen, die ganz oder teilweise in einer 20 km-Zone zur Grenze liegen bzw. von dieser Grenzziehung durchzogen werden, so darf diese Auslegung nicht auf Art.15 Abs.4 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. dem Verhandlungsprotokoll vom 18. Juni 1971 übertragen werden, weil diese, auf dem Wortlaut des Abkommens aufbauend, von der Ansässigkeit "in der Nähe der Grenze" ausgehen und diese im Sinne eines 30 km-Abstandes von der Grenze verstanden wissen wollen.

Unzulässig ist auch ein Rückgriff auf die im Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizer Bundesrat über den Grenzübertritt von Personen im kleinen Grenzverkehr vom 21. Mai 1970 genannten Gemeinden (BGBl II 1970, 745, 794). Dieses Abkommen betrifft nicht die Umschreibung des steuerlichen Grenzgängerbegriffs (vgl. Paetzold, Deutsche Grenzgänger in der Schweiz, 1971, S.1 Fußnote, S.28; unzutreffend daher Zabel, Deutsches Steuerrecht 1989, 476, 478; Zwick, Die Einkommensbesteuerung von Grenzgängern, S.81). Auch nimmt die Verständigungsvereinbarung vom 18. Juni 1971 gerade nicht auf das bereits am 1. August 1970 in Kraft getretene Deutsch-Schweizer Verkehrsabkommen Bezug.

e) Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß die von ihm gefundene Auslegung mangels Praktikabilität als ungewollt zu qualifizieren ist. So ist z.B. nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG der tatsächliche Abstand zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgeblich. Aus welchem Grund für die vergleichsweise geringe Zahl deutsch-schweizer Grenzgänger ein entsprechendes Verfahren unpraktikabel sein soll, ist nicht verständlich. Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) ist nicht verletzt, wenn auf den tatsächlichen Abstand zwischen Wohnung und Grenze abgestellt wird, denn insoweit liegen tatsächlich unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen vor. Härten, die aus einer notwendigen Typisierung folgen, sind verfassungsrechtlich hinzunehmen (ebenso Porzner, Die Besteuerung ausländischer Arbeitnehmer und Grenzgänger in der Bundesrepublik Deutschland, 1984, S.438). Der Senat teilt die insoweit beiläufigen Erwägungen im Urteil in BFHE 76, 580, BStBl III 1963, 212 nicht. Der vom FG angesprochene hypothetische Fall, daß eine große Wohnung teilweise weniger und teilweise mehr als 30 km von der Grenze entfernt liegt, vermag als wohl sehr seltener Ausnahmefall wenig zur Auslegung des Abkommens für den Regelfall beizutragen. Ggf. wäre dieser durch Verständigungsvereinbarung nach Art.26 Abs.1 DBA-Schweiz 1971 zu regeln. Besonders deutlich hingegen wird die Notwendigkeit, auf die Lage der Wohnung abzustellen, im Streitfall, in dem der Steuerpflichtige in einem geschlossenen Ortsteil wohnt, der 6 km vom Gemeindezentrum entfernt liegt.

Da die Wohnung des Klägers mehr als 30 km von der Landesgrenze weg liegt, ist dieser nicht Grenzgänger i.S. des Art.15 Abs.4 DBA-Schweiz 1971. Die Berechnung der Einkommensteuer für die Streitjahre wird dem FA nach § 100 Abs.2 Satz 2 FGO übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65835

BFH/NV 1997, 108

BStBl II 1997, 132

BFHE 181, 410

BFHE 1997, 410

BB 1997, 302 (Leitsatz)

DB 1997, 610 (Leitsatz)

DStR 1997, 265-267 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 107-109 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 214-215 (Leitsatz)

StE 1997, 67 (Kurzwiedergabe)

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