Grüne letzte Meile: Potenziale für Unternehmen

Der gewerbliche Verkehr macht heute etwa ein Drittel des innerstädtischen Verkehrs aus. Auch die Zunahme des Personenverkehrs und die fortschreitende Urbanisierung stellt städtische Verkehrsnetze vor enorme Herausforderungen. Daher braucht es dringend Lösungen für die Letzte „grüne“ Meile.

Nicht nur die globalen Klimaziele, sondern auch die kommunalen Ziele erhöhen den Druck, einen Rahmen für nachhaltige Logistikkonzepte zu schaffen. Nach der Automobilwirtschaft und dem Handel ist Logistik der drittgrößte Wirtschaftsbereich. Dennoch gehört er zu den am meisten unterschätzten Industrien in Deutschland - doch ohne nachhaltige Logistik wären wir geliefert. Primäres Mobilitätsziel einer Stadt muss die Schaffung einer sicheren, effektiven und umweltfreundlichen Verkehrssituation sein. Mikromobilitätslösungen spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Urbane Herausforderungen und Lösungen

Laut Prognosen leben bis 2040 65 Prozent aller Menschen weltweit in urbanen Regionen, weshalb umweltfreundlichere und zeitsparende Fortbewegungsmethoden wie Mikromobilität enorme Potenziale für den Verkehr der Zukunft bieten. Doch die Umgestaltung der Mobilität einer Stadt -unter Berücksichtigung von Mikromobilität - ist ein komplexer und zeitaufwändiger Prozess, der auf vielen Ebenen stattfinden muss. Zuvor gilt es, die wichtigsten Herausforderungen zu meistern: So nimmt aufgrund des veränderten Konsumverhaltens und der gestiegenen Kundenanforderungen (zum Beispiel „same day delivery“-Anspruch) der Verbraucher in Zeiten von Online- und Mobile-Shopping die Belastung der Umwelt und die gesundheitliche Belastung der Bewohner vor allem in Ballungsgebieten und Innenstädten stetig zu. Auch machen immer neue Kleinbestellungen die Belieferung der Großstadtnomaden so aufwendig, dass Kurier-, Express- und Paket-Dienste (KEP) schnell an ihre Grenzen kommen.

Neben hohen CO₂-Emissionen, Luftschadstoffen und Lärmbelastung stellt die Letzte Meile - das Wegstück, das die meisten Verkehrsprobleme und die höchsten Schadstoffemissionen innerhalb der Zustellung verursacht - vor allem in Ballungsgebieten und Innenstädten die Versandhändler und Paketdienstleister vor enorme Herausforderungen, denn neben dem häufig geringen Platz zum Parken und Rangieren sind die Kunden oft nicht erreichbar (damit sinkt die Erstzustellungsquote). Muss die Zustellung ein weiteres Mal erfolgen, verschärft sich das Problem. Die Zustellung von Waren und die Letzte Meile müssen deshalb grundlegend neu gedacht werden. Nachhaltige, innovative und integrierte Lösungen für Transport, Logistik und Mobilität sind gefragt. Damit verbunden sind zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Städte:

Ökologische und ökonomische Vorteile für Unternehmen und Städte:

  • Reduzierung von CO₂ und Feinstaub
  • Senkung des Lärm- und Geräuschpegels
  • Unterstützung eines nachhaltigen Lebensstils
  • Reduzierung der PKW-Nutzung
  • Verringerung von Staus
  • Schließung der Lücken in der Verkehrsinfrastruktur (Ausbau von Radwegen, Schaffung von Räumen für andere Mobilitätsformen)
  • Ermöglichung von mehr grünen Zonen.

Das Lastenrad als nachhaltige Lösung

Da die Fahrer die Busspur und Fahrradwege benutzen und auch Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung befahren dürfen, ist die Zustellung häufig auch schneller als mit einem herkömmlichen Paketzustellfahrzeug. Die rasch wachsende Branche der Lastenradlogistik hat in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung durchlaufen. Da die Beschwerden der Kunden über schlechten Service zunehmen, bauen viele Unternehmen deshalb eigene Kapazitäten mit neuen lokalen Partnern auf. Eine der wichtigsten Anwendungen aus verkehrlicher und klimaschützender Perspektive ist die Letzte Meile-Logistik der Paketdienste – zum Beispiel mit dem Lastenrad. Im Jahr 2018 haben Hersteller, Anwender und Dienstleister den Radlogistikverband Deutschland (RLVD) gegründet. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Einsatz moderner Lastenräder und Lastenanhänger in der Logistik voranzubringen und vertritt die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen.

Der Fahrzeugingenieur Philipp Kahle ist zusammen mit Beres Seelbach Geschäftsführer des Start-ups Onomotion mit Sitz in Berlin. Beide beschäftigte die Frage, welche neuen Fahrzeugkonzepte sie entwickeln könnten, um den Verkehr in den Innenstädten zu entlasten. So haben sie ein E-Cargo-Bike entwickelt, das bei der Paketzustellung ein guter Ersatz für Lieferwagen ist. Gegründet wurde das Unternehmen 2016, seit Ende 2020 ist das E-Cargo-Bike auf dem Markt. Zusätzlich werden Services wie Wartung, Mobilitätsgarantie, Versicherungen bis hin zur Auslieferung der Ware mit einer eigenen Flotte von Fahrer:innen angeboten. Mehrere 100 Fahrzeuge sind mittlerweile deutschlandweit unterwegs.

Die Radboten GbR ist ein 2017 gegründetes Unternehmen für umweltfreundliche Express-Logistik und Gründungsmitglied des Radlogistikverbands Deutschland e.V. und setzen sich unter anderem als Partner des Bündnisses „Verkehrswende jetzt“ für eine nachhaltige Mobilität in der Stadt Würzburg und in der Region ein. Gerade im Innenstadtbereich liegen die Vorteile einer Fahrrad-Zustellung gegenüber einer Belieferung mit herkömmlichen Zustellfahrzeugen klar auf der Hand: Aufgrund der entfallenden Parkplatzsuche sind die Zusteller meist schneller am Ziel. Vor allem aber entlasten die emissionsfrei fahrenden Elektro-Lastenräder die Innenstädte und deren Bewohner von Feinstaub- und Stickoxidbelastungen. Auch der Verkehrslärm wird durch sie deutlich reduziert, denn sie sind nahezu lärmfrei unterwegs. Die Zustellung mit Elektrolastenrädern auf der Letzten Meile zum Kunden ist vor allem für Versandhändler sinnvolle und effektive Möglichkeit, um Städte und Ballungsräume von umwelt-, klima- und gesundheitsschädlichen Emissionen zu entlasten. Sie sind selbst Teil des Problems und stellen sich mit einer Maßnahme ihrer Verantwortung, in Eigeninitiative schnell zu handeln.

Die Letzte Meile als Milliardenmarkt

In Europa kämpfen US-Unternehmen wie Uber, Lime oder Bird mit europäischen Anbietern wie Tier, Voi oder Bolt um den Markt der Letzten Meile. In Österreich teilen sich den Markt ebenfalls die großen internationalen Player auf. Dennoch gibt es einige lokale Anbieter, die sich im Markt behaupten können, darunter Startups wie Eddi Bike, GoUrban, iBike-Box, Max Motion und triply. Ubiq (vormals Parkbob) fokussiert sich auf AI-gestützte Services im Flottenmanagement im Shared (E-)Mobility-Bereich. Das Wiener Startup vibe hat Österreichs erstes Abo-Modell für Elektroautos auf den Markt gebracht. Durch die Kooperation mit ausgewählten Energieversorgern kann das Unternehmen auch Ladekosten in seine Tarife einbinden. Im Programm hat vibe Hersteller, wie Audi, BMW, Mercedes-Benz, Tesla, VW, Mini, Opel, Smart, Peugeot, Renault, Kia, Hyundai sowie jungen Marken wie Polestar. Zudem bietet vibe auch rein elektrische Fuhrparklösungen für Business-Kunden an.

SWARCO bietet Mobilitätslösungen, zum Beispiel in Form einer Grünen Welle für Fahrräder an. Entwickelt wird auch eine Implementierung von C-ITS und V2X für verschiedene Mikromobilitäts-Fahrzeuge (zum Beispiel signalprioritäre mobile Anwendungen). Die intelligenten Verkehrslösungen helfen Stadtplanern, Unternehmen und der Öffentlichkeit, Mikromobilität sinnvoll umzusetzen.

Experten des Fraunhofer ILM gehen davon aus, dass künftig die letzte Meile in der City-Logistik verkürzt werden muss. Die Logistik werde sich „nah an oder im Herzen von Metropolen niederlassen müssen, um die hohe Warenverfügbarkeit anbieten zu können“, so ihre Studie. Ein Konzept der Zukunft ist beispielsweise die Belieferung von Supermärkten in der Nacht – mit leisen Elektro-Lkw. Ohne die Verlagerung in die Nacht werde man den Verkehr in den Städten künftig nicht meistern können, so das Umweltbundesamt. Die Grundlage für solche Nachtbelieferungen könne nur die Elektromobilität darstellen. Eine umweltverträgliche und wirtschaftliche Mobilität erfordert eine präzise abgestimmte Koordination der Verkehrsflüsse und Warenströme. Unternehmen müssen heute nicht nur vorangehen, sondern „vorausfahren“, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dazu braucht es Vernetzungskonzepte bis in den letzten Winkel. Allerdings müssen dafür auch die Voraussetzungen für die Letzte Meile erfüllt sein. Dazu gehören:

  • Zulassung von mehr Flexibilität für die Städte bei Tempo 30
  • Berücksichtigung wesentlicher technischer Innovationen für mehr Klimaschutz als Teil eines fundamentalen gesellschaftlichen Transformationsprozesses
  • Ausbau und Förderung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs
  • ein einheitlicher Ordnungsrahmen, der die Zuordnung zur Infrastruktur klar regelt
  • Verbesserung von Rahmenbedingungen für neue Mobilitätsformen
  • bauliche Veränderungen für eine dauerhafte Integration in bestehende Verkehrssysteme
  • ganzheitliches Transportmanagement bei Logistikdienstleistern und Verladern
  • Ausreichende Finanzierung von Kommunen und Abbau von Bürokratie bei Fördermitteln.
Schlagworte zum Thema:  Logistik, Nachhaltigkeit