Nichterbringung der Stammeinlage in einer Gesellschaft

Erbringt ein GmbH-Gesellschafter die Stammeinlage auf seine Geschäftsanteile nicht, kann er die Anteile verlieren (sog. Kaduzierung). Beim Kaduzierungsverfahren sind strenge Voraussetzungen, insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz, zu berücksichtigen.

Zum Sachverhalt

Im Jahr 2014 hatte der Kläger als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer eine GmbH, die spätere Beklagte, gegründet. Das Stammkapital sollte zur Hälfte sofort und im Übrigen auf Anforderung der Geschäftsführung nach Beschluss der Gesellschafterversammlung eingezahlt werden. Über die wirksame Einzahlung der ersten Hälfte des Stammkapitals bestand Einigkeit. Die zweite Hälfte der Einzahlung hatte der Kläger zunächst (über eine in finanziellen Schwierigkeiten befindliche andere Gesellschaft) geleistet, die Zahlung aber schon kurz darauf – über diverse Darlehen – wieder zurückgeführt.

Etwas später verkaufte und übertrug der Kläger 51 % der Geschäftsanteile an der Beklagten. Im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb übernahm der Erwerber die Verpflichtung, der Beklagten auf erstes Anfordern liquide Mittel bis zu 25.000 EUR zur Verfügung zu stellen; Einzahlungen auf das Stammkapital erfolgten aber in der Folgezeit nicht. 

Einige Jahre später fassten der Kläger und der Erwerber einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss, mit dem die Geschäftsführung angewiesen wurde, die ausstehenden Einlagen von den Gesellschaftern einzufordern. Obwohl der Erwerber als Geschäftsführer diese Aufforderung mehrfach gegenüber dem Kläger aussprach, leistete dieser jedoch keine Zahlungen. Daraufhin erklärte die Beklagte den Kläger seines Geschäftsanteils für verlustig. Hiergegen klagte der Kläger zuletzt vor dem OLG Brandenburg – allerdings erfolglos.

Das Urteil des OLG Brandenburg vom 09.09.2020 (Az. 4 U 30/20)

Zahlt ein Gesellschafter die Stammeinlage auf seine Geschäftsanteile nicht ein, kann er unter bestimmten Voraussetzungen seiner betroffenen Geschäftsanteile verlustig erklärt werden (sog. Kaduzierung). Diese Regelung war auch für das Urteil des OLG Brandenburg maßgeblich. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger die Stammeinlage auf seine Geschäftsanteile trotz mehrfacher Aufforderung nicht wirksam erbracht habe. Seine Geschäftsanteile seien daraufhin wirksam kaduziert worden.

Anmerkung

Die GmbH ist in Deutschland nach wie vor die häufigste Gesellschaftsform. Dies liegt unter anderem an ihrem Haftungsschutz für die Gesellschafter: Bei der GmbH haftet den Gläubigern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Gesellschafter persönlich. Um die Gesellschaftsgläubiger zu schützen, gelten im Gegenzug für die GmbH strenge Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften. Mit einem Aspekt der Kapitalaufbringung hat sich nun das OLG Brandenburg in seinem Urteil ausführlich beschäftigt, nämlich dem des sog. Hin- und Herzahlens. So wird die Stammeinlage auf einen Geschäftsanteil nur als wirksam aufgebracht angesehen, wenn der geleistete Einlagebetrag der Gesellschaft endgültig und uneingeschränkt zur freien Verfügung zugeflossen ist.

Wird die Stammeinlage schon kurz nach ihrer Einzahlung wieder an den Gesellschafter zurückgezahlt (z.B. als Darlehen), wird vermutet, dass dies von Anfang an geplant war – dann fehlt es aber an einem dauerhaften Vermögenszufluss bei der GmbH. Eine wirksame Kapitalaufbringung wird in diesen Fällen nur ausnahmsweise angenommen, wenn der der GmbH im Gegenzug für die zurückgezahlte Einlage zustehende Rückgewähranspruch vollwertig ist, er jederzeit fällig gestellt werden kann und das Hin- und Herzahlen auch gegenüber dem Registergericht offengelegt wird (§ 19 Abs. 5 GmbHG). Hieran fehlte es in dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall.

Für die Praxis erinnert das Urteil des OLG Brandenburg daran, dass bei der Kapitalaufbringung bei der GmbH Sorgfalt geboten ist. Dies gilt gerade in Fällen, in denen zeitnah nach Erbringung einer Bareinlage Vermögenswerte an den Gesellschafter zurückfließen. Je nach Gegenstand des Vermögensrückflusses kann das – wie beim OLG Brandenburg – ein Hin- und Herzahlen oder eine verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 GmbHG) darstellen. Damit diese den Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung befreien, müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein. Ist dies nicht der Fall, ist die Einlage des Gesellschafters nicht wirksam erbracht.

Das Urteil des OLG Brandenburg zeigt auch, dass die fehlende Erbringung der Stammeinlage gravierende Folgen haben kann. So muss der Gesellschafter befürchten, seine nicht wirksam erbrachte Einlage zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal leisten zu müssen. Relevant wird dies insbesondere beim Eintritt einer Insolvenz. Daneben muss der Gesellschafter, der seine Einlage nicht wirksam erbringt, auch außerhalb der Insolvenz den Verlust der betroffenen Anteile befürchten – und zwar gegebenenfalls entschädigungslos. Hierfür sieht das GmbH-Recht das sog. Kaduzierungsverfahren (§ 21 GmbHG) vor, nach dem ein mit seiner Einlage rückständiger Gesellschafter – nach der Setzung bestimmter Nachfristen – durch die Geschäftsführung seiner betroffenen Geschäftsanteile verlustig erklärt werden kann. Mit der Kaduzierung verliert der Gesellschafter die Gesellschafterrechte aus diesen Anteilen. Gleichzeitig erhält er keine Abfindung und nicht einmal den bereits geleisteten Teil seiner Einlage erstattet. Für die ausstehende Einlageverpflichtung haftet er aber weiterhin. Diese gravierende Rechtsfolge traf auch den Kläger in dem vom OLG Brandenburg geführten Verfahren.

Beim Kaduzierungsverfahren sind einige (vor allem formelle) Voraussetzungen zu beachten. Neben der ursprünglichen Aufforderung zur Einlagenzahlung muss eine weitere Zahlungsaufforderung mit einer Nachfrist von mindestens einem Monat und der klaren Androhung, bei Nichtzahlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, per Einschreiben ergehen. Auch die anschließende Kaduzierungserklärung selbst, die von der Geschäftsführung abzugeben ist, muss mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen. Sie muss zudem innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Ablauf der Nachfrist abgegeben werden; das OLG Brandenburg hielt im konkreten Einzelfall aber eine Zeitspanne von 15 Monaten zwischen Androhung und Kaduzierungserklärung für zulässig.

Beim gesamten Kaduzierungsverfahren ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen, was das OLG Brandenburg besonders herausgehoben hat.  Wenn also mehrere Gesellschafter ihre Einlageverpflichtung noch erfüllen müssen, muss die Geschäftsführung daher alle betroffenen Gesellschafter zur Leistung der Einlagen auffordern. Tut sie dies (ohne sachlichen Grund) nicht, haben die zur Zahlung aufgeforderten Gesellschafter ein Zurückbehaltungsrecht bis auch an die anderen Gesellschafter eine entsprechende Aufforderung ergangen ist.

Auch bei der Verwertung des kaduzierten Geschäftsanteils, der – anders als bei einer Einziehung – nicht untergeht, sind besondere Regelungen zu berücksichtigen (§§ 22 ff. GmbHG). Im Regelfall muss die Gesellschaft versuchen, die Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters auf Zahlung der ausstehenden Einlage der Reihe nach in Anspruch zu nehmen – zahlt ein Rechtsvorgänger, erwirbt er den kaduzierten Geschäftsanteil. Ist dies nicht möglich, kann die Gesellschaft den kaduzierten Geschäftsanteil öffentlich versteigern oder (mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters) freihändig verkaufen. Ist auch dies nicht möglich, haften die übrigen Gesellschafter für die ausstehende Stammeinlage.

Ein Kaduzierungsverfahren muss angesichts der hohen Formalisierung sorgfältig gestaltet und begleitet werden. Als (einfachere) Alternative kann sich – je nach Satzungsgestaltung –die Einziehung der Geschäftsanteile (nach Volleinzahlung durch die übrigen Gesellschafter oder einen Dritten) bzw. deren Zwangsabtretung oder der Ausschluss des Gesellschafters aus der GmbH nach allgemeinen Grundsätzen aus wichtigem Grund anbieten.

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