Keine Minderung des Reisepreises wegen Quarantäne-Anordnungen

Wird bei einer Urlaubsreise in Zypern coronabedingte Quarantäne angeordnet, weil jemand in der Reisegruppe an Covid-19 erkrankt, sind betroffene Reisende nicht zu einer Minderung des Reisepreises berechtigt: Die Quarantäne verwirklicht kein reisespezifisches Risiko, sondern sie ist Ausprägung des allgemeinen Lebensrisikos.

Der Kläger hatte bei dem beklagten Reiseunternehmen für den Zeitraum 8.3.2020 bis 20.3.2020 eine Reise nach Zypern gebucht inklusive Busrundreise nebst Verlängerungswoche am Strand. Nachdem eine Mitreisende sich mit COVID-19 infiziert hatte, ordneten die örtliche Reiseleitung sowie das lokale Gesundheitsamt Quarantäne für den Kläger als Kontaktperson für den 10.3. bis 24.3.2020 an.

Zu Quarantäne gezwungene Reisender fordert Rückzahlung des Reisepreises

Der Kläger reklamierte noch vor Ort bei der Beklagten einen Reisemangel und forderte Abhilfe. Nach seiner Rückkehr forderte er die Beklagte fristgerecht zur Rückzahlung des Reisepreises auf. Nach Auffassung des Klägers war die Quarantäneanordnung nicht gerechtfertigt, weil er zu der infizierten Person praktisch keinen unmittelbaren Kontakt gehabt habe.

Recht zur Reisepreisminderung ist unabhängig vom Veranstalterverschulden

Das mit der Sache befasste AG lehnte den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Reisepreises ab. Maßgeblich für die Entscheidung waren die Vorschriften zur Minderung des Reisepreises gemäß §§ 651i ff BGB. Hiernach ist der Reisende bei nicht nur ganz unerheblichen Mängeln der Reise zur Minderung des Reisepreises berechtigt. Kommt es zu einem Komplettausfall der wesentlichen, vertraglich vereinbarten Reiseleistungen, so kann der Reisende zu einer Minderung des Reisepreises auf Null berechtigt und der Veranstalter zur Rückgewähr bereits geleisteter Zahlungen verpflichtet sein. Diese Verpflichtung des Veranstalters besteht unabhängig davon, ob er den Reisemangel verschuldet hat oder nicht.

Allgemeine Risiken des täglichen Lebens können Gewährleistungspflicht begrenzen

 Nach dem Urteil des AG kann eine Begrenzung der reisevertraglichen Gewährleistungspflichten unabhängig von der Verschuldensfrage geboten sein, wenn Reiseleistungen durch Umstände ausfallen,

  • die allein in der persönlichen Sphäre des Reisenden liegen oder
  • die die Reiseleistung beeinträchtigenden Umstände zum Risiko des täglichen Lebens des Reisenden gehören.

In solchen Fällen kann nach Auffassung des AG der Zurechnungszusammenhang zu den Vertragspflichten des Reiseveranstalters unterbrochen sein.

Quarantäneanordnung liegt außerhalb der Verantwortungssphäre des Reiseveranstalters

Nach der Bewertung des AG ist die Anordnung der Quarantäne durch die örtlichen Behörden gegenüber dem Kläger als Reiseteilnehmer aufgrund der Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 ein solches Ereignis, das nicht der Verantwortungssphäre des Reiseveranstalters zuzurechnen ist. Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger stelle eine Ausprägung des allgemeinen Lebensrisikos im Rahmen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie dar.

Auch ohne Durchführung der Reise wäre der Kläger diesem Risiko sowohl zu Hause als auch weltweit an fast jedem anderen Ort ausgesetzt gewesen. Die Quarantäne sei daher nicht Folge eines reisespezifischen Risikos. Die Reiseleistungen hätten von der Veranstalterin weiter mangelfrei erbracht werden können, dem Kläger sei die Inanspruchnahme dieser Leistungen lediglich aufgrund einer behördlichen Anordnung verwehrt gewesen.

Keine Pflichtverletzung der Reiseveranstalterin erkennbar

Bei seiner Entscheidung berücksichtigte das AG auch den Umstand, dass zum Zeitpunkt des Reisebeginns keine Reisewarnung des RKI bzw. des Auswärtigen Amtes für Zypern vorgelegen hatte. Die Beklagte habe keine Veranlassung gehabt, von einer besonderen Verbreitung des COVID-19-Virus am Reiseort oder unter den Mitreisenden auszugehen. Die Quarantäneanordnung sei aufgrund einer von der Reiseveranstalterin nicht vorhersehbaren Infektion einer Mitreisenden angeordnet worden. Die Beklagte habe daher keine Sorgfalts- oder Informationspflichten gegenüber dem Kläger verletzt.

Klage auf Rückzahlung des Reisepreises abgewiesen

Im Ergebnis hat das AG daher die Klage auf Rückzahlung des Reisepreises abgewiesen.

(AG München, Urteil v. 16.12.2021, 172 C 23599/20)

Hintergrund:

Das AG bezog sich in seiner Urteilsbegründung auf die Rechtsprechung des BGH, wonach Gewährleistungsansprüche des Reisenden ausgeschlossen sein können, wenn dieser außerhalb der Inanspruchnahme von Reiseleistungen am Urlaubsort beispielsweise verunglückt, erkrankt, Opfer einer Straftat wird und damit Reiseleistungen aus Gründen nicht mehr in Anspruch nehmen kann, die nicht der Sphäre des Reiseveranstalters zuzurechnen sind (BGH, Urteile v. 6.12.2016, X ZR 117/15 u. X ZR 118/15).

Die Preisgefahr trägt der Reiseveranstalter

In den zitierten Entscheidungen hat der BGH allerdings die Gewährleistungspflichten des Veranstalters bejaht, weil die Reisenden die Reiseleistungen infolge eines Verkehrsunfalls während des vom Reiseveranstalter geschuldeten Transfers vom Flughafen zum Hotel - also im Rahmen einer geschuldeten Reiseleistung - nicht in Anspruch nehmen konnten. Nach den Urteilen des BGH trägt der Reiseveranstalter insoweit die Preisgefahr, also das Risiko, dass der vertraglich vereinbarte Reiseerfolg durch Umstände vereitelt wird, die weder dem Veranstalter noch dem Reisenden zuzurechnen sind. Nach diesen Entscheidungen haftet der Veranstalter aber nicht für Umstände, die als Folge des allgemeinen Lebensrisikos der Sphäre des Reisenden zuzurechnen sind.

AG Köln urteilte verbraucherfreundlich

Auf Grundlage dieser BGH-Entscheidungen hat das AG Köln im Fall coronabedingter Einschränkungen einer Schiffsreise durch pandemiebedingt abgesagte Landgänge und Routenänderungen einen Anspruch der Reisenden auf Minderung des Reisepreises bejaht. Nach den Urteilsgründen des AG Köln ist die Haftung für Reisemängel bei Pauschalreisen als Erfolgshaftung ausgestaltet. Der Reiseveranstalter trage die volle Verantwortung für den Erfolg der vereinbarten Reiseleistungen. Das AG Köln setzt damit einen deutlich anderen Akzent als das AG München (AG Köln, Urteil v. 13.9.2021, 133 C 611/20).

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