VG-Urteil: Schulbetretungsverbot für ungeimpftes Kind = zulässig

Bei übertragbaren Krankheiten wie Windpocken oder Masern ist ein Schulbetretungsverbot für nicht geimpfte Kinder eine notwendige Schutzmaßnahme, um eine Verbreitung der Krankheit zu verhindern. Ein unzulässiger faktischer Impfzwang ergebe sich daraus nicht, entschied dabei das Gericht, da die Impfung nur eine weitere Alternative zur Gefahrenabwehr sei.

Die Mutter hatte sich im Wege eines Eilrechtsverfahren gegen ein 16-tägiges Schulbetretungsverbot ihrer beiden Kinder gewehrt. Die Kinder hatten im Rahmen einer Faschingsveranstaltung an ihrer Schule Kontakt zu einem an Windpocken erkrankten Kind, waren aber selbst bislang noch nicht erkrankt. Beide waren nicht gegen Windpocken geimpft.

Schulbetretungsverbot als notwendige Schutzmaßnahme

Das VG Weimar entschied im Sinne der Schulbehörde und bestätigte das Schulbetretungsverbot als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs.1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zutreffend habe der Antragsgegner die Kinder als Ansteckungsverdächtige eingestuft. Dabei muss die Vermutung, dass der Betroffene Krankheitserreger aufgenommen habe, naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genüge hingegen nicht.

Ansteckungswahrscheinlichkeit bei Windpocken äußerst hoch

Eine solche Gefahrenlage sei jedoch vorliegend aufgrund des engen Kontakts zwischen den Kindern auf der Faschingsveranstaltung gegeben gewesen: Windpocken seien mit einer Ansteckungswahrscheinlichkeit von 90 % hoch ansteckend und daher führe fast jeder Kontakt zwischen einer ungeschützten Person und einem an der meldepflichtigen Infektion Erkrankten zu einer Ansteckung, so das Gericht.

  • Das Schulbetretungsverbot war auch erforderlich,
  • da die Kinder nicht geimpft waren
  • und auch keine nachträgliche Schutzimpfung (sog. Riegelungsimpfung) erhalten hatten.

Darin sei auch kein unzulässiger faktischer Impfzwang zu sehen, so das Verwaltungsgericht weiter. Da die Impfung freiwillig sei, bleibe das Recht für den Betroffenen, sich nicht impfen zu lassen, weiterhin gewahrt. Die nach der STIKO empfohlenen Impfung stelle neben dem Schulausschluss lediglich eine weitere Alternative der Gefahrenabwehr dar. Darüber hinaus seien die Kinder der Antragstellerin durch die Maßnahme nicht unzumutbar belastet. Vielmehr stelle sich die Situation nicht anders dar als bei sonstigen kurzeitigen, krankheitsbedingte Fehlzeiten.

Keine Ungleichbehandlung zwischen geimpften und nicht geimpften Kindern

Schließlich liege keine Ungleichbehandlung von geimpften und nicht geimpften Kindern vor. Die Ansteckungsgefahr und das Weiterverbreitungsrisiko sei bei geimpften und nicht geimpften Personen so evident unterschiedlich, dass eine unterschiedliche Behandlung geboten sei, so das Gericht in seiner Begründung. Die von der Antragstellerin gerügte Diskriminierung bestehe daher nicht. Entscheiden sich die Eltern, entgegen der sachverständigen Impfempfehlung der STIKO, ihre Kinder nicht zu impfen, müssten sie und ihre Kinder die Konsequenzen der Nichtimpfung tragen, betonte das Verwaltungsgericht.

(VG Weimar, Beschluss v. 14.03.2019, 8 E 416/19 We)

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Hintergrund:

Eine Krankheit, die eigentlich längst ausgerottet sein könnte, hat wieder Konjunktur. Aber nicht nur die unmittelbaren Gefahren der Infektionskrankheit Masern sind eine Bedrohung. Auch Jahre nach dem Abklingen der Krankheit können besonders im Nervensystem Folgeerkrankungen auftreten.

Die sklerosierende Panenzephalitis – eine besondere Form der Gehirnhautentzündung – verläuft immer tödlich. Der Bundesgesundheitsminister hat daher kein Verständnis für impfkritische Eltern, die seiner Meinung nach aus egoistischen Gründen die Gesundheit der Gesamtbevölkerung gefährden.

Die Lösung wird in der Einführung einer Impfpflicht gesehen. Sie verweisen auf die Einführung der Pflicht zur Pockenschutzimpfung in Bayern im Jahre 1807 und die Übernahme dieser Verpflichtung in das Reichsimpfgesetz im Jahre 1875 für das gesamte Deutsche Reich. Hierdurch wurde in Deutschland die Pockenerkrankung nachhaltig ausgerottet. Seit 1980 sind Pocken weltweit kein Thema mehr.

Aktuell mögliche Rechtsgrundlage für eine Zwangsimpfung

Aktuell könnte eine Einführung einer Zwangsimpfung auf § 20 Abs. 6 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt werden. Hiernach ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass „bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen... teilzunehmen haben“. Voraussetzung ist allerdings, dass die epidemische Verbreitung einer übertragbaren Krankheit wahrscheinlich ist. Wenn impfkritische Eltern sich trotz einer solchen Verordnung weigern würden, ihre Kinder impfen zu lassen, könnte gemäß § 72 IfSG gegen sie ein Bußgeld verhängt werden.

Schlagworte zum Thema:  Diskriminierung, Impfung