BVerfH: Rechte leiblicher Väter werden gestärkt

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Grundsatzentscheidung zum Abstammungsrecht getroffen und damit die Rechte leiblicher Väter gestärkt. Die gesetzliche Regelung in § 1600 BGB wurde als unvereinbar mit dem Elterngrundrecht aus Art. 6 GG und damit für verfassungswidrig erklärt. Dem Gesetzgeber wurde der Auftrag erteilt, bis Ende Juni 2025 das Anfechtungsrecht für Väter neu zu regeln.

Das Gesetz unterscheidet zwischen dem leiblichen und dem rechtlichen Vater. Leiblicher Vater ist der Mann, der das Kind durch Geschlechtsverkehr mit der Mutter gezeugt hat. Ein Samenspender scheidet damit als leiblicher Vater aus. Rechtlicher Vater ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist oder der die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hat, § 1592 BGB. Daraus folgt, dass leiblicher und rechtlicher Vater nicht zwangsläufig identisch sein müssen. Das Gesetz lässt aber nur einen Vater zu, dem Elternverantwortung zuerkannt wird. Zwar hat der leibliche Vater grundsätzlich die Möglichkeit, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten. Nach der aktuellen Gesetzlage ist eine solche Vaterschaftsanfechtung durch den leiblichen Vater aber ausgeschlossen, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Dadurch soll die bestehende soziale Familie aus Kind, Mutter und rechtlichem Vater geschützt werden.

Mit dieser gesetzlichen Ausgangslage gab sich der leibliche Vater eines dreijährigen Kindes nicht zufrieden und klagte über alle Instanzen, bis er vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg hatte. Der betroffene Mann hatte mit der Mutter seines Sohnes eine Beziehung geführt und mit ihr auch in einem Haushalt gewohnt. Kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes trennte die Mutter sich von ihm und nahm eine Beziehung zu einem anderen Mann auf. Gleichwohl pflegte der Vater zunächst regelmäßigen Umgang zu seinem Sohn und wollte die Vaterschaft anerkennen. Weil die Mutter hierzu nicht ihre Zustimmung erklärte, stellte der Mann einen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft beim Familiengericht. Daraufhin erkannte der neue Partner der Mutter mit deren Zustimmung die Vaterschaft an und wurde so zum rechtlichen Vater des Kindes. Die Anfechtungsklage des leiblichen Vaters scheiterte in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht, das darauf abstellte, dass sich inzwischen eine sozial-familiäre Beziehung des neuen Partners zu dem Kind entwickelt hätte. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Mann eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg.

Geltendes Recht ist verfassungswidrig

Das höchste deutsche Gericht erklärte die Regelung in § 1600 Abs. 2 und Abs. 3 BGB für verfassungswidrig und beanstandete dabei insbesondere Folgendes:

  • Zum einen wird nicht berücksichtigt, ob aktuell oder früher auch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind bestand bzw. immer noch besteht.
  • Zum anderen bleiben die bisherigen Bemühungen des leiblichen Vaters um die rechtliche Vaterschaft oder der Umgang mit dem Kind unbeachtet.

Selbst wenn die sozial-familiäre Beziehung zu dem rechtlichen Vater später erlischt, hat der leibliche Vater nach einmal erfolgloser Anfechtung keine Chance mehr, die rechtliche Vaterschaft zu erlangen. Ihm stehen nach der gesetzlichen Lage keine ausreichenden Instrumente zur Verfügung, durch das eigene Verhalten auf die Voraussetzungen der rechtlichen Vaterschaft Einfluss zu nehmen. Dies ist mit dem Elterngrundrecht leiblicher Väter nach Art. 6 GG nicht vereinbar. Eltern müssten die Möglichkeit haben, Verantwortung für die eigenen Kinder auszuüben. Voraussetzung für das Sorgerecht ist jedoch die rechtliche Vaterschaft; ohne das Sorgerecht kann die Elternverantwortung nicht wahrgenommen werden.

Auftrag an den Gesetzgeber

Das BVerfG hat dem Gesetzgeber daher aufgegeben, durch eine Neuregelung die Rechte der leiblichen Väter zu stärken. Dabei hält es das Gericht für möglich, eine Elternschaft von mehr als 2 Personen zu erlauben. So kann sämtlichen Müttern und Vätern Elternverantwortung eingeräumt werden. Verfassungsrechtlich geboten ist eine Mehrelternschaft zwar nicht. Sofern der Gesetzgeber davon absieht, muss er allerdings ein effektives Verfahren für den leiblichen Vater schaffen, dass es diesem ermöglicht, die rechtliche Vaterschaft zu erlangen.

Reformvorhaben in Arbeit

Das Bundesjustizministerium hat bereits angekündigt, eine Gesetzesreform zum Abstammungsrecht auf den Weg zu bringen. Nach den bisherigen Plänen soll dabei grundsätzlich an nur 2 Elternteilen festgehalten werden. Sofern aber ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft anhängig ist, soll dies eine Sperrwirkung für die Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann haben. Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung können laufende Anfechtungsverfahren auf Antrag ausgesetzt werden.

(BVerfG, Urteil. v. 9.4.2024, Az. 1 BvR 2017/21)

Schlagworte zum Thema:  Bundesverfassungsgericht, Familienrecht