Verfügungen zu Lebzeiten beim gemeinschaftlichen Testament

Eine Schenkung unter Lebenden entgegen einem testamentarischen Vermächtnis löst keine unmittelbaren Ansprüche des Vermächtnisnehmers gegen den Beschenkten aus, wenn dieser nicht zu den Erben gehört. Der übergangene Vermächtnisnehmer muss sich zunächst an die Erben wenden.

In einem vom OLG Hamm entschiedenen Fall hatten ein in Essen lebender Bergmann und seine Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin bestimmten sie u.a., dass ihre jüngere Tochter die von ihnen bewohnte Doppelhaushälfte in Essen-Borbeck nach ihrem Tod zu Eigentum erhalten sollte. Die zweite Doppelhaushälfte, die ursprünglich ebenfalls den Eheleuten gehörte, hatten sie zu Lebzeiten ihrer älteren Tochter geschenkt. Nur wenige Wochen nach Errichtung des Testaments verstarb der Ehemann. Nachdem es zwischen der Witwe und ihrer jüngeren Tochter zu einem Zerwürfnis gekommen war, übertrug sie die von ihr bewohnte Doppelhaushälfte an ihren Enkel, den Sohn der älteren Tochter.

Schläge, Beleidigungen und Morddrohung

In dem notariellen Übertragungsvertrag wurde der Hintergrund der Grundstücksübertragung ausdrücklich benannt. Dort hieß es, die Mutter sei von ihrer jüngeren Tochter mehrfach geschlagen und beleidigt worden. Die Tochter habe angedroht: “Ich schlage Dich tot, ich werde dich entmündigen lassen“. Im Februar 2009 verstarb die Witwe des Bergmanns. Darauf nahm die jüngere Tochter den beschenkten Sohn ihrer Schwester auf Übertragung, Räumung und Herausgabe der übertragenen Doppelhaushälfte in Anspruch. Sie machte geltend, Alleinerbin ihrer Mutter, hilfsweise Nacherbin ihres Vaters geworden zu sein. Sie verwies darauf, das von ihren Eltern errichtete gemeinschaftliche Testament sei verbindlich. Die Übertragung der Doppelhaushälfte auf den Sohn ihrer Schwester sei unter Verstoß gegen diese testamentarischen Verfügungen erfolgt; aus diesem Grunde stünden ihr die geltend gemachten Ansprüche gegenüber ihrem Neffen zu.

Erben haben direkte Ansprüche gegen Beschenkten

Wie schon in der Vorinstanz drang die Klägerin auch beim OLG mit ihrem Anliegen nicht durch. Dabei stellte das OLG zunächst auf die Vorschrift des § 2287 BGB ab. Hiernach hat die vom Erblasser lebzeitig beschenkte Person nach Eintritt des Erbfalls das Geschenk nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht vorgenommen hatte, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Diese nach dem Wortlaut zugunsten der Vertragserben geltende Vorschrift ist nach Auffassung des OLG zu Gunsten eines in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament bindend eingesetzten Erben entsprechend anzuwenden.

Klägerin hat keine Erbenstellung

Das OLG verneinte einen Anspruch der Klägerin nach dieser Vorschrift im Ergebnis deshalb, weil die Klägerin in dem gemeinschaftlichen Testament nicht als Erbin eingesetzt worden sei. In dem Testament sei ihr lediglich die Doppelhaushälfte vermacht worden. Dies könne als Erbeinsetzung dann gewertet werden, wenn diese Doppelhaushälfte das wesentliche Vermögen der Testierenden ausgemacht habe. Nach den konkreten Umständen des Falles sei aber davon auszugehen, dass neben der Doppelhaushälfte weiteres Vermögen vorhanden gewesen sei. In einem solchen Fall könne die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes nicht als Erbeinsetzung ausgelegt werden.

Die Primäransprüche der Vermächtnisnehmer richten sich gegen die Erben

Im Ergebnis bewertete das OLG die Zuwendung der Doppelhaushälfte in dem gemeinschaftlichen Testament der Eltern an die Tochter als Anordnung eines Vermächtnisses. Auch für diesen Fall sieht das Gesetz einen Herausgabeanspruch des testamentarisch Bedachten vor. Dieser richtet sich gemäß § 2288 BGB aber nicht unmittelbar gegen den Beschenkten, sondern gegen die übrigen Erben und geht auf Verschaffung des Eigentums oder ersatzweise auf Wertersatz. Da der Sohn ihrer Schwester nicht zu den Erben gehöre, sei dieser nicht Adressat der Anspruchsgrundlage des § 2288 Abs. 1,  Abs. 2 Satz 1 BGB.

Vorrang der Erbenhaftung

Schließlich prüfte das Gericht einen möglichen Anspruch der Klägerin nach § 2188 Abs. 2 Satz 2 BGB. Hiernach hat auch der Vermächtnisnehmer einen Anspruch gegen den Beschenkten, soweit der Erblasser den Gegenstand zu Lebzeiten

1. in Beeinträchtigungsabsicht gegenüber dem Bedachten verschenkt hat und

2. er von den Erben keinen Ersatz zu erlangen vermag.

Die Haftung des Beschenkten sei somit subsidiär zur Erbenhaftung und setze voraus, dass Wertersatz über die Erben nicht möglich sei. Das OLG bemängelte, dass die Klägerin hierzu nichts vorgetragen habe außer der pausschalen Behauptung, die Erlangung von Wertersatz sei nicht möglich. Insoweit müsse ein Anspruchsteller konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Erben weder in der Lage seien, Maßnahmen zu ergreifen, um auf eine Übertragung des Eigentums an den Anspruchsteller hinzuwirken, noch die finanziellen Mittel zur Verfügung hätten, einen angemessenen Wertersatz zu leisten. Eine solche Darlegung habe die Klägerin unterlassen.

Falscher Beklagter

Daher lehnte das OLG die Ansprüche der Klägerin ab und ließ letztlich 2 Frage offen: Das Gericht prüfte nicht, ob die testamentarische Vermächtnisanordnung zu Gunsten der jüngeren Tochter in einem unmittelbaren Wechselbezug zur Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin gestanden hatte. Nur in diesem Fall wäre die Witwe überhaupt an der Übertragung der Doppelhaushälfte auf ihren Enkel gehindert gewesen. Des weiteren ließ das Gericht offen, ob die Erblasserin die Doppelhaushälfte in Beeinträchtigungsabsicht gegenüber der Klägerin ihren an ihren Enkel übertragen hatte. Im Ergebnis ging die Klägerin leer aus, weil sie ihr Begehren gegen den falschen Anspruchsgegner gerichtet hatte.

(OLG Hamm, Urteil v. 09.01.2014, 10 U 10/13).

Vgl. zum Erbrecht auch:

Unklares Testament

Nicht hinreichend bestimmte Testamente sind nichtig

Mündliche Erklärungen des Erblassers

 und

Das abgetauchte Testament

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Gegenseitige Erbeinsetzung mit Schlusserbeinsetzung

Schlagworte zum Thema:  Testament, Schenkung