Unfallgefahren simulieren in Sicherheitstrainingszentren

Der Besuch von Sicherheitstrainingszentren wird von immer mehr Unternehmen als sinnvolle Ergänzung der betrieblichen Arbeitsschutzbildung ihrer Beschäftigten geschätzt. In ihnen können ihre Mitarbeiter:innen durch „Learning by doing“ die Gefahrenpotenziale ihres Arbeitsumfelds kennenlernen, ohne dabei sich selbst tatsächlichen Risiken aussetzen zu müssen.

In Deutschland entstehen immer mehr Trainingszentren, in den Menschen nicht ihre Fitness und Athletik steigern, sondern ihre Kompetenz in Sachen Arbeitssicherheit durch „Learning by doing“ auf- und ausbauen können. Unternehmen buchen für ihre Beschäftigte dort Trainingseinheiten, in denen sie sicheres Verhalten, Umgang mit Risiken sowie die Rettung und Versorgung von verunfallten Kollegen und Kolleginnen spielerisch und risikolos erlernen.

In den Trainingsparks und -hallen werden Unfallgefahren an realistischen Rekonstruktionen der Arbeitswirklichkeit nachgestellt, die an Seminaren und Trainingsmodulen teilnehmenden Beschäftigten erproben an und in ihnen, wie sie sich im Ernstfall verhalten müssen bzw. sollten. Durch dieses neue Lernangebot werden die betrieblichen Unterweisungen zwar nicht ersetzt, die Trainingskurse werden aber von zunehmend mehr Unternehmen als sinnvolle, für ihre Beschäftigten attraktive und praxisbezogene Erweiterung der innerbetrieblichen Sensibilisierung  für das Thema Arbeitssicherheit geschätzt.

Firmeneigene Trainingsparks

Trainingsparks und -hallen für Arbeitssicherheit entstanden zuerst in Hong Kong, Südkorea und Japan, wo sie zunächst von Unternehmen für die eigenen Belegschaften gebaut wurden. Das südkoreanische Unternehmen Youngwoo Industries zum Beispiel gehört zu den Pionieren im Bereich betriebseigener Sicherheitstrainingsparks. Es unterhält gleich mehrere Trainingszentren, auch an ausländischen Niederlassungen. An mehreren Standorten wurden von Youngwoo Trainingsparks speziell für die Arbeit auf Baustellen eingerichtet. In diesen Einrichtungen werden Trainingsmodule für das Arbeiten mit Geräten und schweren Maschinen, für Aushubarbeiten, für den Bau von Brücken und Tunneln, für Elektroarbeiten, für Arbeiten in der Höhe, beim Gerüstbau und bei Kranarbeiten sowie in beengten Räumen angeboten.

Beim Modul „Sicherer Umgang mit Baufahrzeugen“ können die Besucher beispielsweise hautnah miterleben, wie es zu einem Unfall kommen kann, wenn ein Baufahrzeug auf der Baustelle rückwärts fährt und der Fahrer im „toten Winkel“ Baustellenarbeiter nicht sehen kann. Ein anderes Beispiel: Bei Aushubarbeiten kommt es immer wieder vor, dass Seitenwände nachgeben und einstürzen oder dass Arbeiter unterirdische Leitungen beschädigen. Auf dem Trainingsgelände werden mehrere Szenarien für die Beschäftigten durchgespielt, um ihnen zu zeigen, wie man sich in den verschiedenen Gefahrensituationen sicherheitsbewusst verhält. Bei diesen Maßnahmen sind die Beschäftigten zumeist inaktiv. Der Lerneffekt entsteht in erster Linie durch Zuschauen und die anschließenden Diskussionen in den Seminarräumen, Learning by doing steht in Ostasien (noch) eher an zweiter Stelle.

Angebote externer Dienstleister

In Europa und Deutschland dagegen ist die aktive Selbsterprobung der Trainingskurs-Teilnehmer das Hauptziel. Firmeneigene Trainingsgelände und -hallen sind hier sehr selten. Unternehmen buchen hierzulande vielmehr Trainingskurse, spezielle Lernmodule oder Seminare bei externen Dienstleistern. In vielen Fällen handelt es sich bei diesen Dienstleistern um ausgebildete Sicherheitsingenieure oder Technische Großhändler – oder um beides in Personalunion.

So wie bei Jörg Mauel, der 2016 das „Sicherwerk“ in einer alten Industriehalle am Stadtrand der rheinischen Stadt Düren gegründet hat. Es bietet auf rund 1.500 Quadratmetern und auf zwei Ebenen eine Vielzahl von realitätsnahen Trainingsstationen sowie integrierte Schulungsräume. In Höhen und Tiefen von bis zu 18 Metern, engen Behältern und mit einem Hallenkran können Unternehmen ihren Mitarbeitern die körperlichen und mentalen Anforderungen an das Arbeiten und Retten in den unterschiedlichsten gefährlichen Situationen erlebbar machen.

Berufsspezifische Trainings

Die Arbeitsschutz-Trainingszentren bieten sowohl Kurse und Seminare für die allgemeine Unterweisung zum Thema Arbeitssicherheit als auch spezialisierte Lernmodule für spezifische Tätigkeiten und die Benutzung bestimmter Arbeitsmittel.

Auf die sichere Benutzung insbesondere von Kranen und Staplern hat sich zum Beispiel die AST Arbeitssicherheit & Technik GmbH in Blaustein bei Ulm spezialisiert. Die Akademie bietet mit in fünf Unterrichtsräumen sowie der Trainingshalle „Safety Park“ Platz für Seminare und Trainings aller Art. Hier stehen spezialisierte und zertifizierte Aus- und Weiterbildungen zur Arbeitssicherheit von Kranführern, Staplerfahrern sowie Fahrer bzw. Anwender anderer schwerer Arbeitsgeräte, im Mittelpunkt. Auf dem Trainingsgelände stehen den Kursteilnehmern unter anderem zwei Turmdrehkrane, ein Hallenkran, ein Mobilkran, ein Teleskopstapler und verschiedenen Staplern, Erdbau-, Hubarbeits- und Mastkletterbühnen zur Verfügung, hinzu kommen diverse Spezialmaschinen. Aber es gibt nicht nur „analoge“ Trainingsmöglichkeiten.

Virtual Reality-Simulatoren

Um den sicheren Umgang mit dem jeweiligen Arbeitsgerät zu erlernen, können die Kursteilnehmer auch an digitalen Virtual Reality-Simulatoren üben. Dabei geht es nicht um phantasievolle Videospiele, die Geräte orientieren sich vielmehr an allen relevanten Regelwerken zur Arbeitssicherheit.

Die Arbeitssicherheits-Praxisausbildung für Kranführer beispielsweise wird auf Grundlage des DGUV Grundsatzes 309-003 „Auswahl, Unterweisung und Befähigungsnachweis von Kranführern“ durchgeführt und beinhaltet unter anderem die Sicht- und Funktionsprüfung, das feinfühlige Anheben, Absetzen und das Auspendeln von Lasten sowie Arbeiten mit Einweiser und Anschläger. Insbesondere mit dem VR-Kransimulator können unterschiedliche, besonders unfallträchtige Gefahrensituationen realitätsnah abgebildet und entsprechende Verhaltensweisen zur Vermeidung oder Lösung dieser Gefahrsituationen trainiert werden, ohne dabei Personen und andere Maschinen und Gegenstände zu gefährden.

Berufsgenossenschaften legen Skepsis ab

Die Berufsgenossenschaften haben ihre ursprüngliche Skepsis gegenüber digitaler Ausbildung und VR-Simulatoren mittlerweile aufgegeben – vorausgesetzt Inhalte und Verfahren entsprechen den berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen. Aber nicht nur in der Theorie haben sich die Berufsgenossenschaften dem virtuellen Trend angenähert. Auf Initiative des AST-Geschäftsführung entstand in Kooperation mit der DGUV die Publikation „FBHL-019 Fachbereich Aktuell – Einsatz von Simulationssystemen zur Qualifizierung der Bediener/innen mobiler Arbeitsmittel.“ Mit der Auswahl der vorgestellten Systeme liegt damit erstmals eine rechtsichere Grundlage für die Auswahl des für das jeweilige Unternehmen passende digitale System vor.

Schlagworte zum Thema:  Unterweisung, Arbeitsschutz