Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist unter der Herrschaft des § 26 EStG a. F. bei Personengesellschaften, deren Gesellschafter nur zwei zusammen lebende Ehegatten waren, der Gewinn nicht nach § 215 Abs. 2 AO einheitlich festgestellt worden, so können die Ehegatten, soweit die Einkommensteuerbescheide am 21. Februar 1957 bereits rechtskräftig waren und nicht aus anderen Gründen wieder aufgerollt werden, nicht verlangen, daß der Gewinn nachträglich nach § 215 Abs. 2 AO einheitlich und gesondert festgestellt und dabei jedem Ehegatten der im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Gewinnanteil zugerechnet wird.

Sind bei Personengesellschaften, an denen neben anderen Gesellschaftern auch zusammen lebende Ehegatten beteiligt waren, die vertraglichen Gewinnanteile beider Ehegatten zusammengefaßt der Haushaltsgemeinschaft oder einem Ehegatten allein zugerechnet worden, so können die Ehegatten, soweit die Feststellungsbescheide am 21. Februar 1957 bereits rechtskräftig waren und das Feststellungsverfahren nicht später aus anderen Gründen wieder aufgerollt wird, nicht verlangen, daß die Gewinnanteile nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags beiden Ehegatten getrennt zugerechnet werden.

Soweit es in § 26 Abs. 3 ff. EStG 1957 auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids ankommt, ist, wenn und soweit ein Feststellungsverfahren nach § 215 Abs. 2 AO vorangegangen ist, der Zeitpunkt der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids, nicht der des Feststellungsbescheids maßgebend.

 

Normenkette

EStG § 26/3, § 26/4, § 26 Abs. 5; AO § 215 Abs. 2, § 218 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kaufmann A. (abgekürzt: Ehemann) ist persönlich haftender Gesellschafter der A.-KG; seine Ehefrau ist Kommanditistin; die Ehegatten sind mit je 30 v. H. am Gewinn beteiligt. Das Finanzamt stellte im Verfahren gemäß § 215 Abs. 2 AO für die Ehegatten zusammen die Gewinnanteile für 1955 auf 25.337 DM fest und rechnete sie dem Ehemann allein zu. Der Ehemann beantragte am 27. Oktober 1957 bei dem Finanzamt, die gewerblichen Einkünfte für sich und seine Ehefrau getrennt zu veranlagen. Das Finanzamt lehnte das ab, weil im Gewinnfeststellungsbescheid die Gewinnanteile nur dem Ehemann zugerechnet worden seien. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Seine Entscheidung ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1959 S. 271 veröffentlicht. Es führte im wesentlichen aus: Als der ursprüngliche Feststellungsbescheid für 1955 vom 10. Dezember 1956 und der berichtigte Feststellungsbescheid vom 11. Januar 1957 ergangen seien, habe noch § 26 EStG a. F. gegolten. Die rechtskräftige Zurechnung der Gewinnanteile im Gewinnfeststellungsbescheid müsse nach § 218 Abs. 2 AO der Einkommensteuerveranlagung zugrunde gelegt werden; demgemäß seien die Gewinnanteile beider Ehegatten nur dem Ehemann zuzurechnen. Der auf der einheitlichen Gewinnfeststellung beruhende Einkommensteuerbescheid für 1955 vom 28. Januar 1957 sei zwar am 21. Februar 1957 noch nicht rechtskräftig gewesen. Es komme aber nicht auf die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids, sondern die des Feststellungsbescheids an.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Die Bf. wollen die am 21. Februar 1957 bereits rechtskräftige einheitliche Gewinnfeststellung für 1955 dahin geändert haben, daß der Gewinnanteil von 25.337 DM gemäß dem Gesellschaftsvertrag den Ehegatten je zur Hälfte zugerechnet wird.

Das Finanzgericht hat mit Recht angenommen, es habe auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, daß das Finanzamt in dem rechtskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid die Gewinnanteile nicht jedem Ehegatten getrennt, sondern allein dem Ehemann als Haushaltsvorstand zugerechnet habe. Es war zwar schon vor dem Jahre 1957 streitig geworden, ob und inwieweit der früher allgemein anerkannte Grundsatz der steuerlichen Einheit von zusammen lebenden Ehegatten für das Einkommensteuerrecht wirklich galt und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Vorschrift des § 26 EStG a. F. über die Haushaltsbesteuerung von Ehegatten zukam (vgl. zum Beispiel Urteile des Bundesfinanzhofs I 216/55 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 233, Slg. Bd. 63 S. 93 mit übersicht über die Rechtsprechung; IV 66/55 U vom 10. November 1955, BStBl 1956 III S. 361, Slg. Bd. 63 S. 425; I 256/55 U vom 25. September 1956, BStBl 1957 III S. 2, Slg. Bd. 64 S. 3). Der Senat hat in der Entscheidung I 147 - 150/56 U vom 30. Oktober 1956 (BStBl 1957 III S. 48, Slg. Bd. 64 S. 123) bereits bemerkt, daß die Verwaltungsbehörden, obgleich die Auswirkung des § 26 EStG a. F. zweifelhaft geworden war, dabei geblieben waren, zusammen lebende Ehegatten steuerlich als Einheit zu behandeln. Diese Rechtsauslegung wurde auch vom erkennenden Senat gebilligt (vgl. insbesondere Urteil I 147 - 150/56 U a. a. O.). Die Verwaltungsbehörden nahmen, weil sie dieser Rechtsauslegung folgten, bei Personengesellschaften, wenn nur zwei zusammen lebende Ehegatten Gesellschafter waren, keine einheitliche Gewinnfeststellung nach § 215 Abs. 2 AO vor, sondern rechneten im Einkommensteuerveranlagungsverfahren den Gewinn unmittelbar und allein der Haushaltsgemeinschaft der Ehegatten, vertreten durch den Haushaltsvorstand, zu. Wenn zusammen lebende Ehegatten neben anderen Gesellschaftern an einer Personengesellschaft beteiligt waren, wurden aus dem gleichen Grund in der einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 215 Abs. 2 AO im allgemeinen die Gewinnanteile beider Ehegatten zusammengefaßt und der Haushaltsgemeinschaft der Ehegatten oder - überwiegend - dem Ehemann allein zugerechnet. Große Bedeutung kam diesen Fragen infolge des Grundsatzes der Zusammenrechnung der Einkünfte der Ehegatten (sogenannte Haushaltsbesteuerung) unter der Herrschaft des § 26 EStG a. F. allerdings nicht zu. Die erwähnte Verwaltungsübung war aber jedenfalls Ausfluß einer bestimmten Rechtsauffassung über Wesen und Wirkung der Haushaltsbesteuerung von Ehegatten. Wenn demnach wie im Streitfall in einem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 215 Abs. 2 AO die Gewinnanteile von Ehegatten zusammengefaßt dem Ehemann allein zugerechnet wurden, so handelte es sich um eine rechtliche Entscheidung, nicht um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 92 Abs. 3 AO (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 113/53 U vom 10. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 214, Slg. Bd. 57 S. 558; IV 320/53 U vom 18. Februar 1954, BStBl 1954 III S. 133, Slg. Bd. 58 S. 585; IV 486/53 U vom 18. November 1954, BStBl 1955 III S. 19, Slg. Bd. 60 S. 52; Kühn, 5. Auflage, 1958, Anmerkung 2 zu § 92 AO). Eine änderung rechtskräftiger Feststellungen nach § 92 Abs. 3 AO ist also aus diesem Grunde nicht möglich.

Im Streitfall war der Bescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung 1955 vor dem 21. Februar 1957 rechtskräftig geworden, während der Einkommensteuerbescheid 1955 vom 28. Januar 1957 am 20. Februar 1957 noch nicht rechtskräftig war. Das Finanzgericht meint, für die Bestimmung des nach § 26 Abs. 5 EStG 1957 maßgebenden Stichtags komme es, wenn dem Veranlagungsverfahren ein Feststellungsverfahren vorgeschaltet worden ist, auf die Rechtskraft des Feststellungsbescheids, nicht auf die Rechtskraft des Steuerbescheids an. Es beruft sich dafür vor allem auf die Vorschrift des § 218 AO. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Zunächst ist zu beachten, daß § 26 Abs. 5 EStG 1957 von der Rechtskraft des "Steuerbescheids", nicht aber auch von der eines vorausgegangenen Feststellungsbescheids spricht. Es ist ferner in Betracht zu ziehen, daß über die Frage, ob zusammenlebende Ehegatten gemäß § 26 EStG a. F. zusammen zu veranlagen waren, im Veranlagungsverfahren nicht im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden war. Wenn also zum Beispiel in einem einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren die Gewinnanteile beider Ehegatten der Haushaltsgemeinschaft zugerechnet worden waren und im Veranlagungsverfahren sich ergab, daß die Ehegatten nicht nach § 26 EStG a. F. zusammen veranlagt werden konnten, so bedurfte es einer Ergänzung des Feststellungsbescheids dahin, in welchem Verhältnis der bisher der Haushaltsgemeinschaft zusammengefaßt zugerechnete Gewinnanteil auf jeden Ehegatten entfiel. Solange in der Einkommensteuerveranlagung nicht rechtskräftig über die Frage der Zusammenveranlagung entschieden war, oder wenn nach der ursprünglichen Rechtskraft die Veranlagung aus irgendeinem Grunde wiederaufgerollt wurde, konnten die Ehegatten, wenn daran ein rechtliches Interesse bestand, die erwähnte Ergänzung des Feststellungsbescheids beantragen. Diese Grundsätze gelten auch für das Verhältnis von einheitlicher Gewinnfeststellung (ß 215 Abs. 2 AO) und Einkommensteuerveranlagung der Ehegatten im Zusammenhang mit der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im EStG 1957. Es steht also nichts entgegen, das Begehren der Bf. als Antrag auf Ergänzung des Feststellungsbescheids zu behandeln und ihm stattzugeben, weil die Einkommensteuerveranlagung der Ehegatten am 21. Februar 1957 noch nicht rechtskräftig war. Der rechtskräftige einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid muß also dahin ergänzt werden, daß der bisher der Haushaltsgemeinschaft der Ehegatten oder dem Ehemann als Repräsentanten der Haushaltsgemeinschaft zugerechnete Gewinnanteil nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags beiden Ehegatten anteilig zugerechnet wird. Das Finanzamt hat diese Ergänzung vorzunehmen.

Um Mißverständnisse zu vermeiden, faßt der Senat seine Rechtsauslegung wie folgt zusammen:

Waren Ehegatten alleinige Gesellschafter einer Personengesellschaft und sind sie vor dem 21. Februar 1957 gemäß § 26 EStG a. F. rechtskräftig zur Einkommensteuer zusammen veranlagt worden, so können sie, solange die rechtskräftige Einkommensteuerveranlagung besteht, nicht die Nachholung der einheitlichen Gewinnfeststellung für frühere rechtskräftig veranlagte Veranlagungszeiträume erzwingen. Für die Nachholung würde das Rechtsschutzinteresse fehlen, weil die im Veranlagungsverfahren getroffene Entscheidung über die Zusammenveranlagung gemäß § 26 EStG a. F. durch eine nachträgliche Zurechnung des Gewinns an beide Ehegatten nach Rechtskraft der Einkommensteuerveranlagung nicht mehr geändert werden kann; infolge des Grundsatzes der Haushaltsbesteuerung nach § 26 EStG a. F. müßten die Gewinnanteile beider Ehegatten auf jeden Fall bei der Einkommensteuerveranlagung zusammengerechnet werden.

Waren Ehegatten neben anderen Personen als Gesellschafter an einer Personengesellschaft beteiligt und sind in einem am 21. Februar 1957 bereits rechtskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid die Gewinnanteile beider Ehegatten zusammengefaßt der Haushaltsgemeinschaft oder einem von ihnen als Repräsentanten der Haushaltsgemeinschaft zugerechnet worden, so können die Ehegatten die Ergänzung des rechtskräftigen Feststellungsbescheids durch Zurechnung des Gewinnanteils auf beide Ehegatten nicht betreiben, soweit sie am 20. Februar 1957 mit ihren Gewinnanteilen nach § 26 EStG a. F. bereits rechtskräftig zusammen zur Einkommensteuer veranlagt waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409584

BStBl III 1960, 91

BFHE 1960, 247

BFHE 70, 247

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