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BFH Urteil vom 16.11.1978 - III R 121/75

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Leitsatz (amtlich)

Sagt eine Personengesellschaft einem Arbeitnehmer, der mit einem Gesellschafter verwandt ist, Leistungen der Alters- oder Invaliditätsversorgung zu, so kann sie die ihr aus der Zusage erwachsene Verpflichtung nach Eintritt des Versorgungsfalles gem. § 103 BewG 1965 als Betriebsschuld abziehen, sofern die Zusage unmittelbar und ausschließlich im Arbeitsverhältnis begründet ist.

 

Normenkette

BewG 1965 § 103

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob bei der Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs der klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) auf den 1. Januar 1967 und auf den 1. Januar 1969 eine Pensionsverpflichtung gegenüber der Ehefrau des damaligen Kommanditisten A als Betriebsschuld (§ 103 des Bewertungsgesetzes - BewG - 1965) abgezogen werden kann.

Durch Vertrag vom 3. Februar 1966 gründeten die Gesellschafter A (Kommanditist) und sein Schwiegersohn B (Komplementär) die Firma C-KG (Klägerin). Der Gesellschafter A brachte als Einlage in die Gesellschaft sein Einzelhandelsunternehmen mit allen Aktiven und Passiven ein. In dem Gesellschaftsvertrag (§ 10) verpflichteten sich die Gesellschafter, der Ehefrau des Gesellschafters A nach deren Ausscheiden aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, spätestens jedoch mit Erreichung des 65. Lebensjahres, ein Altersruhegeld von monatlich 400 DM zu gewähren. Frau A hatte bereits in dem Unternehmen ihres Ehemannes seit dessen Gründung mitgearbeitet und nach einem am 25. März 1957 schriftlich geschlossenen Dienstvertrag ab 1. Januar 1957 ein Monatsgehalt von 450 DM bezogen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1967 und zum 1. Januar 1969 die zugunsten von Frau A eingegangene Pensionsverpflichtung nicht als Schuldposten an. Zur Begründung verwies das FA auf das Ergebnis einer Betriebsprüfung. Dazu hat das Finanzgericht (FG) festgestellt, die Betriebsprüfung habe ergeben, daß Frau A schon im März 1966 nach einer Erkrankung aus dem Dienstverhältnis mit der Klägerin ausgeschieden sei und rückwirkend ab 1. Januar 1966 monatlich 400 DM Ruhegeld erhalten habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin anderen Arbeitnehmern noch keine Versorgungszusagen erteilt gehabt. Erst am 29. Dezember 1966 habe sich die Klägerin gegenüber mehreren Arbeitnehmern in gleichartigen Verträgen zur Zahlung von Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung verpflichtet, wobei allgemein das Erreichen des 65. Lebensjahres als Zeitpunkt des Beginns der Versorgungsrente vereinbart gewesen sei. Auch gegenüber Frau A habe die Klägerin am 29. Dezember 1966 eine Versorgungszusage gegeben, wonach diese bei Ausscheiden aus den Diensten nach der Vollendung des 56. Lebensjahres (5. Juni 1966) eine lebenslängliche Altersrente von 400 DM monatlich erhalten sollte. Den anderen Arbeitnehmern habe die Klägerin lediglich Renten von 200 DM monatlich zugesagt.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Seiner Ansicht nach hat die Klägerin am 29. Dezember 1966 Frau A in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin eine ernstlich gewollte und sowohl dem Grund als auch der Höhe nach angemessene Pensionszusage erteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das Verletzung der §§ 103, 104 BewG 1965 rügt. Das FA ist der Auffassung, daß die Pensionszusage vom Dezember 1966 nicht losgelöst von der Pensionszusage im Gesellschaftsvertrag der KG gesehen werden könne. Die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung sei aber zu keinem Zeitpunkt geändert worden. Damit stelle die Pensionszusage vom Dezember 1966 keine weitere Belastung der Klägerin dar. Im übrigen ist die neue Vereinbarung nach Ansicht des FA steuerrechtlich deshalb unbeachtlich, weil Frau A im Dezember 1966 nicht mehr Arbeitnehmerin der Klägerin gewesen sei. Das FA macht ferner geltend, daß bei den übrigen Arbeitnehmern der Klägerin als Beginn der Versorgungsrente das Erreichen des 65. Lebensjahres vereinbart gewesen sei, wogegen Frau A unabhängig von ihrem Gesundheitszustand bereits bei Ausscheiden nach Vollendung des 56. Lebensjahres versorgungsberechtigt gewesen sei. Der Grund für diese unterschiedliche Behandlung kann nach Ansicht des FA nur in den familiären Beziehungen von Frau A zu den Gesellschaftern der KG begründet sein. Das FA weist ferner darauf hin, daß sich die Klägerin gegenüber ihren anderen Arbeitnehmern zur Zahlung von Invalidenrente nur bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit verpflichtet habe. Frau A sei aber 1966 weder erwerbs- noch berufsunfähig gewesen. Das FA ist darüber hinaus der Ansicht, die Frau A erteilte Pensionszusage sei im Vergleich zu den Ruhegeldzusagen an die anderen Arbeitnehmer der Höhe nach unangemessen. Der bestehende Unterschied könne nicht mit einer längeren Betriebszugehörigkeit von Frau A gerechtfertigt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Nach § 103 BewG in der für die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1967 und 1. Januar 1969 maßgebenden Fassung sind zur Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens vom betrieblichen Rohvermögen die Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Zu diesen Schulden gehören auch solche, die auf einer betrieblichen Versorgungszusage beruhen.

a) Sagt eine Personengesellschaft einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters- oder Invaliditätsversorgung zu, so kann sie dementsprechend die ihr aus der Zusage erwachsene Verpflichtung nach Eintritt des Versorgungsfalles gemäß § 103 BewG 1965 als Betriebsschuld abziehen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Gesellschaft der Ehefrau eines Gesellschafters, die Arbeitnehmerin der Gesellschaft ist, eine derartige Zusage erteilt (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Oktober 1969 III R 145/66, BFHE 97, 561, BStBl II 1970, 197). Voraussetzung ist jedoch, daß die Verpflichtung ernstlich gewollt ist und der betriebliche Charakter der Pensionszusage dadurch zum Ausdruck kommt, daß der Steuerpflichtige eine solche Zusage auch einem Arbeitnehmer erteilt haben würde, der zu keinem der Gesellschafter familiäre Beziehungen hat. An den Nachweis des Bestehens und des Inhalts einer solchen Verpflichtung sind angesichts der Möglichkeit gleichgerichteter privater Interessen der Vertragspartner strenge Anforderungen zu stellen. Dabei bedarf es sowohl einer besonders sorgfältigen Prüfung der Angemessenheit der zugesagten Altersversorgung als auch aller anderen Umstände, die gegen den betrieblichen Charakter einer solchen Verpflichtung sprechen könnten; denn nach der Lebenserfahrung pflegen bei der Zusage einer Alters- oder Invaliditätsversorgung an nahe Angehörige des Betriebsinhabers oder eines der Gesellschafter einer Personengesellschaft familienrechtliche Gesichtspunkte, so z. B. die Verpflichtung, den Ehegatten im Alter zu versorgen, eine Rolle zu spielen (vgl. zur ertragsteuerlichen Behandlung von Pensionszusagen beim Einzelkaufmann insbesondere BFH-Urteil vom 15. Juli 1976 I R 124/73, BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112, mit weiteren Nachweisen).

b) Zwar werden Leistungen der Alters- oder Invaliditätsversorgung regelmäßig im Rahmen eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses zugesagt. Jedoch kann ein Steuerpflichtiger derartige Verpflichtungen entgegen der Auffassung des FA steuerwirksam auch noch einem bereits in den Ruhestand getretenen Arbeitnehmer gegenüber eingehen. Voraussetzung ist jedoch auch insoweit, daß die Versorgungszusage aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses erteilt wird. Sie muß ihren Grund im Arbeitsverhältnis haben; dieses muß die alleinige Ursache der Versorgungszusage sein.

2. Im Streitfall liegt entgegen der Ansicht des FG eine abzugsfähige Schuld i. S. des § 103 BewG 1965 nicht vor. Die sich aus der Pensionszusage ergebende Verpflichtung hing nicht ursächlich und unmittelbar mit dem Betriebsvermögen der Klägerin zusammen.

a) Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Pensionszahlungen ab dem Jahr 1967 nicht aufgrund der Zusage im Gesellschaftsvertrag vom Februar 1966, sondern aufgrund der Zusage vom 29. Dezember 1966 geleistet worden sind. Diese würde sonst aus der Sicht der Klägerin ihren Sinn verlieren. Für die Auffassung des FG, daß die spätere Vereinbarung nach dem Willen der Klägerin an die Stelle der gesellschaftsvertraglichen Zusage getreten ist, spricht auch folgender Umstand: Das FG hat in der Einkommensteuersache 1966 die Ansicht vertreten, die Vereinbarung vom Februar 1966 sei in dem Gesellschaftsverhältnis begründet gewesen und könne deshalb nicht als Pensionszusage an einen Arbeitnehmer gewertet werden. Die Klägerin hat diese Entscheidung nicht angefochten. Es hätte aber nahegelegen, dies zu tun, wenn die Klägerin davon ausgegangen wäre, daß die Zusage vom Februar 1966 die Grundlage der Pensionszahlungen ab dem Jahr 1967 gewesen sei.

b) Der Senat vermag jedoch nicht der Ansicht des FG zu folgen, daß die Klägerin sich auch einem anderen Arbeitnehmer gegenüber, der nicht ein Angehöriger eines der Gesellschafter ist, unter sonst gleichen Umständen, d. h. insbesondere ohne Rücksicht auf das Vorhandensein einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bereits mit Vollendung des 56. Lebensjahres, zu einer solchen Versorgungsleistung, wie sie gegenüber Frau A gewährt wurde, verpflichtet hätte.

Nach den Feststellungen des FG verpflichtete sich die Klägerin gegenüber Frau A, bei deren Ausscheiden aus den Diensten der Klägerin nach Vollendung des 56. Lebensjahres eine lebenslängliche Altersrente zu zahlen. Die übrigen Arbeitnehmer dagegen können die Altersrente erst bei Erreichen des 65. Lebensjahres erhalten. Aber selbst wenn man mit dem FG davon ausgeht, daß die Zusage der Zahlung der Versorgungsrente bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres mit Rücksicht auf die Erkrankung von Frau A erfolgt ist, so gelten jedoch für Frau A auch insoweit andere Voraussetzungen als für die übrigen Arbeitnehmer. Diese erhalten nämlich Invalidenrente nur im Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit. Dabei gilt hinsichtlich der Feststellung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit die Entscheidung des zuständigen Sozialversicherungsträgers. Dies ergibt sich aus der von der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Ablichtung ihrer "Versorgungszusage" i. V. m. Tz. 24 des Betriebsprüfungsberichts vom 26. November 1971, auf die das FG in seiner Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen hat. Nach dieser Textziffer liegt den Pensionszusagen vom 29. Dezember 1966 ein einheitlicher Vertragstext zugrunde. Wie das FG aber weiter festgestellt hat, war Frau A im Dezember 1966 noch nicht berufs- oder erwerbsunfähig i. S. des Angestelltenversicherungsgesetzes.

Aus diesen Umständen folgt, daß bei der Pensionszusage vom 29. Dezember 1966 nur familiäre Überlegungen im Vordergrund gestanden haben können. Die Zusage hatte damit ihren unmittelbaren und ausschließlichen Grund nicht im Arbeitsverhältnis; sie war nicht betrieblich bedingt.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den Ausführungen zu 2. abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72977

BStBl II 1979, 97

BFHE 1979, 320

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