Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich sind sowohl die laufenden Erbbauzinsen als auch einmalige Beträge, die für die Einräumung eines Erbbaurechts gezahlt werden, beim Erbbaurechtsverpflichteten als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist Eigentümerin eines größeren landwirtschaftlich genutzten Anwesens. In den Jahren 1957/1958 trat die Gemeinde an sie mit dem Verlangen heran, für einen Schulhausneubau einen Grundstücksteil abzugeben. Die Steuerpflichtige wollte dafür einen Teil ihrer weiteren Grundstücke zur Bebauung freigegeben haben. Nach langen Auseinandersetzungen einigten sich die Steuerpflichtige und die Gemeinde in einem notariellen Vertrag aus dem Jahre 1960 wie folgt: Die Steuerpflichtige überläßt der Gemeinde das gewünschte Grundstück von rund 7 600 qm "unentgeltlich". Die Gemeinde weist dafür eine weitere der Steuerpflichtigen gehörende Teilfläche von 50 000 qm als Bauland aus. Sie erkennt an, daß die Steuerpflichtige für das Baugelände keine "Nachfolgelasten" zu zahlen hat und daß sie diese ohne Anrechnung auf einen etwaigen Stopppreis von den späteren Erwerbern fordern kann.

Mit notarieller Urkunde aus dem Jahre 1962 bestellte die Steuerpflichtige an einer Teilfläche (rund 44 000 qm) des "neuen" Baulandes ein Erbbaurecht zugunsten einer Wohnungsgesellschaft gegen Vereinbarung eines laufenden jährlichen Erbbauzinses von 1,50 DM pro qm. Zusätzlich verpflichtete sich die Erbbauberechtigte, einen einmaligen Betrag an die Steuerpflichtige zu zahlen, weil die Steuerpflichtige früher der Gemeinde das Schulgrundstück unentgeltlich übertragen habe. In dem notariellen Vertrag vom Jahre 1962 ist dazu ausgeführt: "Mit Rücksicht auf diese unentgeltliche Überlassung hat sich die Gemeinde ... dem Grundstückseigentümer gegenüber verpflichtet, für das gegenständige Baugelände keine Nachfolgelasten zu fordern mit der Maßgabe, daß der Grundstückseigentümer berechtigt ist, diese Nachfolgelasten seinerseits von den Erwerbern des Baugeländes zu verlangen. Im Hinblick auf diese Vereinbarung ... vergütet der Erbbauberechtigte ... Y DM pro qm ... für die ... Teilfläche = X DM."

Das FA - Beklagter und Revisionsbeklagter - behandelte nicht nur den laufenden Erbbauzins, sondern auch den Einmalbetrag als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG wies die Klage aus folgenden Gründen ab: Gegenleistungen für die Übertragung eines Erbbaurechts seien Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Auch der Einmalbetrag sei eine Gegenleistung für das Erbbaurecht. Denn andere Rechte oder Wirtschaftsgüter habe die Steuerpflichtige der Erbbauberechtigten nicht übertragen. Verlange die Steuerpflichtige Ersatz von Auslagen von der Erbbauberechtigten, so geschehe das nicht für die Übertragung eines gesonderten Rechts, sondern für das wertvoller gewordene Erbbaurecht.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor: Nachfolgelasten seien die auf eine Gemeinde zukommenden finanziellen Verpflichtungen, wenn die Gemeinde die Neubesiedlung bisher unbebauter Grundstücke zulasse, z. B. also zusätzlicher Schulraum und zusätzliche Krankenhausbetten. In der Praxis ließen sich die Gemeinden diese gemeindlichen Lasten häufig durch "Schenkungsverträge" erstatten. Mit der Überlassung des Schulgrundstücks habe sie nur eine Vorauszahlung erbracht, die die Erbbauberechtigte mit dem Einmalbetrag später ersetzt habe. Die Bestellung des Erbbaurechts gegen Erbbauzins und der Ersatz ihrer Auslagen seien im übrigen wirtschaftlich verschiedene Tatbestände.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß Erbbauzinsen, die für das veräußerliche und vererbliche dingliche Recht gezahlt werden, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 der Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919 - ErbbRVO -, RGBl 1919, 72), grundsätzlich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind (vgl. die Urteile des Senats VI 251/62 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 665, BStBl III 1963, 564; VI 138/64 vom 7. Mai 1965, HFR 1965, 505). Denn die Begriffe der "Vermietung und Verpachtung" in § 21 EStG decken sich nicht vollständig mit den bürgerlich-rechtlichen Begriffen der "Miete" und "Pacht" (§§ 535 ff., 581 ff. BGB). Die Begriffe "Vermietung und Verpachtung" haben gegenüber "Miete" und "Pacht" einen umfassenderen und wirtschaftlichen Gehalt (vgl. das Urteil des Senats VI 251/62 U, a. a. O., und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Steuerpflichtige wendet sich auch nicht gegen diese Rechtsprechung im Grundsatz. Sie meint nur, der von ihr bezogene Einmalbetrag sei kein Erbbau zins. Zutreffend ist insoweit, daß nach der Definition in § 9 ErbbRVO Erbbau zins das für die Bestellung des Erbbaurechts "in wiederkehrenden Leistungen" ausbedungene Entgelt ist. Das schließt jedoch nicht aus, daß für die Einräumung des Erbbaurechts zusätzlich oder anstatt des Erbbauzinses ein einmaliger Betrag gezahlt wird. Bürgerlich-rechtlich ist anerkannt, daß auch eine einmalige Leistung Entgelt für das Erbbaurecht sein kann (vgl. Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 10. Aufl., § 9 ErbbRVO, Anm. 1; Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, 11. Aufl., Bd. III, 2. Teil, § 9 ErbbRVO Anm. 1), wie auch der Miet zins in einer einmaligen Leistung bestehen kann (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Aufl., § 535, Anm. 3 e). Einkommensteuerrechtlich ist das einmalige Entgelt für die Einräumung eines Erbbaurechts aber ebenso wie die wiederkehrenden Erbbauzinszahlungen zu behandeln. Das hat der Senat bereits in dem Urteil VI 251/62 U (a. a. O.) ausgeführt; und auch in anderen Entscheidungen - dort allerdings bei Miet- und Pachtverhältnissen - ist der Senat davon ausgegangen, daß einmalige Zahlungen, die neben dem Mietzins entrichtet werden, als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung anzusehen sind, soweit sie mit der Abgeltung der Gebrauchsüberlassung der Mietsache zusammenhängen (vgl. z. B. das Urteil VI 264/65 vom 22. April 1966, BFH 86, 148, BStBl III 1966, 395). Gleiches muß für die einmalige Leistung gelten, die für die Einräumung des Erbbaurechts gezahlt wird. Es wäre auch nicht verständlich, wenn einmalige Leistungen für das Erbbaurecht steuerrechtlich anders als wiederkehrende Leistungen behandelt würden, obwohl hier wie dort eine Gegenleistung des Erbbauberechtigten gegeben ist.

2. Nun macht die Steuerpflichtige allerdings geltend, der einmalige Betrag sei nicht als Zahlung für die Einräumung des Erbbaurechts zu verstehen. Das FG hat demgegenüber angenommen, die Steuerpflichtige habe der Erbbauberechtigten für die einmalige Zahlung außer dem Erbbaurecht keine weitere Gegenleistung erbracht. Das ist nicht zu beanstanden. Die Steuerpflichtige hat der Gemeinde im Jahre 1960 das Schulgrundstück wirtschaftlich nicht unentgeltlich überlassen. Als Gegenleistung für die Überlassung des Schulgrundstücks hat die Gemeinde sowohl rund 50 000 qm Ackerland der Steuerpflichtigen als Bauland ausgewiesen als auch in dem notariellen Vertrag vom Jahre 1960 anerkannt, daß die Steuerpflichtige hinsichtlich dieses Baulandes keine Nachfolgelasten zu zahlen habe. Beides war ein wirtschaftlicher Vorteil für die Steuerpflichtige, hatte sie doch nunmehr die Möglichkeit, ihr Grundstück von rund 50 000 qm bebauen zu können, und zwar sogar ohne Zahlung von Nachfolgelasten. Dieser Vorteil gab ihr kein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, sondern erhöhte den Wert des Grundstücks. Auch das "Anerkenntnis" der Gemeinde, daß die Steuerpflichtige beim Verkauf des Grundstücks vom Erwerber eine Vergütung der Nachfolgelasten fordern könne, ändert daran nichts. Dieses Anerkenntnis war nur deklaratorischer Art, zumal - was die Steuerpflichtige selbst einräumt - der Gemeinde nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes nicht das Recht zustand, die Nachfolgelasten auf die Baubewerber abzuwälzen. Das Anerkenntnis konnte folglich die Höhe des von der Steuerpflichtigen mit Dritten auszuhandelnden Verkaufspreises oder Erbbauzinses nicht noch als solches beeinflussen.

Die Werterhöhung des Grundstücks hat die Erbbauberechtigte mit dem Einmalbetrag abgegolten. In der Tat war für die Wohnungsgesellschaft der Erwerb eines Erbbaurechts an anerkanntem Bauland von erheblich höherem Wert als an einem Gelände, von dem es noch nicht feststand, ob es zu Bauland erklärt werden würde.

Soweit die Steuerpflichtige darauf hinweist, sie habe mit der Hingabe des Schulgrundstücks nur eine Vorauszahlung geleistet, die ihr die Erbbauberechtigte später ersetzt habe, ändert dieser Einwand nichts an der vorstehenden Beurteilung. Denn durch die "Vorauszahlung" hat die Steuerpflichtige eben den Grundstückswert erhöht, was sie sich dann später bei der Bemessung der Vergütungen für das Erbbaurecht erstatten ließ.

Entgegen dem Vortrag der Steuerpflichtigen fällt der Abschluß des Erbbaurechtsvertrags nicht nur zufällig mit der gleichzeitigen Verpflichtung der Erbbauberechtigten, den Einmalbetrag zu leisten, zusammen. Das FG hat insoweit in nicht zu beanstandender Weise die hierzu eingeholte Auskunft der Erbbauberechtigten dahingehend gewürdigt, daß die Steuerpflichtige den Erbbaurechtsvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn ihre Forderung auf Zahlung des Einmalbetrags nicht erfüllt worden wäre.

Die Eingabe des Schulgrundstücks im Jahre 1960 kann auch nicht als Werbungskosten in Höhe des Werts dieses Grundstücks bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden. Wie bereits dargelegt, hat die Übereignung des Schulgrundstücks zu einer Werterhöhung des Grund und Bodens der Steuerpflichtigen geführt, der als Gegenleistung für die Übereignung des Schulgrundstücks zu Bauland erklärt wurde.

Soweit die Steuerpflichtige einen Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gestellt hat, braucht darauf schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil sie in der Hauptsache unterlegen ist und damit Kostenerstattung schon aus diesem Grund nicht begehren kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68689

BStBl II 1969, 724

BFHE 1969, 506

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